Tür 24

As Adventsgeschichte: Unser Weihnachtsfest 2021

„Mama, hast Du eine Idee, was ich der Oma zu Weihnachten mitbringen könnte?“

„Hmm, mal überlegen, ich habe mit Oma noch gar nicht gesprochen wegen Weihnachten dieses Jahr…“

Weihnachten läuft bei uns seit Jahren gleichartig ab. Am Heilig Abend sind die Kinder bei mir, am ersten Weihnachtsfeiertag fahren sie mit mir zur Oma, und am zweiten Feiertag, und auch die Folgetage sind die Kinder dann beim Vater.

Der Große, Patrick, wohnt seit eineinhalb Jahren beim Vater – ausgelöst durch unterschiedliche Ansichten zu Beginn der Pandemie. Weil pandemiebedingt Dienstreisen gestrichen und Home Office angeordnet wurde, war es auch erstmals seitens des Vaters möglich, dass sich ein Kind für längere Zeit bei ihm aufhalten kann. Und so kam es damals leider zu dieser Änderung.

Natürlich war Weihnachten 2020 kein normales Feiern möglich. Der Besuch bei der Oma fiel Weihnachten 2020 aus. Aber 2021 würde bestimmt alles besser werden! Die Kinder freuten sich, Großeltern, Tanten und Onkels, sowie Nichten und Neffen endlich mal wieder zu sehen!

Alle waren geimpft, und teilweise sogar geboostert. Lediglich die Kinder und ich waren ungeimpft geblieben. Die 33jährige Sekretärin eines sehr guten Freundes, Britta, hatte sich im Frühjahr 2021 zeitig impfen lassen, denn sie hatte einen Urlaub gebucht, und das Reisen mit PCR-Test erschien ihr stressig und teuer. Nicht lange nach der zweiten BioNTech-Spritze bekam sie über Nacht eine Hirnblutung und fiel zunächst ins Koma. Nach Krankenhaus und Reha blieb sie halbseitig gelähmt, und geht nun am Rollator. Anfangs hoffte Britta noch sehr, dass sich ihre gelähmte Körperhälfte wieder erholen würde, doch mit der Zeit schwanden diese Hoffnungen, und sie weinte bittere Tränen. Nach einiger Zeit wurde Britta dann auch von ihrem Freund verlassen – wahrscheinlich hatte er andere Familienpläne. Auch ihrem Job konnte sie nicht mehr nachgehen. Inzwischen ist Brittas Frührenten-Antrag genehmigt – mit 33 Jahren!

Diese wahre Begebenheit aus dem engeren Umfeld war für mich eine gute Möglichkeit, anderen zu erklären, warum ich der Spritze nicht vertraue. Alle anderen Gründe, der Spritze zu misstrauen, galten damals als Verschwörungstheorie, und man wurde scharf zurechtgewiesen, wenn man Zweifel an der Spritze äußerte.

Dass ich selbst ungeimpft bleibe, stand schon lange fest, aber natürlich habe ich alles in meiner Macht stehende unternommen, um auch meine Kinder vor dieser Spritze zu schützen, und Brittas Schicksal eignete sich gut, um meine Kinder zur Zurückhaltung aufzurufen. Selbstverständlich habe ich auch meine nähere Verwandtschaft informiert, doch die waren sich sicher: Brittas Hirnblutung konnte nicht von der Impfung stammen, denn die Impfung sei sicher, es seien schon so viele Menschen geimpft worden, und schwere Nebenwirkungen seien so selten wie ein Sechser im Lotto. Nebenwirkungen treten vor allem bei AstraZeneca auf, aber nicht bei BioNTech. Also hätte Britta sicherlich auch ohne diese Impfung eine Hirnblutung erlitten!

Ich kann für mich kämpfen, und ich kann für meine Kinder kämpfen, aber die restliche Verwandtschaft konnte ich lediglich wiederholt informieren und warnen. Man hat die Augen gerollt, und hinter vorgehaltener Hand war ich die Verschwörungstheoretikerin…

Bei Patrick, der beim Vater lebt, hat es mich viel Kraft gekostet, ihn von der Spritze abzuhalten, denn der Vater litt unter den Einschränkungen des 2G-freien Sohnes, und hätte ihn am liebsten spritzen lassen. Doch ich kämpfte mit allen mir zur Verfügung stehenden Mitteln, damit meine Söhne keine Corona-Spritze bekommen.

Nun nahte das Weihnachtsfest. Die Geimpften hatten keine Angst mehr vor Ansteckung, und die Ungeimpften hatten weiterhin keine Angst vor der Krankheit, und so müsste Weihnachten 2021 ja eigentlich endlich mal wieder ein schönes Familienfest werden! Innen durfte man sich in Gruppen mit bis zu 50 Menschen treffen, und draußen in Gruppen mit bis zu 200 Menschen. Zumindest war das bei uns in Bayern so. Endlich wieder mehr Freiheiten!

Doch dann gab der bayrische Ministerpräsident Söder neue Einschränkungen bekannt, und meine Mutter – die Oma – erfuhr davon: sobald ein Ungeimpfter in der Gruppe war, der älter ist als 12 Jahre und 3 Monate galt für die gesamte Gruppe, dass sich maximal ein Haushalt, plus zwei Personen treffen durften. Oma wusste, dass wir ungeimpft waren, und sie rief mich an.

„Du, ich habe gerade gelesen, es gibt ja da die Einschränkungen für Weihnachten. Ihr seid ja alle ungeimpft, gell?“.

„Ja, ich bin ungeimpft, aber ich habe per Bluttest nachgewiesen, dass ich Delta hatte. Ich bin also immun.“

„Ja, aber Bluttest zählt ja nicht, nur PCR-Test zählt, also seid ihr weder geimpft noch genesen! Und der Söder hat jetzt beschlossen, dass man sich nicht mit mehreren Familien treffen darf, sobald jemand dabei ist, der kein 2G hat.“

„Ja, das habe ich gehört. Aber aus meiner Sicht ist das kein Problem.“

Meine Mutter entgegnete: „Nein, also, das sehe ich anders. Ihr könnt uns leider an Weihnachten nicht besuchen kommen, weil ihr kein 2G habt!“

Ich erwiderte: „Keiner kann überall kontrollieren, wer geimpft und wer ungeimpft ist! Es gibt auch keine Verpflichtung, den Impfnachweis bei sich zu führen, und für euch besteht auch keinerlei Verpflichtung, meinen Impfausweis zu kontrollieren! Diese Regelung kann man gar nicht kontrollieren. Wenn wir uns geschickt verhalten, können wir problemlos miteinander feiern. Für euch besteht keinerlei Bußgeld-Risiko, und das Bußgeld-Risiko für die Kinder und mich ist sehr gering, und ich bin gerne bereit, dieses Risiko zu tragen, damit wir Weihnachten gemeinsam feiern können.“

Meine Mutter war damit nicht einverstanden. „Nein, also das ist bei uns ja eine gesetzliche Regelung, und da muss man sich schon dran halten. Da kann man nicht einfach was anderes machen. Wer nicht 2G hat, der kann halt nicht feiern. Komm, lasst euch halt endlich impfen!“

Es war zwecklos. Meine Mutter glaubte immer noch an die nebenwirkungsfreie Impfung, und alle anderen Behauptungen sind aus ihrer Sicht Verschwörungserzählungen. Das war’s dann wohl mit dem Weihnachtsfest in der Großfamilie.

Nun musste ich das aber noch meinen Söhnen erklären. Eigentlich hätte ich gerne einen tollen Alternativ-Vorschlag gemacht, vielleicht einen tollen Ausflug. Aber das war schwierig, denn Vergnügungs-Aktionen fielen ja ebenfalls alle unter 2G… Was konnte man da einem Teenager noch schönes anbieten…?

Ich sprach zuerst mit Oliver, dem Kleinen. Er schaute mich finster an. Er fand es nicht gut, dass er wegen mir (so seine Sichtweise) Weihnachten nicht mit Oma feiern konnte. Er hasst zwar Piekser, aber fast alle in seiner Klasse hatten inzwischen die Spritze, und die durften immer alles. Nur er, er hatte immer wieder Probleme, wegen 2G. Und jetzt sollte das ersehnte Weihnachtsfest bei Oma ausfallen – erneut wegen 2G!

Nun musste ich auch noch mit Patrick reden. Ich telefonierte mit ihm, und schilderte, warum wir Oma nicht besuchen können. Natürlich war auch Patrick nicht begeistert, dass dieses Weihnachten erneut halb ins Wasser fällt, und das nur, weil er ungeimpft ist. Aber da der Vater über Weihnachten umfangreichen Besuch erwartete, änderte Patrick flugs seine Pläne: er geht dann eben am 25.12.2021 nicht zur Oma, sondern verbringt einen zusätzlichen schönen Tag mit der Verwandtschaft des Vaters, bei dem er ja lebt. Er hat die schlechte Nachricht deutlich besser aufgenommen als Oliver.

20 Minuten später klingelte mein Telefon erneut. Patrick war erneut dran. Er war sichtlich erregt, auch leicht verschnupft, und teilte mir mit, dass er bereits am 23.12.2021 zu mir kommen werde, und dass er über die Weihnachtsfeiertage bleiben würde, da der Vater ihn während dieser Zeit vor die Tür setzen würde!

Ich war baff. Patrick erklärte mir, er habe soeben dem Vater erzählt, warum er nicht zur Oma kann, und da stellte der Vater fest, dass bei ihm ja dieselben Beschränkungen zutreffen. Der Vater recherchierte kurz im Internet, fand dort die erwähnten Regelungen bestätigt, und erklärte Patrick im Anschluss, dass er dann eben über Weihnachten zu verschwinden habe. Patrick sei wegen mir, der Mutter, ungeimpft, also soll er einfach über Weihnachten zu mir gehen! Er erwarte Besuch aus mehreren Haushalten seiner Familie, und er lasse sich das Weihnachtsfest nicht von seinem ungeimpften Sohn verderben!

Mir tat Patrick sehr leid, und ich hatte das Gefühl, dass er nicht so recht wusste, auf wen er jetzt sauer sein sollte: auf mich, weil er wegen mir ungeimpft ist, oder auf seinen Vater, der ihn einfach so vor die Tür setzen will! Auf die Idee, auf unsere Politiker sauer zu sein, kam er offenbar nicht…

Natürlich habe ich Patrick sehr gerne über Weihnachten aufgenommen! Er blieb, bis der Besuch des Vaters wieder abgereist war, und auch Oliver durfte dieses Jahr nicht zum Vater.

Sehr gerne würde ich jetzt von einem zauberhaften Weihnachten im engsten Familienkreis erzählen. Mit vielen innigen Gesprächen, gemeinsamen Spielen und tollen Spaziergängen. Doch das wäre eine Lüge. Die Wahrheit sah anders aus. Heilig Abend verbrachten wir wie gewohnt, und an den anderen Tagen verschwanden die Söhne in ihren Zimmern und nutzten die Zeit für ihre Computerspiele. An Weihnachten erinnerten lediglich die Kerzen und der Weihnachtsbaum – und leckeres Essen mit Plätzchen.

Weihnachten 2021 unterschied sich für mich daher kaum von Weihnachten 2020. Nur für die Kinder war es ein wenig anders: an Weihnachten 2020 durften sie wenigstens den Vater noch sehen. Das war Weihnachten 2021 leider nicht möglich.

Sehr gerne hätte ich einen unvergesslichen Ausflug mit den beiden gemacht, jedoch war uns der Zutritt zu entsprechenden Einrichtungen, die Teenagern mit ihren Familien gefallen könnten, wegen 2G untersagt. Auch an einen gemeinsamen Skitag war leider nicht zu denken.

Wie wohl Weihnachten 2022 werden wird? Werden sich Oma und Vater besinnen, und über Weihnachten 2021 nachdenken…?