Schule und Bildung – wie werden wir den Kindern gerecht, und „sichern“ ihre und auch unsere Zukunft?  

Das ist das Thema des anstehenden Debattenraums.

Aber reflektiert nicht bereits ein Teil der Fragestellung die Paranoia unserer Zeit, das Streben nach Sicherheit als oberstes Ziel? Ist das Ziel von Schule und Bildung „Zukunftssicherung“? Und wessen Zukunft überhaupt? Wir sind inzwischen ziemlich weit davon entfernt, dass ein akademischer Abschluss automatisch zu einer glänzenden beruflichen Karriere führen wird. Wäre dann der Einstieg „für das Leben lernen wir – wie genau, geht das?“ ein besserer gewesen? Was heißt denn überhaupt kindgerechte Bildung, die zum ausgewiesenen Ziel das Erwachsenenleben hat?

Schon allein darüber könnten wir vermutlich abendfüllend debattieren und diskutieren, was wir am 25.7. ab 18:30/19:00 in unserem nächsten Debattenraum auch vorhaben.Einige Teilnehmer haben sich vorab Gedanken gemacht und zu Wort gemeldet, die Panelisten bringen aus ihrer beruflichen Erfahrung ausgesprochen vielfältige Themen mit. Ein paar Themenbereiche möchten wir zur Anregung und Einstimmung auf den vor uns liegenden Abend in loser Folge auflisten und benennen:

Lehrermangel und Umgang mit den Pädagogen

Der deutsche Lehrerverband erwartet „dramatischen Lehrermangel“. In Baden-Württemberg fleht die Landesregierung per Brief die Lehrkräfte an, zu überlegen, ob sie nicht im kommenden Schuljahr „ein, zwei oder drei zusätzliche Stunden unterrichten können“ oder den „Ruhestand hinausschieben“, oder „uns als Pensionär/in unterstützen können“. Schaut man aber dann genauer hin, wie mit den jungen Pädagogen umgegangen wird, wird ein völlig anderes Bild sichtbar. Eine signifikante Zahl befristet angestellter Lehrkräfte wird jährlich in die Sommererwerbslosigkeit geschickt, um sie dann wieder befristet anzustellen. Letzteres ist weit verbreitete Praxis. Junge, oft noch hoch motivierte Lehrkräfte werde im Sommer zum Arbeitsamt geschickt, wissend, dass sie dringend gebraucht werden und man sie auch sicher wieder im Herbst anfragen wird. Wo der nächste Einsatzort sein wird, erfährt so ein junger Lehrer dann kurz vor Schulbeginn, sozusagen in letzter Minute. Hof oder Berchtesgaden? Wie er Wohnen, Familie, soziales Umfeld regelt ist ganz allein seine Sache. Welches Signal ist das?

Planungsfehler oder der gewollte Weg zum digitalisierten Distanzturbolehrer?

„Schweinezyklen“, also der Wechsel zwischen Mangel und Überfluss, bei der Lehrerausbildung, hat in der Bundesrepublik in den letzten Jahrzehnten eine gute Tradition. Aber in diesem Ausmaß und in so vielen Bereichen, von Grund- und Förderschulen bis zu den Gymnasien, haben wir das eigentlich noch nicht gesehen. Der „Strohhalm“, an dem man sich neuerdings festzuhalten versucht, sind die sogenannten Seiteneinsteiger. Menschen mit zum Teil wissenschaftlicher Bildung, die Lust haben, sich in der Pädagogik mal zu versuchen, werden im großen Umfang gesucht und schnellqualifiziert. Das trifft auf Schüler, die schwere Probleme auf mehreren Ebenen entwickelt haben. Gerade jetzt bräuchten wir hochqualifiziertes Bildungspersonal.

Distanzunterricht, gekommen um zu bleiben?

Sachsen-Anhalt erprobt eine 4-Tage-Präsenzwoche. Durch Distanzunterricht an einem Tag lassen sich bequem Lehrkräfte einsparen. Dieser Distanzunterricht, einst im Rahmen der Pandemiemaßnahmen erzwungen und erprobt, scheint nicht weichen zu wollen. Die pädagogischen Folgen stehen dabei offensichtlich weniger im Fokus als die rein monetären. Erste politische Stimmen haben sich im Kontext der drohenden Energiekrise mit dem Vorschlag zu Wort gemeldet, man könne sich doch das Heizen der Schulgebäude dadurch im Winter sparen. Ein aussichtsreiches Erfolgsmodell für unsere Schulkinder? Die Folgen des bisherigen Distanzunterrichts wurden kaum evaluiert. Welche Erfahrungen haben Pädagogen, Eltern, Psychologen, Sozialarbeiter und auch die Kinder gemacht?

Psychische, körperliche, schulische Folgen der Maßnahmen

„Ich weiss von einem Kind in der 3. Klasse, welches einen Stift wie einen Fremdkörper in die Hand genommen hat. Nur durch zusätzliche Schreibübungen zuhause mit Hilfe wurde mehr Übung erzielt. Von anderen Kindern habe ich Vergleichbares gehört, viele Familien haben kein Geld für Nachhilfe oder externe Unterstützung. Außerdem sind viele Kinder psychisch beeinträchtigt, der Lockdown hat psychische Schäden ausgelöst. Das sollte angesprochen werden“, so eine Teilnehmerzuschrift. Über die Folgen der Corona Maßnahmen gibt es kaum belastbares Evaluierungsmaterial. Aber wo und durch wen werden die offensichtlichen Schäden aufgefangen? Durch die schnellqualifizierten Quereinsteiger?

Digitalisiserung als Allheilmittel?

Wobei wir mit dem angesprochenen „Stift“ sogleich bei der Frage der Digitalisierung landen. Was ist von iPad Klassen zu halten? In welcher Altersstufe und in welcher Form haben sie sich bewähren können? Warum gibt es bereits schon wieder Schulen, die damit bei den jüngeren Schülern aufhören, obwohl die Ausstattung vorhanden ist? Wie schaffen wir es, gegen die grassierende Mediensucht unserer Kinder anzugehen und gleichzeitig das digitale Werkzeug sinnvoll anzuwenden? Auch dazu besteht Redebedarf.

Informationstransfer ist etwas anderes als Bildung

Macht man mit der Frage wirklich ernst, ob Schule mehr ist als Informationstransfer, dann kommt man recht schnell zu den verschiedenen „Begleitphänomenen“ von Unterricht, wie zum Beispiel das Herstellen einer entspannten Lernatmosphäre, oder einer positiven Lernkultur, die sich nicht nur auf das abprüfbare Papierwissen bezieht. In einer Zeit, in der immer mehr Eltern keine Zeit oder Kraft haben, sich um die Erziehung ihrer Kinder durchgehend zu kümmern, gewinnen diese „Nebeneffekte“ von Unterricht eine zentrale Bedeutung. Im öffentlichen Fokus steht aber zunehmend die Reduzierung auf digitalen Informationstransfer. Eine paradoxe Situation. Wie bekommen wir die Angst aus dem System, diese Angst die den Schulalltag von Schülern, aber auch Lehrern prägt?

Gibt es freiheitliche Bildung durch weisungsbefugte Lehrer?

Wie freiheitlich darf es in unserem Schulsystem überhaupt zugehen. Für „Freie Alternativschulen“ gibt es zumindest schon einen Bundesverband. Aber gibt es auch die entsprechenden Schulen dazu? Warum sind „demokratische Schulen“ in Israel populär, und nicht in Bayern? Im Kontext der Corona-Pandemie wurden an vielen verschiedenen Orten alternative Schulprojekte ins Leben gerufen, Pädagogen und Eltern haben sich gemeinsam auf den Weg gemacht. Staatlicherseits nennt man diese Projekte nun aber Illegale Schulen. Das sagt etwas aus. Was ist die Freilernersolidargemeinschaft? Vielleicht werden wir dazu mehr erfahren, in unserem Debattenraum.

Alles neu, oder noch reformfähig?

Kann Unterricht innerhalb des bestehenden Systems verbessert werden? Welche Methoden und Inhalte brauchen wir für unsere Kinder, damit sie in der modernen Welt sicher bestehen können? Da ist sie wieder unsere Paranoia. Ziel von Schule ist das Bestehen der Zukunft, lassen wir es vorerst mal dabei. Welche Kompetenzen sind nötig, um in der modernen Welt zu bestehen. Wirtschaftskompetenz? Handwerkliche Kompetenz? Fähigkeit zum kritischen Denken, zum selber Denken, zur aktiven Partizipation in einem demokratischen System? Und vor allem, wie kommen wir weg, von den bloßen Forderungen, vom Ausmalen wie es besser, schöner und richtiger sein könnte, riesiger ausgedachter Ziele hin zu ersten konkreten Realisierungsschritten?  

Fragen über Fragen. Wir müssen reden.