Chronik 2

Impfpflicht? Zwischen zwei Abstimmungen – # 02 – Eine Corona-Chronik zu Wissenschaft, Kommunikation und Politik in einer zerrissenen Gesellschaft

Am Dienstag, 30. November 2021, spricht sich der da noch „zukünftige“ Bundeskanzler Olaf Scholz auf dem letzten von Angela Merkel geführten Bund-Länder Treffen für eine allgemeine Impfpflicht aus und kündigt zugleich an, dass bei der zukünftigen Abstimmung (hier: „Zweite Abstimmung“) im Bundestag dafür der Fraktionszwang entfallen solle. 

Am Freitag, 10. Dezember 2021, beschließt der Bundestag (hier: „Erste Abstimmung“) den Gesetzentwurf von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP, der eine Impfpflicht für Gesundheits- und Pflegepersonal („einrichtungsbezogene Impfpflicht“) ab 15. März 2022 beinhaltet.

#Wir dokumentieren hier die Zeit „zwischen den Abstimmungen“, mit dem 30. November 2021 als Startpunkt. Das Ergebnis ist ungewiss, da die zweite Abstimmung noch nicht stattgefunden hat. Sicher ist, dass diese Zeit von der Nachwelt aufgearbeitet werden wird. Insofern möge die Chronik dazu beitragen, den Überblick in der Gegenwart zu behalten und eine Rückschau zu unterstützen. Zu welchem Urteil die Historiker wohl kommen werden?

#Wir beleuchten die Ereignisse systematisch anhand folgender Dimensionen

  1. Wissenschaftliche Erkenntnisse und Thesen
  2. News von Pharma/Biotech und Fachbehörden
  3. Kommunikative und mediale Höhepunkte
  4. Politische Entscheidungen und Maßnahmen
  5. Juristische Prozesse und Entscheidungen
  6. Gesellschaftlicher Diskurs und Reaktionen

#Wir sind zu zweit, weiblich, akademisch und beruflich qualifiziert in biomedizinischer Forschung und Industrie, in Politikwissenschaft, Ökonomie und Journalismus. Wir streben nach einer ausgewogenen Darstellung derjenigen Ereignisse, die wir entscheiden aufzugreifen. Wie in einer Chronik üblich, obliegt die Auswahl dem Chronisten.

Der Entschluss zur Erstellung der Chronik ist spontan entstanden. In der kurzen Zeit seit dem 30.11.2021 – unserem Startpunkt – haben sich die Ereignisse überschlagen. Wir haben die Absicht, möglichst zeitnah und regelmäßig zu berichten. Für 2021 haben wir jedoch bereits die „Weihnachtspause“ zur Fertigstellung der ersten beiden Chronikeinträge nutzen müssen.

Aktuell sind wir noch auf der Suche nach einem geeigneten Publikationsmedium („zuhause“) für unsere Publikationen.

Vorab zu einer Verstetigung hier Chronikeintrag #02, für die Zeitspanne vom 13.12.2021 bis zum 26.12.2021. Ganz unweihnachtlich verfestigt sich die Spaltung der Gesellschaft und der durch die drohende Impfpflicht ausgelöste Protest erreicht in großem Stil die Straße. Die Besorgnis über den Zustand der Demokratie wird von beiden Lagern geteilt.

Chronikeintrag #2 am 26. Dezember 2021

  1. Wissenschaftliche Erkenntnisse und Thesen

Omicron dominiert seit genau einem Monat das Corona Geschehen und stellt bereits alle bisherigen Varianten hinsichtlich der Verbreitungsgeschwindigkeit in den Schatten. Ein Blick auf die globale Landkarte am Mittwoch dem 22.12.2021 zeigt, dass Omicron u.a. in den USA, in Großbritannien, Dänemark und Portugal bereits zur dominierenden Variante geworden ist und Delta dort aus dieser Rolle verdrängt hat – deutlich schneller als erwartet. https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/corona-omikron-verbreitung-weltweit-100.html 

Es ist davon auszugehen, dass Omicron diesen Siegeszug weltweit fortsetzen wird. Aber es gibt auch gute Nachrichten – die Beobachtungen vor Ort in den derzeit am stärksten von Omicron betroffenen Ländern deuten in die Richtung einer verminderten Gefährlichkeit im Vergleich zu Delta, sichtbar durch eine reduzierte Hospitalisierungsrate und eine reduzierte Anzahl schwerer Verläufe.

Erste wissenschaftliche Publikationen, basierend auf Studien aus Südafrika, Schottland und England, stützen nun diese Beobachtungen. Aus Südafrika wird eine 80%ige Reduzierung des Hospitalisierungsrisikos berichtet, aus Schottland eine 66%ige und aus England eine 20-45%ige (je nach Definition von „Hospitalisierung“). Auch wenn es sich um frühe und weiter zu verifizierende wissenschaftliche Erkenntnisse handelt – sie sind ermutigend. In der digitalen Version der BILD vom Donnerstag dem 23.12.2021 sind diese drei Studien kurz vorgestellt und es wird zum Originaltext verlinkt: https://www.bild.de/ratgeber/2021/ratgeber/corona-mutation-britische-studien-belegen-mildere-omikron-verlaeufe-78628024.bild.html.

Neben den Virologen sind auch die Statistiker in der Pandemie sehr gefragt, um eine saubere Interpretation des Geschehens und eine Differenzierung zwischen Korrelation und Kausalität zu ermöglichen. Allerdings erfordert eine gute statistische Auswertung eine gute Datenlage und insbesondere in Deutschland ist diese zu Corona meist nicht gegeben. Insofern hier auch keine Vorstellung einer spannenden Publikation, sondern der Hinweis auf die neuesten Sterbefallzahlen aus Deutschland, veröffentlicht von Destatis am Dienstag dem 14.12.2021: https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2021/12/PD21_574_126.html

Die Sterbezahlen für November liegen 20% über dem mittleren Wert der Vorjahre und auch in vielen anderen europäischen Ländern zeigen sich in diesem Monat Übersterblichkeiten.

Ein Vergleich der gesamten Sterbefälle zu den vom RKI ermittelten Sterbefällen durch Corona ist bis einschließlich KW 46, also bis zum 21.11.2021, möglich und wird von Destatis präsentiert: In dieser Woche stehen 4.148 zusätzliche Sterbefälle, im Vergleich zum mittleren Wert von 2017-2020, einer Meldung von 1.665 Corona Sterbefällen seitens des RKI gegenüber. „Demnach erklären die beim RKI gemeldeten Covid-19-Todesfälle den Anstieg nur zum Teil“, so Destatis, ohne jedoch „für den dadurch nicht erklärbaren Anstieg der Sterbefallzahlen“ Erläuterungen zu liefern.

Ein Zusammenhang zwischen Übersterblichkeiten und Covid-19-Impfungen wird von Impfskeptikern in verschiedenen europäischen Ländern vermutet, ein Beleg dieser These steht jedoch noch aus.

  • Pharma/Biotech und Regulatorik

Am Donnerstag dem 16.12.2021 gibt die EMA grünes Licht für zwei weitere Medikamente zur Therapie der Covid-Erkrankung: Xevudy und Kineret https://www.zeit.de/news/2021-12/16/ema-gibt-gruenes-licht-fuer-zwei-covid-19-medikamente

Bei Xevudy handelt es sich um einen von GSK (GlaxoSmithKline) und der Biotech-Firma Vir co-entwickelten monoklonalen Antikörper, den dritten in der EU zugelassenen, der bei Patienten ab 12 mit erhöhtem Risiko für einen schweren Verlauf (aber noch nicht mit zusätzlichem Sauerstoff versorgt) zum Einsatz kommen kann. Aufgrund der Struktur besteht Hoffnung, dass er auch gegen Omicron wirken könnte https://www.ema.europa.eu/en/news/covid-19-ema-recommends-authorisation-antibody-medicine-xevudy .

Kineret ist ein immunsupprimierendes Medikament der schwedischen Firma Orphan Biovitrum, das bereits zur Behandlung verschiedener entzündlicher Indikationen auf dem Markt ist. Mit ihm soll bei Covid – Erkrankten mit Lungenentzündung zusätzlich zur bisherigen Standardtherapie mit Sauerstoff und ggf. Dexamethason das Überschießen der Immunreaktion in dieser kritischen Phase verhindert werden.

Am Mittwoch dem 22.12.2021 erteilt die FDA der „Covid-Pille“von Pfizer, Paxlovid, eine Notfallzulassung (EUA) zur Behandlung milder bis moderater Covid-Fälle für Patienten ab 12 Jahren https://www.fda.gov/news-events/press-announcements/coronavirus-covid-19-update-fda-authorizes-first-oral-antiviral-treatment-covid-19 . Bei Paxlovid handelt es sich um ein Kombinationspräparat („co-packaged“), bestehend aus Nirmatrelvir und Ritonavir, letzteres bereits eingesetzt bei der Therapie von HIV. Paxlovid ist verschreibungspflichtig und muss innerhalb von fünf Tagen nach Auftreten von Covid-Symptomen eingenommen werden.

Damit hat Pfizer als Hauptprofiteur des am Markt erfolgreichsten Impfstoffes nun auch das Rennen um das erste oral verfügbare Therapeutikum gewonnen und seinen Konkurrenten Merck geschlagen. Erst einen Tag später, am Donnerstag dem 23.12.2021, erhält Merck die Notfallzulassung der FDA für das eigene, oral verfügbare Covid Medikament Molnupiravir https://www.fda.gov/news-events/press-announcements/coronavirus-covid-19-update-fda-authorizes-first-oral-antiviral-treatment-covid-19. Merck muss zudem Einschränkungen hinnehmen. Zugelassen wird zwar ebenfalls für den Einsatz bei milden bis moderaten Covid -Fällen mit hohem individuellem Risiko für einen schweren Verlauf zum Einsatz außerhalb des Krankenhauses, allerdings erst für Patienten ab 18 Jahren und im Falle der Nicht-Anwendbarkeit alternativ verfügbarer Therapien.

In Europa hatte die Europäische Arzneimittelagentur EMA am Donnerstag dem 16.12.2021 bereits eine Handreichung zum Einsatz von Paxlovid herausgegeben, also den Weg zum Einsatz des Medikamentes in Europa noch vor seiner Zulassung freigemacht https://www.pharmazeutische-zeitung.de/ema-empfiehlt-paxlovid-bereits-vor-der-zulassung-130311/, ähnlich wie bereits am 19.11.2021 für Molnupiravir.

Beide Medikamente zielen auf die Inhibition von Virus-Enzymen als „drug targets“ (Medikamentenangriffsziele, „Targets“). Bei Merck handelt es sich bei dem Target um die RNA-Polymerase, verantwortlich für das Kopieren des Ergbuts des Virus. Bei Pfizer ist das Target die 3 Chymotrypsin-Like Protease (3CLpro), verantwortlich für die Spaltung des Coronavirus Polyproteins, ein essentieller Schritt im Rahmen der Virus-Replikation.

Merck und Pfizer waren nicht alleine in dem Versuch, Medikamente gegen das jeweilige Target zu entwickeln. Für die RNA-Polymerase (Merck) gab es eine konkurrierende Entwicklung von Roche/Atea, die jedoch in der klinischen Entwicklung scheiterte und Roche zum Rückzug aus der Partnerschaft veranlasste. Für 3CLpro (Pfizer) gäbe es mit Ivermectin sogar einen bekannten, preisgünstigen und zur Covid-Therapie mancherorts eingesetzten Wirkstoff auf dem Markt, siehe zur Inhibition von 3CLpro durch Ivermectin u.a.: https://www.researchgate.net/publication/348626948_Identification_of_3-chymotrypsin_like_protease_3CLPro_inhibitors_as_potential_anti-SARS-CoV-2_agents

Auf Basis der vorgelegten Daten muss von einer besseren Wirksamkeit des Pfizer-Medikamentes ausgegangen werden. Dabei hatte Merck sogar als Erster vielversprechende Interims-Phase III Daten zu Molnupiravir vorgelegt, musste aber einen Wirkungsabfall bei der vollständigen Analyse aller Studienteilnehmer vermelden. Pfizer war mit Paxlovid unmittelbar nachgezogen und hatte wenige Tage später die eigenen, noch besseren Interimsdaten vorgestellt, ohne dann einen Rückschlag bei den finalen Studiendaten vermelden zu müssen.

Inwieweit die in den Studien beobachtete Wirkung im praktischen Einsatz zur Entfaltung kommen kann und welches „das bessere“ Medikament ist, auch im Hinblick auf Nebenwirkungen, muss die klinische Anwendung zeigen. Wie die Erfahrungen von Roche/Atea bei der gescheiterten Studie https://www.evaluate.com/vantage/articles/news/trial-results/atea-and-roche-get-covid-19-antiviral-warning sowie von Merck hinsichtlich des Abfalls bei der finalen Auswertung zeigen, hatte das Studiendesign direkte Auswirkung auf die Ergebnisse. So hatten Roche/Altea im Gegensatz zu Merck und Pfizer auch Geimpfte sowie Patienten mit einem weniger erhöhten individuellen Risiko eingeschlossen – ein Wirksamkeitsnachweis war in dieser erweiterten Gruppe nicht möglich.

Molnupiravir und Paxlovid wurden beide nicht in geimpften Patientengetestet. Da die FDA-Zulassung diese Gruppe dennoch beinhaltet, werden die beiden Medikamente sicherlich auch im großen Stil für Geimpfte zum Einsatz kommen.

Durch die Empfehlung zur bedingten Zulassung des Impfstoffes Nuvaxovid, hergestellt von der US-amerikanischen Firma Novavax, durch die EMA am Montag dem 20.12.2021 https://www.ema.europa.eu/en/news/ema-recommends-nuvaxovid-authorisation-eu könnte der Kreis der Geimpften noch erweitert werden. Einerseits hebt sich Nuvaxovid durch geringere akute Nebenwirkungen positiv von insbesondere den mRNA Impfstoffen ab. Andererseits wird er als gentechnologisch außerhalb des menschlichen Körpers hergestellter und mit bisher wenig gebräuchlichen Adjuvantien (ein Extrakt an Saponinen aus der Rinde des chilenischen Seifenrindenbaumes) verstärkter Protein-Impfstoff dennoch mit weniger Mistrauen betrachtet als die mRNA (Pfizer/BioNtech, Moderna) und Adenovirus-basierten Vektor-Impfstoffe (AZ, J&J). Die der Zulassungsempfehlung von Nuvaxovid zugrundeliegenden Daten sind ähnlich gut wie die Zulassungsdaten der mRNA-Impfstoffe – und ähnlich veraltet, da die Struktur der immunisierenden Virusproteinpartikel ebenso wie bei den bisherigen Impfstoffen abgeleitet ist von dem nicht mehr klinisch relevanten Original Typ des Virus und die Studien nicht unter den jetzigen Delta- und Omikron Bedingungen durchgeführt wurden.

Am Dienstag dem 21.12.2021 aktualisiert die STIKO erneut ihre Covid-19-Impfratschläge und empfiehlt eine Boosterung nun bereits nach drei Monaten. Der Grund sei die geringe Wirkung der bisherigen Zweifachimpfungen gegenüber Omicron. Wie lange eine erhoffte Schutzwirkung durch das Boostern anhalten könne sei jedoch unsicher.  https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/stiko-boostern-101.html.

Die Begründung der Empfehlung ist datiert auf den 13.01.2022, online vorab veröffentlicht: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2022/Ausgaben/02_22_STIKO-Begruendung.pdf?__blob=publicationFile  Als wissenschaftliche Datengrundlage werden primär die in verschiedenen Arbeitsgruppen seit Auftreten von Omicron durchgeführten Neutralisationsstudien in Zellkulturen, wie bereits in Chronik#01 anhand der damals ersten Veröffentlichungen beschrieben, aufgeführt. Als einzige epidemiologische Studie bezieht sich die STIKO auf eine als pre-print veröffentlichte Untersuchung aus UK, Referenz Nr. 9, Andrews et al. „Effectiveness of COVID-19 vaccines against the Omicron v.o.c.”, nicht peer-reviewed  https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2021.12.14.21267615v1.full.pdf. Diese Studie vergleicht retrospektiv. Allerdings werden dabei neben 56.439 Delta Fällen nur 581 Omicron Fälle untersucht. Es ist also eine sehr dünne Datenlage, worauf die britischen Autoren auch hinweisen. Und auch die STIKO ist sich darüber im Klaren. Ihre „wissenschaftliche Begründung“ schließt mit dem Satz: „Die STIKO weist darauf hin, dass diese Empfehlung auf Basis einer derzeit begrenzten Datenlage getroffen wurde.“

Ursprünglich hatte die STIKO am 7.10.2021 eine Boosterung nach mindestens sechs Monaten für 70-Jährige und Ältere empfohlen, am 18.11.2021 dies dann ausgeweitet auf alle über 18, mit einer Möglichkeit zur Verkürzung auf einen Abstand von fünf Monaten im Einzelfall.

  • Kommunikative und mediale Höhepunkte

Nuvaxovid wird als Impfstoff für Impfunwillige propagiert und in den Medien wird dazu anlässlich der Entscheidung der EMA am Montag dem 20.12.2021 für die darauffolgenden 48 Stunden intensiv berichtet. Oft wird er fälschlich als „Totimpfstoff“ bezeichnet, wobei auf diese Fehlbenennung dann meist auch gleich wieder hingewiesen wird https://www.br.de/radio/bayern1/totimpfstoff-100.html Von der Firma selbst und den Medien wird aber insbesondere die „klassische Herstellungsweise“ als vertrauensschaffende Botschaft betont https://www.focus.de/gesundheit/der-meinungsueberblick-powered-by-buzzard-novavax-rettet-uns-der-impfstoff-fuer-impfskeptiker-jetzt-aus-der-pandemie_id_28339170.html.  Inwieweit der Impfstoff ein „game changer“ sein kann, ist noch unklar, ebenso, wann er wirklich in Deutschland verfügbar sein wird. In der Vergangenheit wurde die Entwicklung immer wieder von Produktionsproblemen verzögert, unklar ist, ob diese jetzt bei starker Skalierung der Produktion zur Markteinführung gelöst sind. Letztlich ist das Rennen gegen Valneva noch nicht entschieden https://transkript.de/news/novavax-erhaelt-die-ema-empfehlung-valneva-muss-noch-warten.html

In einem Offenen Brief am Montag dem 13.12.2021 an die Abgeordneten des Bundestags, den Bundeskanzler, die Gesundheitsminister von Bund und Ländern, den Deutschen Ethikrat, die im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien, die Pressestellen von Bundesärztekammer und Kassenärztlicher Bundesvereinigung sowie die Presse legen die „Ärzte stehen auf“, mit 400 namentlichen Unterzeichnern ihre Bedenken bzgl. des geringen Nutzens und der Risiken der bisherigen COVID-Impfungen dar und argumentieren medizinisch präzise, warum ein „wie auch immer gearteter Zwang sich impfen zu lassen, weder gerechtfertigt noch ethisch vertretbar ist“. Hier im Wortlaut inkl. vollständiger Unterzeichnerliste und Quellenangaben:

https://www.frisches-flensburg.de/aerzte-stehen-auf-offener-brief-an-die-regierung/ . Über etwaige Reaktionen der Adressaten wird nichts bekannt. Die Presse berichtet kaum, in den sozialen Medien hingegen erregt diese Stellungnahme von Ärzten hohe Aufmerksamkeit.

Am Sonntag dem 19.12.2021, zwei Wochen nach dem Bekanntwerden der Fehler bei den bayerischen Inzidenz-„Daten“ zu Geimpft/Ungeimpft, deckt die Presse ein analoges Vorgehen in Hamburg auf: Hier verteilen sich die Corona-Fälle zu 14,3% auf Ungeimpfte, zu 22,5% auf Geimpfte, bei dem „Rest“ ist der Status unbekannt, diese werden zur Berechnung den Ungeimpften zugeschlagen. https://www.merkur.de/politik/corona-inzidenz-hamburg-geimpfte-ungeimpfte-senat-tschentscher-kubicki-zr-91187873.html Weder in Hamburg noch in Bayern wurden seitdem korrekt aufgeschlüsselte Zahlen präsentiert, es bleibt bei einer nicht differenzierten Angabe der Inzidenzen.

Am Mittwoch dem 22.12.2021 meldet die SZ https://www.sueddeutsche.de/bayern/bayern-corona-lgl-soeder-inzidenzen-walter-jonas-1.5494305 , dass der Verantwortliche am für die Datenerhebung zuständigen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) in Bayern, Präsident Walter Jonas, die Behörde am 1.2.2022 verlassen wird. Der FDP-Fraktionsvorsitzende im Bayerischen Landtag, Martin Hagen, wertet diese Personalie als „Schuldeingeständnis“ für falsche Zahlen, Jonas bezeichnet er als „Bauernopfer“ der Regierung Söder.

Nach der Demonstration einiger tausend Münchner Bürger*innen – genehmigt, stationär – in der Ludwigstraße am Mittwoch dem 15.12.2021, organisiert von www.muenchen-steht-auf.de, zürnt Oberbürgermeister Dieter Reiter über angebliche Gewalt, Missachtung von Infektionsschutzauflagen und Verharmlosung des Holocausts und fordert die Münchner*innen auf, sich impfen zu lassen und an derartigen Veranstaltungen keinesfalls teilzunehmen https://www.merkur.de/lokales/muenchen/corona-demo-muenchen-eskalation-festnahmen-querdenker-polizei-tn-91182379.html. Bürger, die vor Ort waren, sehen das anders, sie haben die Demonstration friedlich erlebt. Diverse Schreiben werden an die Münchner Politik und die lokalen Zeitungshäuser gerichtet, so auch dieser offene Brief an den Oberbürgermeister vom Sonntag dem 19.12.2021, unterzeichnet auch von einer Verfasserin dieser Chronik https://kinderrechtejetzt.de/offener-brief/ .

Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Saskia Weishaupt schickt am Tag der nächsten großen Protestaktion in München am Mittwoch dem 22.12.2021 folgenden Tweet: „Die Taktik von den Querdenker:innen ist es, sich Stück für Stück die Straße zu erkämpfen. Polizei muss handeln und im Zweifelsfall Pfefferspray und Schlagstöcke einsetzen. Wir dürfen ihnen keinen Millimeter überlassen! “ Auf Twitter trendet daraufhin #SchlagstockSaskia, sie löscht den Tweet https://weltwoche.ch/daily/gruene-abgeordnete-fordert-schlagstock-einsatz-gegen-demonstranten-und-wird-prompt-vom-volk-abgemahnt/ .

In München fordert Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze am Donnerstag dem 23.12.2021, dass das „behäbige Innenministerium“ die Polizei befähige, mit der ,,radikalisierten Szene“ der Querdenker „konsequent umzugehen“ und warnt vor einem „unkontrolliertem Flächenbrand“.  Münchens OB Dieter Reiter spricht von einem ,,Missbrauch des Grundrechts auf Meinungsfreiheit“, Bayerns Innenminister Joachim Herrmann rät Kommunen zu Versammlungsbeschränkungen als Gegenmittel für unangemeldete ,,Spaziergänge“ in Städten https://www.br.de/nachrichten/bayern/nach-ungenehmigter-corona-demo-in-muenchen-ruf-nach-konsequenzen,SsQN0lS.  

Die Messlatte zur Qualifikation für die Teilnahme am öffentlichen Leben wird indes bereits weiter nach oben verschoben:

Am Donnerstag dem 23.12.2021 führt der Virologe und Corona-Rat-Experte Christian Drosten das 1G-Konzept (Zugang nur für Geboosterte) als mögliche weitere Maßnahme ein, für den Fall, dass die Kontaktbeschränkungen nicht wie erhofft greifen sollten. Seine Erläuterung dazu: Zweifach Geimpfte seien bei Omikron „praktisch nicht gegen eine Infektion“ geschützt, „wer aber kürzlich geboostert ist, trägt wahrscheinlich weniger zur Weiterverbreitung bei“.

https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/gesundheit/coronavirus/virologe-drosten-bringt-1g-fuer-geboosterte-ins-spiel-17700321.html . Wissenschaftliche Erkenntnisse zum Effekt der Boosterung hinsichtlich Weiterverbreitung liegen tatsächlich aber noch nicht vor.

Der Virologe Hendrik Streeck, ebenfalls Mitglied des neu berufenen Corona-Expertenrates, setzt kurz vor Weihnachten andere Akzente. Er ist skeptisch gegenüber einer vierten Impfung und der Einführung einer allgemeinen Impfpflicht im jetzigen Kontext und trifft in einem am Mittwoch dem 22.12.2021 auf n-tv ausgestrahlten Video-Interview https://www.n-tv.de/mediathek/videos/panorama/Zwei-Booster-pro-Jahr-hiesse-Impfstoff-ist-nicht-gut-article23015759.html folgende Aussagen, im Wortlaut:

„Ich sehe das sehr skeptisch, dass man jetzt anfängt schon über eine vierte Impfung zu reden. Im Grunde können wir nicht mit einem Impfstoff arbeiten, der alle sechs Monate gegeben wird, weil wir dann uns eingestehen müssten, dass der Impfstoff nicht gut funktioniert – und man müsste nochmal zurück ins Labor gehen und bessere Impfstoffe finden. Ich finde da auch die Diskussion um die Impfpflicht etwas überraschend, weil ein Impfstoff, wo wir weder die Schutzdauer, die Schutzwirkung oder aber auch sagen können, welche Varianten im Moment abgedeckt werden von einem Impfstoff oder nicht und wie oft der angepasst werden wird, dahingehend kann man ja gar keinen guten Empfehlungen aussprechen, die langfristig sind.“

Zudem warnt er aus virologischer Sicht vor negativen Effekten auf das Immunsystem, wenn man dieses durch Dauerimpfungen darauf trainiere, immer nur ein einziges Protein zu sehen. Die Booster-Impfung in der aktuellen Situation nimmt er aus dieser Argumentation jedoch heraus und empfiehlt sie explizit.

  • Politische Entscheidungen und Maßnahmen

Bund

Am Dienstag dem 14.12.2021 hatte der von der Bundesregierung neugeschaffene, interdisziplinäre Corona-Expertenrat, bestehend aus 19 Mitgliedern, erstmals getagt, um noch vor Weihnachten eine erste Stellungnahme zu Omicron vorzulegen, als „Grundlage für wichtige Entscheidungen“, so der Gesundheitsminister. In dem Expertenrat sind neben offensichtlichen Mitgliedern wie Thomas Mertens (STIKO) und Lothar Wieler (RKI) viele in der Pandemie bereits beratende und bekannte Personen vertreten, darunter Christian Drosten und Melanie Brinkmann (Virologie), Viola Priesemann (Physik/ Modellierung), Christian Karagiannidis (DIVI), Alena Buyx (Ethikrat) aber auch u.a. ein Landrat, ein Leiter eines Gesundheitsamtes, ein Direktor einer Kinderklinik, eine Professorin für Gesundheitskommunikation und der Vorstandsvorsitzende der Berliner Charité. https://www.zdf.de/nachrichten/politik/corona-expertenrat-drosten-streeck-wieler-100.html 

Mit dabei und neu in der Rolle als Berater der Bundesregierung ist der Virologe Hendrick Streeck, der sich in der Vergangenheit häufig abweichend zu Christian Drosten, Meinungsführer unter der Regierung Merkel, positioniert hat. Nach Einschätzung von Alexander Kekulé https://www.mdr.de/nachrichten/podcast/kekule-corona/kekule-corona-kompass-zweihundertsechsundfuenfzig-100-downloadFile.pdf seien von ihm abgesehen die Virologen und Modellierer „im Wesentlichen die gleichen, die vorher schon die Bundeskanzlerin beraten haben und die auch einen engen Kontakt mit Herrn Lauterbach hatten“, also letztlich die Verfechter der gescheiterten No-Covid- Strategie. Inwieweit darüber hinaus vielfältige Ansichten und möglicherweise kritische Positionen in dem Expertenrat vertreten sind, muss sich zeigen.

Am Sonntag dem 19.12.2021 werden die einstimmig verabschiedeten Empfehlungen des Expertenrats vorgestellt. Laut der mathematischen Modelle unter Einbeziehung des aktuellen Kenntnisstands zu Omicron könne eine Überlastung des Gesundheitssystems und die Einschränkung der kritischen Infrastruktur nur zusammen mit starken Kontaktreduktionen eingedämmt werden. Alle Modelle zeigten, dass Boosterimpfungen alleine keine ausreichende Eindämmung der Omicron Welle bewirken könnten. https://www.bundesregierung.de/resource/blob/997532/1992410/7d068711b8c1cc02f4664eef56d974e0/2021-12-19-expertenrat-data.pdf?download=1

Am Dienstag dem 14.12.2021 tagen die Gesundheitsminister der Länder unter Leitung des bayerischen Gesundheitsministers Klaus Holetschek und beschließen, als Anreiz für die Boosterung die unlängst vereinbarten 2G+ Testpflichten für „Geimpfte und Genesene“ für „Geboosterte“ wegfallen zu lassen. Die Virologin Sandra Ciesek hatte diesen Vorschlag im Vorfeld per Twitter als „irrsinnige Idee“ charakterisiert, auch Ärztevertreter sehen eine Fehlentscheidung. Der Gesundheitsminister Karl Lauterbach hingegen betont den Wert des Anreizes zum Boostern und argumentiert, dass man im Falle einer rasch an Dynamik gewinnenden Omicron-Welle ja schnell wieder nachjustieren könne. https://www1.wdr.de/nachrichten/testpflicht-fuer-dreifach-geimpfte-soll-wegfallen-100.html

Am Donnerstag dem 16.12.2021 positioniert sich eine Gruppe von mehr als 20 FDP-Abgeordneten gegen die Impfpflicht und reicht einen ersten Gesetzesantrag ein, der diese nicht vorsieht. Prominentester Vertreter ist Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki. https://www.tagesschau.de/inland/impfpflicht-fdp-103.html

Am Dienstag dem 21.12.2021 tagt erneut die Spitzenrunde von Bund und Ländern („MPK“) und diskutiert die Notwendigkeit zusätzlicher Maßnahmen zur weiteren Eindämmung der abflachenden, aktuellen Delta- und der erwarteten Omicron-Welle. Offenbar wird lebhaft diskutiert. Zudem hatte im Vorfeld das RKI unter der Leitung von Lothar Wieler mit der offenbar unabgestimmten Forderung nach sofortigen, maximalen Kontaktbeschränkungen für zusätzlichen Aufruhr gesorgt. https://www.spiegel.de/politik/deutschland/corona-bundeslaender-irritiert-ueber-corona-kommunikation-von-bundesregierung-und-rki-a-f6b4ca77-4b24-456f-bb1c-4f2baa4feceb

Letztlich scheut die Regierung vor weiteren Verschärfungen über die Weihnachtstage zurück und verabredet neue Regeln, die abDienstag dem 28.12.2021 gelten sollen https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/coronavirus/corona-diese-regeln-und-einschraenkung-gelten-1734724 und jetzt auch Kontaktbeschränkungen für Geimpfte vorsehen. Private Treffen werden limitiert auf zehn Personen, außer bei Teilnahme einer ungeimpften Person, mit dieser darf sich unverändert immer nur ein weiterer Haushalt treffen. Für Ungeimpfte gibt es also keine Erleichterungen, weder über Weihnachten noch für Silvester. Weitere Entscheidungen will die Politik im Rahmen der MPK am 7.1.2022 treffen.

Bayern

Bändchen im Einzelhandel zur Umsetzung der 2G-Einlasskontrolle werden in Bayern nicht akzeptiert – u.a. aus Angst vor Fälschungen, wie dargestellt in der Augsburger Allgemeinen am Mittwoch dem 15.12.2021. Der Einzelhandel in Bayern sieht das kritisch, auch da die „Bändchenlösung“ im direkt angrenzenden Baden-Württemberg zum Einsatz kommt https://www.augsburger-allgemeine.de/wirtschaft/weihnachtsgeschaeft-warum-es-im-einzelhandel-in-bayern-keine-baendchen-loesung-gibt-id61276541.html .

Nach dem MPK-Treffen auf Bundesebene gibt es am Mittwoch dem 21.12.2021 harsche Kritik aus Bayern an der Regierung und an der Kommunikationspanne seitens des RKI.  Markus Söder verzichtet diesmal aber auf ein Vorpreschen von Bayern hinsichtlich einer Verschärfung der Maßnahmen über das dort Vereinbarte hinaus, anders als Sachsen und Baden-Württemberg https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/corona-gipfel-beschliesst-kontaktbeschraenkungen-fuer-alle,SsEgTvF.  Selten vergisst er zu betonen, dass viele der jetzt durch die MPK vereinbarten Maßnahmen in Bayern ja bereits vor längerer Zeit verfügt wurden (u.a. Schließung von Clubs und Diskotheken).

Bezüglich der Vorteilsgewährung für Geboosterte (= 2G+) war Bayern ebenfalls nicht schneller gewesen als der Bund und hatte diese am Mittwoch dem 15.12.2021 eingeführt https://www.zeit.de/news/2021-12/14/bayern-befreit-geimpfte-nach-booster-von-2g-plus-testpflicht. Am selben Tag wird in Bayern für ungeimpfte 12-17-jährige Schüler eine andere Frist bis zum Ferienende verlängert – die Befreiung von den 2G-Regeln, die ansonsten bereits am Jahresende ausgelaufen wäre. Nun sind also bis zum 12.1.22 für Familien mit geimpften Erwachsenen, aber ungeimpften Kindern, Restaurant- und Hotelbesuche noch gemeinsam möglich. Danach soll auch für die Schülergruppe die 2-G-Regel angewandt werden.

Dem versöhnlichen Ton des Weihnachtsfestes wenig gerecht werdend, erklärt der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek am Samstag dem 25.12.2021, dass aus seiner Sicht Bußgelder bei Missachtung einer zukünftigen Impfpflicht nicht genug sind. Er fordert vielmehr weitere Konsequenzen im Kontext der gesetzlichen Krankenversicherung – z.B. höhere Krankenkassenbeiträge für Ungeimpfte, eine Beteiligung an den Behandlungskosten oder die Streichung des Krankengeldes für Bürger, die sich einer Impfpflicht nicht beugen. https://www.tagesspiegel.de/politik/belastung-der-krankenversicherung-bayerns-gesundheitsminister-will-ungeimpfte-staerker-zur-kasse-bitten/27924532.html

  • Juristische Prozesse und Entscheidungen

Am Dienstag dem 14.12.2021 erfolgen erstmals Verhandlungen am Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe unter 2G bzw. sogar 2G-plus Bedingungen, d.h. alle Beteiligten – inkl. Richter und Anwälte – müssen diese Auflagen erfüllen, um Einlass zu finden. Inhaltlich geht es um die Überprüfung der Rechtmäßigkeit des bayerisches Verfassungsschutzgesetzes insbesondere in Hinblick auf Überwachungsreglungen https://www.br.de/nachrichten/bayern/karlsruhe-prueft-bayerisches-verfassungsschutzgesetz,SrUL9g9. Es drängt sich die Frage auf, wie eine 2G-plus konforme Judikative zum Streitfall Impfplicht zukünftig agieren können soll.

Am Donnerstag dem 16.12.2021 kippt der 13. Senat des niedersächsischen OLG die 2G-Regel im Einzelhandel nach einer Klage der Kaufhauskette Woolworth. Daraufhin verschärft sich der Streit um die Zugangsbeschränkungen in den deutschen Einkaufsstraßen und zwischen der Bundesregierung und der Judikative. Laut Medienberichten ist der Gesundheitsminister „fassungslos“. Der Handelsverband Deutschland HDE hingegen fordert die Politik am folgenden Tag sofort auf, nun „2G im Handel hinter sich zu lassen“, dies geschieht aber nicht https://www.focus.de/gesundheit/news/gerichtsurteil-zu-corona-regel-erstes-bundesland-kippt-2g-handel-will-noch-weiter-gehen-lauterbach-ist-fassungslos_id_26166469.html .

Dafür gibt es eine andere, überraschende Entwicklung, von der vermutet wird, dass sie mit der geschilderten Entscheidung im Zusammenhang steht. Am Dienstag dem 21.12.2021 kündigt das OLG die Einrichtung eines 14. Senats an, dem ab 2022 auch die Zuständigkeit für Gesundheitsfragen obliegt. Für diese Fragen war bislang der 13. Senat des OLG zuständig. Dazu auf reitschuster.de am Mittwoch dem 22.12.2021: „Fünf Tage nach der Entscheidung, die bundesweit für Schlagzeilen sorgte und eine Ohrfeige für die Regierungen war, wird bekannt, dass dem Senat die Zuständigkeit entzogen wird zugunsten eines neu gegründeten Senats.“ https://reitschuster.de/post/nach-2g-urteil-saeuberungen-jetzt-auch-in-der-justiz/

Doch auch in Baden-Württemberg hat „2G“ vor Gericht nicht Bestand: Am Freitag dem 17.12.2021 gibt der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim einem Pharmazie-Studenten Recht, der sich durch die Einschränkungen nicht mehr in der Lage gesehen hatte, sein Studium erfolgreich durchzuführen. Die 2G-Regel für Präsenzveranstaltungen an Hochschulen wird landesweit außer Kraft gesetzt, mit sofortiger Gültigkeit https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.coronavirus-in-baden-wuerttemberg-verwaltungsgerichtshof-kippt-2g-regelung-an-hochschulen.7fe35c20-3fea-4773-98d4-1c30fca45c68.html .

Weltärztepräsident Frank Ulrich Montgomery mokiert sich am Sonntag dem 26.12.2021 in einem Interview über die Entscheidung zu 2G im Einzelhandel mit den Worten: „Ich stoße mich daran, dass kleine Richterlein sich hinstellen und, wie gerade in Niedersachsen, 2G im Einzelhandel kippen, weil sie es nicht für verhältnismäßig halten.“ Er finde das anmaßend und sieht hier ein Primat von Politik und Wissenschaft, Freiheitsrechte müssten derzeit hinten anstehen https://www.welt.de/politik/deutschland/plus235826200/Montgomery-In-unserer-Lebenszeit-wird-das-Virus-nicht-mehr-verschwinden.html . Bundesjustizminister Marco Buschmann reagiert noch am selben Abend auf Twitter und weist Montgomerys Kritik zurück: Deutschland könne stolz sein auf seine unabhängige Richterschaft. Sie verdiene Respekt – „und zwar unabhängig davon, ob dem Betrachter jede Entscheidung gefällt“ so Buschmann.

  • Gesellschaftliche Reaktionen

Am Donnerstag dem 16.12.2021 meldet der Evangelische Pressedienst (epd) basierend auf einer Umfrage unter den zuständigen Behörden, dass seit Anfang Dezember nahezu alle Bundesländer einen Anstieg bis hin zu einer Verdreifachung an Demonstrationen und Teilnehmern erleben https://www.evangelisch.de/inhalte/194322/16-12-2021/corona-proteste-weiten-sich-flaechendeckend-aus-und-werden-radikaler

Je nach Position wird dieser Anstieg sehr unterschiedlich gewertet – als Beginn einer Bürgerbewegung oder als organisierte Radikalisierung durch Rechtsextreme. Aus Mecklenburg-Vorpommern kommentiert am Donnerstag dem 23.12.2021 CDU-Landesvize Ott: „Ich bin dankbar, dass sich die Mitte der Gesellschaft erhebt und auf die Straße geht“

https://www.spiegel.de/politik/deutschland/mecklenburg-vorpommern-cdu-landesvize-zeigt-sich-dankbar-fuer-proteste-gegen-corona-politik-a-f6363fbb-7d8f-462e-b1c6-3fdf4aec4e59.

Im Gegensatz dazu betont Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) am Sonntag dem 19.12.2021 https://www.br.de/nachrichten/bayern/herrmann-warnt-vor-rechtem-einfluss-auf-corona-demonstrationen,Ss4Dwro nach dem, gemäß Medienberichten, überwiegend friedlichen Protest von mehr als 10-12.000 Menschen in Nürnberg: „Es ist unübersehbar: Auch bei uns in Bayern versuchen Rechtsradikale – zum Teil Leute aus der NPD, vom Dritten Weg oder andere Neonazis – sich in diese Querdenker-Bewegung einzumischen.”  

Diese gegensätzlichen Äußerungen sind nur ein Beispiel für einen zugespitzten Kampf um die Deutungshoheit in der Corona-Debatte und den Umgang mit Kritikern der heiß diskutierten Impfpflicht.

Sprachlich gib es neue Phänomene – u.a. die Bedeutung des Wortes „Spaziergang“ in den Innenstädten, als Reaktion auf untersagte Protestmöglichkeiten oder als unangemeldete Alternative. Auch die Worte „Säuberungen“ und „Zensur“ werden gebräuchlicher, trotz der unpassenden Assoziationen mit der Stalin-Ära der Sowjetunion. Verschiedene Beispiele für solche Säuberungen werden genannt, u.a. der Ausschluss des Journalisten Boris Reitschuster aus der Bundespressekonferenz, bekanntgegeben von ihm am Dienstag dem 21.12.2020. Zu seiner Unterstützung wird auf change.org eine Petition initiiert https://www.change.org/p/vorstand-der-bundespressekonferenz-gegen-den-ausschluss-von-boris-reitschuster-aus-der-bundespressekonferenz.

Umstritten ist auch die Löschung des Kabarett-Auftritts von Lisa Fitz am Freitag dem 17.12.2021 in der SWR-Sendung „Spätschicht“ aus der Mediathek des SWR wegen des Vorwurfs der Verbreitung von „Fake news“ – der Sender hatte zunächst die Ausstrahlung mit dem Hinweis auf die Meinungsfreiheit im öffentlich-rechtlichen Rundfunk gerechtfertigt, man habe die Pluralität der vorkommenden Meinungen in der „Spätschicht“ beweisen wollen https://web.de/magazine/unterhaltung/tv-film/fake-news-impftoten-tv-auftritt-lisa-fitz-mediathek-entfernt-36447210. Fitz hatte sich kritisch zur Corona-Impfpolitik geäußert, Widersprüche aufgespießt und u.a. die Impfpflicht als „feuchten Traum der Pharmaindustrie“ bezeichnet. Die Kabarettistin hatte in dem Beitrag auch von 5000 Corona-Impftoten gesprochen, was ihr konkret als Falschmeldung angelastet wurde. Sie räumte auf Facebook später ein, es hätte Verdachtsfälle von Impftoten heißen müssen.

Genannt wird zudem die am Dienstag dem 21.12.2021 bekanntgewordene, „vorläufige Dienstenthebung“ des durch seinen die Pandemie begleitenden Podcast und diverse Auftritte in Radio und Fernsehen bekannten Virologen Alexander Kekulé seitens der Martin-Luther-Universität in Halle. Im Podcast hatte er nicht selten Kritik an Entscheidungen von Regierung und Behörden geäußert, u.a. zur Entscheidung der STIKO bzgl. der Empfehlung zur Impfung von Kindern von 12-17 Jahren, zur Wirksamkeit bzw. Gefährlichkeit von 2G und zur Sinnhaftigkeit einer allgemeinen Impfpflicht, die er wiederum für Pflegeeinrichtungen vehement befürwortete. https://www.bild.de/politik/inland/politik-inland/uni-halle-schmeisst-top-virologen-raus-kekul-das-ist-ein-politisches-verfahren-78614872.bild.html

In seiner Weihnachtsansprache am Samstag dem 25.12.2021 warnt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Bürger*innen davor, sich nicht durch Corona spalten zu lassen. „In der Demokratie müssen wir nicht alle einer Meinung sein. Aber bitte denken wir daran: Wir sind ein Land! Wir müssen uns auch nach der Pandemie noch in die Augen schauen können. Und wir wollen auch nach der Pandemie noch miteinander leben.“ Gleichzeitig fordert er in der Ansprache indirekt zur Impfung auf: Der Staat „kann sich nicht für uns impfen lassen; nein, es kommt auf uns an, auf jeden einzelnen.“ Diese Rede werden vermutlich nicht alle als versöhnlich empfinden. https://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Frank-Walter-Steinmeier/Reden/2021/12/211225-Weihnachtsansprache-2021.html;jsessionid=54A44D18FAB1ABC8583F06704A09BAB2.1_cid504

ENDE