Tür 16

Konstantins Adventsgeschichte

Wie viele andere auch, so habe ich in den letzten Jahren viele Opfer bringen müssen. Meinen Fokus möchte ich in diesem Artikel darauf legen, was ich bekommen habe.

Es fühlt sich für mich nicht so an, als hätte ich mich dafür entschieden, mich für Themen wie Frieden, Freiheit oder Gerechtigkeit einzusetzen. Es fühlt sich viel eher so an, als hätte eine unsichtbare Kraft mich dazu auserkoren, als ich sah, wie wichtig es ist, jetzt aufzustehen. Ich habe in mir gespürt, dass es meine Zeit ist, diesen Platz einzunehmen. Ich habe einen vollständigen Paradigmenwechsel durchgemacht, meine Prioritäten haben sich verlagert und ich habe viele meiner Hobbies, Gewohnheiten und Ziele, zumindest zeitweilig, aufgegeben.

In „Trotzdem ja zum Leben sagen“ schreibt Viktor Frankl, dass der Mensch nicht fragen sollte, was der Sinn des Lebens ist, sondern er muss erkennen, dass er es ist, der [vom Leben] gefragt wird. Einen Sinn im Leben verspüre ich, doch ist der Weg nicht wie erhofft dadurch leichter. Der Weg ist mühsam und schwer und verlangt von mir in Höchstform zu sein, um gemeistert zu werden – aber er ist es wert. Denn dieser Weg formt mich zu dem Menschen, der ich sein möchte. Er formt mich unnachgiebig und treibt die Schwäche aus mir aus. Dieser Weg ermöglicht es mir, meine Werte zu überprüfen und zu verfestigen, meine Talente zu erkennen und auszubauen, meinen Mitmenschen zu helfen und damit mir zu helfen.

Mir wurde bewusst, dass man uns belogen hat, als ich davon erfuhr, dass Boris Reitschuster wegen seiner Berichterstattung von einer maßnahmenkritischen Demonstration auf YouTube gesperrt wurde. Ich fand mich in einem Sog aus Ohnmacht und Angst wieder, weshalb ich den Halt in meinem Leben verlor. Das Licht in mir drohte zu erlöschen und Bitterkeit, Hass und Angst nahmen immer mehr Platz in meinem Geiste ein. Ich verlor den Antrieb und die Motivation, und sah einen Kampf für die Wahrheit im Angesicht der scheinbaren Überlegenheit der Lüge als sinnlos und verloren an, weshalb ich tatsächlich in Betracht zog, meine Stimme zurück zu halten, um den Prozess des Leidens zu beschleunigen und so das Leiden zu schmälern. Einige Tage habe ich darüber nachdenken müssen, bis ich erkannt habe, dass es nicht darum geht, gegen das Böse zu gewinnen, sondern dass es darum geht, das Gute in uns zu fördern und für unsere Überzeugungen einzutreten, weil wir sonst unsere Integrität und damit uns selbst verlieren.

Wenn wir uns zurückhalten und nicht gegen Unrecht aufbegehren, dann enttäuschen wir vor allem uns selbst und wir entwickeln eine Verachtung in uns, die uns das Schöne im Leben verdirbt, weil wir es sind, die das Verderben des Schönem im Leben zugelassen haben.

Ich stieß auf die Protestgruppe „München steht auf“ und fand Halt unter Menschen, die auch gekränkt, verängstigt oder besorgt waren, die aber aufstanden, um diesen Zustand zu ändern. Ich gewann wie viele andere Zuversicht und Mut. Stück für Stück holten wir uns unser Leben zurück. Man hat uns beleidigt, diffamiert, angegriffen, angeschrien, bestraft, geschlagen und vieles mehr, weil wir unsere Wahrheit ausgesprochen haben, weil wir uns getraut haben, wir selbst zu sein und für unsere Überzeugungen einzustehen. Aber wir wurden nicht leiser, sondern lauter. Wir ließen uns nicht einschüchtern, sondern wir wurden selbstbewusster. Wir wurden nicht müder, sondern mutiger.

In dieser Zeit habe ich viele Menschen kennen lernen dürfen, die auch so sind wie ich. Die auch unbequem, ungehorsam und rebellisch sind, aber auch ehrlich, authentisch, empathisch und vieles mehr. Dafür bin ich zutiefst dankbar und das werde ich nie vergessen.

In den vergangenen Jahren habe ich meinen Glauben vertieft und neue Kraft daraus geschöpft, aber auch vieles gelernt. Über meine Mitmenschen, über Massenpsychologie, über Geld, Politik und Korruption, über Macht und Missbrauch, über Hoffnung und Liebe. Ich habe gelernt Reden zu halten, zu skandieren und meine Gefühle besser zu kontrollieren. Ich habe gelernt, mein Vertrauen nicht zu verschenken, aber den Menschen, die es verdienen, mehr Vertrauen zukommen zu lassen. Aber vor allem habe ich über mich selbst gelernt. Ich habe bewiesen, dass ich kein Mitläufer bin, dass ich nicht bereit wäre, mir selbst oder jemand anderem Leid zuzufügen, nur weil eine Autoritätsperson es von mir verlangt, mich dazu nötigt, oder mich erpresst. Mein Charakter hat sich verfestigt, meine Ideale und Werte haben stand gehalten und so bin ich, trotz all der Schwierigkeiten, die noch vor uns liegen, mit Blick auf den Horizont zuversichtlich, dass wir alle Herausforderungen meistern werden. Denn wir besitzen eine enorme Kraft in uns, die es uns ermöglicht hat, diesen Wahnsinn auszuhalten und das ist eine Errungenschaft, die uns niemand nehmen kann und die für immer ein Teil von uns bleiben wird.

Konstantin