FriedenNewsZeitzeugen

Zeitzeugen – Anni Held, geb. 1930

Anni war neun Jahre, als der Krieg begann. Sie erinnert sich – ihr Vater bekam umgehend einen Stellungsbefehl und war fort bis 1943, als er zum Heimaturlaub nach Hause kam. Ein Ungeschick der Tochter rettete ihm da wohl das Leben. Denn mit zu heißem Wasser verbrühte sie ihm die Füße, beim Waschen, drei Wochen im Krankenhaus waren die Folge. Als er entlassen wurde war das Regiment bereits abkommandiert nach Russland, ohne ihn. „Der war schon 44, der war nimmer heimkimma“, meint sie.

Hatte die Mutter Angst, als der Krieg losging? Dafür war keine Zeit. Sieben Kinder waren zu versorgen, und die Landwirtschaft, ohne den Vater. Den kleinen Bruder habe sie aufgezogen, sagt Anni.

Bombenangriffe hat sie miterlebt, die Tiefflieger auf dem Land, im Anflug auf die Munitionslager in Straubing und Umgebung, und dann auch in München. An die kaputten Fensterscheiben erinnert sie sich, und die Angst der Erwachsenen, wenn man im Keller saß, dass das Haus oben weg sein könne.

Nach dem Krieg gab es nichts zum Anziehen, Tag und Nacht habe die Mutter gestrickt, für die Kinder, zum Kaufen gab es nichts, auch kein Putzmittel zum Abspülen, eine harte Zeit war es. Als sie 1950 ganz nach München kam war die Innenstadt kaputt, die Neuhauser Straße noch ein Schutthaufen. Über den Hitler habe man nicht mehr geredet, das war vorbei. Man schaute, dass man Arbeit bekam, und ein Heim, ein Zimmer, ein Dach über dem Kopf, dazu musste man selber Hand anlegen, es war ja alles kaputt. Eine schwere Zeit. Ihren Enkelkindern kann sie das nicht vermitteln, die alten Stories der Oma, das wollen die nicht hören.

Dass jetzt wieder sehr viel über Krieg gesprochen wird, ist ihr bewusst. Dass der Pistorius wieder deutsche Soldaten nach da unten verlegt, da ist sie schwer dagegen. Nicht schon wieder, so viele seien doch eh schon gefallen.

40, 50 Jahre kein Krieg war eine gute Zeit. Aber jetzt ist die vorbei, meint sie. Für ihre Generation ging es aufwärts. Jetzt in umgekehrter Richtung – das tut noch weh. Wer den Krieg kennt hat jetzt Angst. Wer ihn nicht mitgemacht hat, der könne sich nicht vorstellen, was das heißt.

Sie selbst möchte in jedem Fall sterben, bevor der Krieg jetzt wieder kommt. Sie will ihn nicht mehr mitmachen. Ein schwerer Krieg wird das, meint sie. Schlimmer als das, was sie erlebt hat, jetzt mit Atomwaffen und Drohnen, ganz ein schwerer Krieg.