Tür 19
Ich drücke die Tür zum Testzentrum auf, das eigentlich mal eine Kinder- und Jugendbücherei war. Das Impfzentrum ist nur 20 Meter davon entfernt, untergebracht in einem einst aktiven Kulturzentrum. Nun dienen diese großzügigen Räumlichkeiten nur noch der Abfertigung von Staatsbürgern.
Mit türkisem Anzug, Plastikhelm, Maske und Handschuhen und hinter Plexiglas kontrolliert der Mitarbeiter meinen QR-Code und Pass, die einzigen akzeptablen Beweise meiner Buchung und Existenz, und winkt mich dann durch. Der strenge Geruch von Desinfektionsmittel dominiert die Luft. Man könnte meinen, es handle sich um einen Science-Fiction-Film, in dem der Transhumanismus herrscht und die letzten menschlichen Charakteristiken eingetauscht werden gegen Gehorsam und Funktionalität. Oder Momo 2, in denen die grauen Männer es ein für alle Mal geschafft haben, nicht nur die menschliche Zeit zu stehlen, sondern auch jeglichen gesunden Menschenverstand. Man könnte meinen, es würde sich um einen für alle tödlichen Virus handeln. Wir folgen den Pfeilen und halten Abstand. Hinter den Masken schaut man sich misstrauisch an, der andere ein potentieller Krankheitsbringer, also potentieller Feind. Ob er wohl einer von meiner Sorte ist, oder von der anderen Sorte? Schlecht zu erkennen…lieber nicht ansprechen…
Ein Militär ist eigentlich gar nicht nötig, denn wie in der DDR sind wir Bürger selbst zum eigenen Militär des Staates geworden. Wir Deutsche können uns ganz gut selbst kontrollieren. Jetzt bin ich dran, der Tester winkt mich zu seiner Kabine. Ich kenne die Routine schon, Stäbchen ins Nasenloch, eine Minivergewaltigung, so fühlt es sich zumindest an. Am liebsten würde ich ihm noch mein Ohr hinhalten: “Wenn Sie schon dabei sind, können sie meine Ohren auch noch reinigen? Es hat sich einiges an Wachs angesammelt in den letzten Wochen…”
Anstattdessen mache ich dem Tester ein Kompliment: „Das war der angenehmste Test bisher, und ich habe schon unzählige hinter mir. Sie machen das so kompetent, schnell und angenehm…man muss nämlich gar nicht so hoch in die Nase, sondern nur mehrmals im vorderen Bereich zart kreisen und drehen lassen, das genügt völlig. Das habe ich selbst mit Selbsttests daheim perfektioniert.“ Aram freut sich. Ich werde mir seinen Namen merken. Wenn schon Nasensex, dann mit ihm.
Ich schreite aus dem Zentrum und der Tag gehört mir. Ich kann jetzt 24 Stunden lang die Öffis benutzen, und meinen Workshop geben, sogar Kleidergeschäfte besuchen. In Lebensmittelgeschäfte, Drogerien und Schuhgeschäfte darf ich ja, Maske tragend, immer.
(Der Virus, müsst ihr wissen, ist sehr intelligent und kann die Art von Geschäften unterscheiden. Er kann auch unterscheiden, ob jemand im Restaurant am Tisch als Kunde sitzt oder hinter der Theke arbeitet, und er kann unterscheiden, ob man in den Öffis sitzt oder eben in einem Spielzeuggeschäft einkauft. Cleveres Bürschchen! Er kann unterscheiden, ob man in einem Park ist oder im Außenbereich eines Cafes sitzt. Er kann, wie ein Baby einen runden von einem eckigen Klotz, 2G von 3G unterscheiden)
Naja, sagen wir mal in 15 Minuten gehört der Tag mir. Denn ich bin mir sicher, dass der Test negativ ist. Warum bin ich mir sicher? Weil ich meinen Körper sehr gut kenne. Um genau zu sein seit 49 Jahren. Das alte Haus! Ich weiß genau, wie es sich anfühlt wenn ich empfänglich bin, zu erkranken, wenn ich vorsichtig sein muss, und besser mal Ruhe gebe, und viel Tee trinke, und nochmal immunstärkende Mittel nehme, bis ich mich wieder stark fühle. Das Kratzen auf der Zunge, im Hals, der leichte Schwindel, wenn ich anfange, krank zu sein, und auch das schaffe ich oft aufzuhalten, wenn ich dann entschleunige, mich warm halte, viel schlafe und trinke und ein paar kräftige Ingwersmoothies trinke.
Ich vertraue meinem Körper, aber der Staat vertraut uns nicht. Und ich schon längst nicht mehr dem Staat. Wer hat jetzt eigentlich Verantwortung für unsere Gesundheit? Doch verdammt nochmal wir selbst! Viele sind schon so fremdbestimmt, geben gerne die Verantwortung für sich selber ab, um dafür eine vermeintliche Sicherheit zu bekommen. Eine gewollte Co-Abhängigkeit entsteht, in der eine willkommene Verwischung ich-bin-für-andere-und-andere-sind-für-mich-verantwortlich passiert, die nie funktionieren kann, weil niemand so gut für sich selbst verantwortlich sein kann, wie man selbst.
Aber wer wächst schon so auf, dass er ermutigt wird, in ständiger Wechselkommunikation zu sein mit seiner Gesundheit, Befindlichkeit und der Natur? Wann werden wir denn schon aufgeklärt darüber, dass wir eigentlich nur ganz wenige Dinge brauchen, um glücklich zu sein – im Einklang mit der Natur, sich selber und in Gemeinschaft mit Respekt und Wertschätzung zu leben.
Wenn das bekannt würde, würde die Wirtschaft und ökonomisches Wachstum komplett zusammenbrechen. Oder zumindest diese Art von Wirtschaft. Denn alle Werbung und Propaganda beruht auf der Suggestion, dass man nicht ganz oder gut ist, ohne dieses oder jenes zu besitzen oder zu nehmen. Kommt Euch das irgendwie bekannt vor? Ist die Spritze nun das neue Gucci-Emblem? Die Platinum-Club-Karte zum Einlass in den Club der Drogenabhängigen? Und das klappt, denn einmal der Samen gesäht, dass man nicht gut ist wie man ist, und es dieses oder jenes braucht, bis man dazugehört, erledigt die Gesellschaft den Rest. Denn die Sehnsucht, dazuzugehören, sitzt sehr sehr tief im Menschen. Vielleicht noch tiefer, als der Wunsch so genommen zu werden, wie man ist. Und genau an dieser Unsicherheit, auf Englisch ausgedrückt, „they grab you by the balls“.
So und so bricht die Wirtschaft ja schon zusammen, zumindest viele Teile davon. Es bricht soviel zusammen, gerade. Für mich war Corona immer ein Symptom, dass dazu einläd, genauer hinzuschauen auf die Dinge, die vorher schon nicht gestimmt haben. Jeder sehnt sich nach der vorherigen „Normalität“ zurück, tut alles dafür, um diesen Status Quo zu erhalten. Aber die Normalität war nie Normalität. Das ist nur eine Einstellungsoption auf der Waschmaschine.
Oder wie normal ist es denn, dass man auf der Börse um so ziemlich alles wetten darf, wie in einem Casino und dies das gesamte Finanzgeschehen beeinflusst. Dass man fast keine Zinsen für das Geld bekommt, das man der Bank leiht und sehr viel Zinsen zahlen muss, wenn die Bank einem Geld leiht? Dass ein Pharmakonzern die klinischen Studienergebnisse für ein Produkt, das schon auf dem Markt ist, geheimhalten darf, dass für die Modelabels, für die wir hier teuer Geld ausgeben, die eigentlichen Produzenten Sklavenbezahlung bekommen, und völlig anonym im permanenten Zeitrekord arbeiten, während die Designer als Stars gefeiert werden und sich damit bereichern? Das ist alles ein sehr krankes System und Corona ist nun auch ein Teil davon.
Ich schaue in meine inbox – Tatsächlich, wie ich dachte: ein email vom Testzentrum bestätigt, was ich schon wusste. Und wieder trage ich nicht zu den Indizienzahlen und dem Krankengeschehen bei, und mache somit dem Staat wieder einen Strich durch die Rechnung. Als Gesunder ist man einfach nicht sehr nützlich. Warum muss ich auch immer so negativ sein?
Mein Händi klingelt. Es sind Veve und Sirta, zwei meiner engsten Freundinnen aus New York. Es ist das 2. mal dass ich Ihren Anruf nicht beantworte. Sie wollen mir von Ihrem neuen Haus erzählen und von Ihrem schon geboosterten Sohn, den ich nur noch ganz genderkorrekt im Plural ansprechen darf, weil er/sie alles andere als Diskriminierung empfindet/empfinden. Seine biologische Mutter hat sich, nach dem Motto „my body my choice“ einer Transformation unterzogen, Hormone genommen, und ist nun ein „er“. Lange Jahre schon hat sich die ganze Patchworkfamilie leidenschaftlich für die Gleichberechtigung von LGTB eingesetzt und ist regenbogenfarben auf unzählige Proteste gegangen. Sirta praktiziert Buddhismus und hat den Mut gehabt, sich von ihrer orthodoxen Familie zu distanzieren, rauszukommen, ihre Heimat zu verlassen und ihrer Ambition, Therapeutin zu werden, zu folgen.
Sie wollen mir vom großen Weihnachtsessen erzählen, dessen Zutaten sie im Food coop gekauft haben, bio, teuer und gentechnikfrei. Und wenn ich dann verstört erzähle, dass ich gehört habe, dass in New York tausende von Krankenschwestern wegen ihres Ungeimpftseins gekündigt worden sind, und sie dann nur verärgert dazu sagen, dass wir dieses Thema am besten nicht ansprechen, da sie überzeugt von der Impfung sind und ich eben nicht, bleibt wenig übrig, über was man dann noch reden kann. Denn gegen und für die Impfung zu sein, ist nun mal nicht das Gleiche, wie Erdbeereis zu mögen oder nicht.
Ihnen zuzuhören wie sie von ihrem normalen, politisch so korrekten Leben erzählen, während ich mit täglicher Diskriminierung zu kämpfen habe, die ihrer Meinung nach auch teilweise gerechtfertigt ist, kann ich im Moment nicht. Vielleicht werde ich es nie mehr können. Ich bin so enttäuscht von ihnen. Und so überrascht. Ich verstehe nicht, warum sie, die sich ihr ganzes Leben für genderequality, Menschenrechte, Körperselbstbestimmung eingesetzt haben, und selbst gekämpft und gelitten haben unter Diskriminierung, und gefeiert hatten, als es endlich möglich war, als Lesbenpaar zu heiraten, so wenig Verständnis dafür haben, dass ich ein bedingt zugelassenes Genpräparat, dessen Inhaltsstoffe teilweise nicht für den menschlichen Gebrauch hergestellt worden sind, für dessen Folgen und Schäden weder die Produzenten noch die Politik jegliche Haftung übernehmen, dessen Verträge und Resultate der klinischen Studien geheim gehalten werden, eben nicht mal soeben injiziert haben möchte. Für mich ergibt das eine das andere. Für sie nicht.
Eine neue Bekannte aus einem Ungeimpftenvernetzungsportal hat mich auf eine interessante Tatsache aufmerksam gemacht: Flugbegleiter sind dafür trainiert, in einem Notfall ruhig zu bleiben und auch dafür zu sorgen, dass keine Panik unter den Passagieren aufkommt. Denn jeder weiß, dass das die Lage verschlimmert und zum Desaster führen würde. In einem wirklichen Notfall versucht man alles, um das Volk ruhig zu halten.
Daran alleine sieht man schon, wie künstlich diese Krise wirklich ist, denn kein wirklicher Notfall muss durch Werbung und Propaganda jeden Tag aggressiv angeworben werden, und würde es auch nicht.
Wahrscheinlich sind die meisten Krisen menschlicher Quelle und keine echten Krisen, sondern nur falsches Management und Verteilung der Ressourcen. Vielleicht ist es das, was mir von allem am meisten das Herz bricht: Dass wir hier alle im Paradies leben könnten und stattdessen nur ein paar, während der Rest unnötig leiden muss.
Es wird einem ja so leicht gemacht, sich zur anderen Seite des Paralleluniversums zu begeben, ja sogar belohnt. Vielerorts hier bekommst Du eine Bratwurst und in einem Wiener Bordell bekommst Du für die Spritze sogar einen Gutschein und Discount mit einer ebenso geimpften Prostituierten intime Zeit zu verbringen.
„Warum machst Du Dir Dein Leben so schwer“ fragen mich Freunde verständnislos.
Ich verbeiße mir meine Antwort, die ich am liebsten in alle Himmelsrichtungen schreien würde: „Ich mache es mir nicht schwer. Die unlogischen Regeln des Staates machen es mir schwer“. „Warum lässt Du Dich eigentlich nicht einfach impfen?” – Aus dem gleichen Grund warum Du dich impfen lässt – mir ist meine Gesundheit und die der Welt sehr wichtig.
Doris ruft an. Ich erkundige mich nach Ihrem 16-jährigen Sohn, der vor vier Wochen nach einem Selbstmordversuch in eine psychotherapeutische geschlossene Anstalt eingewiesen wurde, die eigentlich schon übervoll war, wie alle anderen, bei denen sie anfragte, auch. Ihm geht es ein bisschen besser. Er hat heute schon etwas essen können.
Ich melde mich auf eine Anzeige auf einem Impffrei-Portal als potentielle Entrümpelungshilfe. Wir machen einen Termin aus und Vorkehrungen zum Zusammensein werden verhandelt, als ginge es um Verhütung für geplanten sex. Wir einigen uns respektvoll auf Test, gelüftete Räume und Maske.
Kurz einen Blick in die „Ungeimpft und gesund“ Facebookgruppe. Schon 43 likes zu meinem Post, mit dem ich den Lesern ein kleines Lächeln der Hoffnung, Mut, Würde und sogar Stolz zukommen lassen wollte.
„…Ihr werdet sehen…bald wird der Impffrei-Status so exklusiv und gesund-privilegiert sein wie Bio-Gemüse, Privatschulen, Royal Gelee, Birkenstock-Schuhe und alte Vintage-Autos. Bald werden unsere Eier und Spermien begehrt sein wie russischer Kaviar und zusammen mit allen Samen der Welt eingefroren für weitere Zivilisationen…Haltet durch! – Wir, die Unangetasteten, werden bald das letzte Lachen haben <3“
Dann noch kurz den Rechtanwalt anrufen, um sicher zu gehen, dass für mich als Workshopleiter die „3G“ Regel gilt, weil es ja mein Arbeitsplatz ist, aber für alle Teilnehmer 2G. Er bestätigt dies. Dann hole ich meine Ukulele, Notenständer, geladenes Handy mit QR Code und verlasse die Wohnung.
Ich schließe die Tür zum dunklen Seminarzentrum auf und renne aufs Klo, um mich zu übergeben, denn gleich muss ich den Impfstatus von jedem Teilnehmer kontrollieren und mein Testzertifikat zeigen. (Getestete Gesunde dürfen ja nicht mitmachen, sonst droht mir als Veranstalter eine Strafe bis zu €2000,-) Gegen meine Prinzipien zu handeln, um zu überleben, macht mich krank. Ich sehe mein Gesicht im Spiegel und widere mich selbst an. Es bedarf nun dieser Kontrolle, um ein gewissenhafter Kursleiter zu sein, obwohl ich keinerlei Ausbildung in Zertifikationserkennung gemacht habe. Ich habe Musik studiert. Ich ahne, dass wir es alle müde sind, uns so zu definieren, und uns damit herumzuschlagen. Vor allem weil es vor zwei Wochen noch völlig ok war, ohne diesen Status, „nur“ mit Maske und Abstand gemeinsam zu musizieren. Ich spüre die Sehnsucht im Raum, dass wir alle wieder das Wesentliche, was das Leben lebenswert macht, erleben wollen: Teilen ohne Zerteilung, zu singen und richtig Mensch zu sein. Wir packen unsere Ukulelen aus, und spielen „Don’t worry, be happy“.
Katharina Heinrich