Chronik 12

Impfpflicht? Zwischen zwei Abstimmungen – # 12 – Eine Corona-Chronik zu Wissenschaft, Kommunikation und Politik in einer zerrissenen Gesellschaft

Am Dienstag, 30. November 2021, spricht sich der da noch „zukünftige“ Bundeskanzler Olaf Scholz auf dem letzten von Angela Merkel geführten Bund-Länder Treffen für eine allgemeine Impfpflicht aus und kündigt zugleich an, dass bei der zukünftigen Abstimmung (hier: „Zweite Abstimmung“) im Bundestag dafür der Fraktionszwang entfallen solle. 

Am Freitag, 10. Dezember 2021, beschließt der Bundestag (hier: „Erste Abstimmung“) den Gesetzentwurf von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP, der eine Impfpflicht für Gesundheits- und Pflegepersonal („einrichtungsbezogene Impfpflicht“) ab 15. März 2022 beinhaltet.

#Wir dokumentieren hier die Zeit „zwischen den Abstimmungen“, mit dem 30. November 2021 als Startpunkt. Das Ergebnis ist ungewiss, da die zweite Abstimmung noch nicht stattgefunden hat. Sicher ist, dass diese Zeit von der Nachwelt aufgearbeitet werden wird. Insofern möge die Chronik dazu beitragen, den Überblick in der Gegenwart zu behalten und eine Rückschau zu unterstützen. Zu welchem Urteil die Historiker wohl kommen werden?

#Wir beleuchten die Ereignisse systematisch anhand folgender Dimensionen

  1. Wissenschaftliche Erkenntnisse und Thesen
  2. News von Pharma/Biotech und Fachbehörden
  3. Kommunikative und mediale Höhepunkte
  4. Politische Entscheidungen und Maßnahmen
  5. Juristische Prozesse und Entscheidungen
  6. Gesellschaftlicher Diskurs und Reaktionen

#Wir sind zu zweit, weiblich, akademisch und beruflich qualifiziert in biomedizinischer Forschung und Industrie, in Politikwissenschaft, Ökonomie und Journalismus. Wir streben nach einer ausgewogenen Darstellung derjenigen Ereignisse, die wir entscheiden aufzugreifen. Wie in einer Chronik üblich, obliegt die Auswahl dem Chronisten.

Die Chronik findet sich on-line bei dem wir-gemeinsam Bündnis https://wir-gemeinsam-buendnis.de/chroniken/ sowie bei Eltern für Kinder e.V. http://elternfuerkinder.de/Corona-Chronik/, es können jeweils auch die vorherigen Einträge heruntergeladen werden. Zudem auf Medium https://medium.com/@sabine.kaiser – dort kann man auch „subscriben“. 

Es folgt der Chronikeintrag #12, für die Zeitspanne vom 09.03.2022 bis zum 14.03.2022. Die richtungsweisenden Entscheidungen in Berlin, zur Verlängerung der Maßnahmen im Rahmen eines geänderten Infektionsschutzgesetzes und zur ersten Lesung des Gesetzes zur Einführung einer allgemeinen Impfpflicht, stehen unmittelbar bevor. Dabei müsste in Berlin zur Kenntnis genommen werden, dass in Österreich die Impfpflicht wegen Unverhältnismäßigkeit aufs Eis gelegt wird und hierzulande überzeugende Argumente gegen die allgemeine Impfpflicht von verschiedensten Seiten geradezu auf die Regierung und die Abgeordneten einprasseln. Bezüglich der Impfpflicht ist der Ausgang weiterhin offen, die Zeichen stehen aber schon nicht mehr auf einen „Freedom Day“ am 20.03.2022.

Chronikeintrag # 12 am 14.03.2022

  1. Wissenschaftliche Erkenntnisse und Thesen

Aktuell steigen in Deutschland wieder die beobachteten Inzidenzzahlen. Wie stark dies durch die „ansteckendere Untervariante BA.2“ verursacht wird, ist wissenschaftlich nicht feststellbar. Andere mögliche Gründe sind: verstärktes Testen durch 3G, der zurückliegende Karneval, kaltes Wetter und Skiurlaube, die Ukraineflüchtlinge oder auch ein zunehmend normaleres Verhalten der Menschen, u.a. beeinflusst durch das weitgehende Verschwinden des Themas Corona aus den Medien, durch die Überlagerung mit dem Ukraine-Konflikt.

Grippeweb, ein schon vor Corona etabliertes Monitoring Tool, das vom Robert-Koch-Institut (RKI) gemanaged wird, zeigt im Vergleich mit den Vor-Corona Wintern 2017/2018 und 2018/2019 in der Kalenderwoche 9/2022 (28.02.-06.03.2022) kein Alarmsignal bezüglich akuter Atemwegserkrankungen (ARE) oder grippeähnlicher Erkrankungen (ILI) https://grippeweb.rki.de/Default.aspx : „Sowohl die ARE- als auch die ILI-Raten sind deutlich niedriger als vor der COVID-19-Pandemie, wenn üblicherweise in diesen Wochen Grippewellen zu einem hohen Aufkommen an Atemwegserkrankungen führen.“ Die gemessenen Inzidenzzahlen an sich, die ohnehin um ein Vielfaches höher liegen als im Vorjahr, scheinen also kein Problem darzustellen.

Die möglichen Auswirkungen einer Infektion mit SARS CoV-2 auf das Gehirn wurden im Laufe der Pandemie schon des öfteren untersucht und auch die These einer dadurch verursachten, vorübergehenden Gehirnschrumpfung ist nicht neu. Zu diesem Thema ist in dem renommierten Fachjournal Nature am 07.03.2022 eine neue Publikation um eine Forschergruppe der Universität Oxford erschienen https://www.nature.com/articles/s41586-022-04569-5, die auf Basis von Kernspinaufnahmen diese These bestätigen. Auch Auswirkungen auf die kognitiven Fähigkeiten seien festgestellt worden. In deutschen Zeitungen wird ab Mittwoch, den 09.03.2022 darüber berichtet, u.a. vom Redaktionsnetzwerk Deutschland: https://www.rnd.de/wissen/corona-studie-gibt-hinweise-auf-hirnschaeden-und-geringeres-gehirnvolumen-nach-erkrankung-NTOCUCQJ4ZEIXBZ6ZKAIFCFVHQ.html . Im Kontext des aktuellen Weltgeschehens ist dies eher eine Randnotiz, vieles ist auch weiterhin unklar. So sind die beobachteten Veränderungen relativ klein, es sei unklar, ob sie dauerhaft bestehen bleiben, ob auch eine andere Krankheit, die wiederum das Risiko für COVID-19 erhöht hatte, eine Rolle spielte, und wie die einzelnen Virusvarianten (Alpha, Beta, Gamma) ins Spiel kommen, letzteres wurde nicht unterschieden. Etwaige Auswirkungen von Infektionen mit Omicron, also der aktuellen Variante, sind in dieser Studie aufgrund der Zeitschiene noch gar nicht untersucht bzw. abgebildet.

Ebenfalls am 07.03.2022 erscheint eine weitere Publikation in Nature, von einer Forschergruppe u.a. von der Universität Edinburgh, Schottland, die GenOMICC Studie („Genetics of Mortality in Critical Care“). https://www.nature.com/articles/s41586-022-04576-6#author-information Die Forscher gehen der Frage nach, wie Unterschiede in der genetischen Ausstattung Einfluss auf die individuelle Wahrscheinlichkeit des Eintretens schwerer klinischer Verläufe haben können. Dabei kommen sie zu dem Schluss, dass die Pathophysiologie von Covid-19 durch ein „multi-Komponenten“ Modell beschrieben werden kann.

Dabei gibt es mindestens zwei unterschiedliche Mechanismen, die Covid-19 zu einer lebensbedrohlichen Erkrankung machen können: eine generelle Schwäche des Immunsystems hinsichtlich der Kontrolle von viraler Replikation (Virenvermehrung) sowie eine besondere Neigung zu Lungenentzündung und intravaskulärer Koagulation (Thromboseneigung). Ein besseres Verständnis der genetisch bedingten Prädisposition könnte einen gezielteren Einsatz von Medikamenten bei Risikopersonen ermöglichen und zudem neue therapeutische Optionen erschließen.

  • Pharma/Biotech und Fachbehörden

Der Impfstoff von Novavax erweist sich als Ladenhüter. Bis Mittwoch, den 10.03.2022 hatten sich z.B. in München laut SZ exakt 107 Menschen damit impfen lassen, ab diesem Tag ist er dann auch in Bayern für alle Erwachsenen freigegeben. In der Wochenendausgabe vom 12./13.03.2022 schildert die Zeitung auf Basis eines Besuchs im Impfzentrum am Klinikum Stuttgart die Aussagen derjenigen, die sich jetzt mit Novavax impfen lassen, da sie sich aufgrund der Impfpflicht in der Pflege dazu „genötigt“ sehen. Manche würden es als „Vergewaltigung“ bezeichnen, die Menschen weinten, weil sie sich impfen lassen müssen, so der Leiter des Impfzentrums. Aber es gibt auch andere Gründe, warum sich zumindest einige bisher zögerliche Menschen jetzt für eine Impfung mit Nuvaxovid entscheiden. https://www.sueddeutsche.de/panorama/corona-impfung-novavax-nachfrage-1.5545834

Am Sonntag, den 13.03.2022 wird den BioNTech Gründern, dem Ehepaar Özlem Türeci und Ugur Sahin, in der Frankfurter Paulskirche der Paul Ehrlich-und-Ludwig DarmstaedterPreis verliehen – einer der renommiertesten Medizinpreise Deutschlands, mit 120 TEUR dotiert. Traditionell wird er am Geburtstag des Namensgebers, dem 14. März, überreicht. Im letzten Jahr war die Preisverleihung wegen Corona ausgefallen, deswegen wird in diesem Jahr auch der 2021er Preis verliehen.https://www.stern.de/gesellschaft/regional/forschungspreis-paul-ehrlich-preis-unter-anderem-fuer-das-biontech-team–31698162.html

  • Kommunikative und mediale Höhepunkte

Das Hauptstadtbriefing von The Pioneer berichtet am Donnerstag, den 10.03.2022, dass es dem Corona-Expertenrat der Bundesregierung bei seinem Treffen am vorausgegangenen Montag erstmals nicht gelungen ist, zu einer „vollständig geeinten Empfehlung“ zu kommen.

Der Bonner Virologe Hendrik Streeck stimmte als einziger gegen das Votum des Rates, das die Regierung drängt über den 19.03.2022 hinaus das Infektionsschutzgesetz fortzuschreiben und damit die Basis für jederzeit wieder implementierbare Kontrollmaßnahmen zu schaffen. Ein Wechsel auf eine „Living with Covid“ Strategie wie in anderen Ländern scheint also für 18 von 19 Regierungsexperten keine Option zu sein. https://www.thepioneer.de/originals/hauptstadt-das-briefing/briefings/kommt-ein-konjunkturpaket

Veröffentlicht wurde der knappe textliche Ein-Seiter dieser „8. Stellungnahme des ExpertInnenrats der Bundesregierung zu COVID-19“ mit dem Untertitel „Die Notwendigkeit kurzer Reaktionszeiten zur Bekämpfung infektiöser Gefahren“ am Abend des 08.03.2022, hier im Ganzen: https://www.aerzteblatt.de/down.asp?id=29592 Der Text bleibt inhaltlich komplett vage, hält fest, dass aktuell „weder Krankheitslast noch Krankheitsschwere vorhersagbar seien“, dass aber der Impfschutz der Bevölkerung, der „bereits gegenüber der Omicron-Variante reduziert war“, „mit hoher Wahrscheinlichkeit bis zum Winter abnehmen würde“. „Es werde absehbar ohne weitere Kontrollmaßnahmen zu einer erheblichen Zahl von Infektionen kommen“, und: „Eine erneute Systembelastung ist daher nicht auszuschließen.“

Es wird also ein diffuses Bedrohungsszenario skizziert, aus dem sich folgendes Fazit ergeben soll: „Vor diesem Hintergrund sollten für eine erfolgreiche Pandemiekontrolle Notfallstrategien ausgearbeitet und jederzeit implementierbar sein. Diese Überlegungen haben zudem für zukünftige Pandemien, Epidemien und infektionsbedingte Gefahrenlagen Gültigkeit. Der ExpertInnenrat plädiert daher mit Nachdruck für gesetzliche Rahmenbedingungen, die ad hoc verfügbare Instrumente des Infektions- und Bevölkerungsschutzes bereitstellen und somit eine unverzügliche Anpassung von Infektionsschutzmaßnahmen ermöglichen.“ Die Maßnahmenbefürworter in der Regierung durften sich von ihrem selbsternannten Expertengremium ermutigt fühlen.

Allerdings gibt es auch in einem anderem und in diesem Fall langjährig „etablierten“ Expertengremium, der STIKO, einen Experten, der ausschert und seine Stimme erhebt. Die Welt berichtet am Donnerstag, den 10.03.2022: „Ein Ende der Corona-Maßnahmen? Nicht für Kinder und Jugendliche in Deutschland, kritisiert eine Gruppe von Experten, darunter der Epidemiologe und Mitglied der Ständigen Impfkommission (STIKO) Rüdiger von Kries. Sie fordern ein sofortiges Ende von Tests und die Abkehr von der überholten Schulleitlinie zur Pandemiebekämpfung.“ In einem offenen Brief an die Bundesregierung fordern laut der Zeitung Rüdiger von Kries und Peter Walger, Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH), ein Ende der „sinnfreien Maßnahmen“ an Schulen und Kitas: „Während Schweden, Dänemark, die Schweiz, die Niederlande und sogar Österreich einen längst überfälligen Strategiewechsel in Kitas und Schulen vollziehen, wird bei uns an einer S3-Leitlinie festgehalten, die vom aktuellen Pandemiegeschehen längst ad absurdum geführt wurde“. https://www.welt.de/politik/deutschland/article237436237/Expertengruppe-fordert-Ende-der-Corona-Massnahmen-in-Schulen-und-Kitas.html

Im NDR schildert der Lungenfacharzt Tobias Welte in einem kurzen Video-Beitrag in der Sendung „Hallo Niedersachsen“ am Samstag, den 12.03.2022 seine Sicht auf den Stand der Pandemie. Er nennt Gründe für die aktuell wieder steigenden Inzidenzen und schildert den auch in Deutschland unausweichlichen Prozess der Durchseuchung, der sich aufgrund der relativen Harmlosigkeit von Omicron nicht in der Belegung der Krankenhäuser niederschlägt. Aus seiner Perspektive sind 90% der sogenannten „Covid-Patienten“ aktuell aufgrund anderer Problematiken in den Krankenhäusern, haben aber eben ein positives Testergebnis. Unabhängig vom etwaigen Impfstatus sei COVID-19 meist nur für Immungeschwächte ein Problem, insbesondere Transplantationspatienten. Omicron sei mit einer Grippe vergleichbar. https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/hallo_niedersachsen/Sind-die-Lockerungen-der-Corona-Massnahmen-vertretbar,hallonds71914.html

In einem 70seitigen Brief von 81 Wissenschaftlern an den Bundestag, den die Berliner Zeitung am Mittwoch, den 09.03.2022 vorstellt, argumentieren u.a. Juristen, Mediziner, Psychologen, Literaturwissenschaftler, Physiker und Chemiker, warum die Impfpflicht verfassungswidrig ist. Sie kommen zu dem Schluss: „Die Impfpflicht ist weder geeignet noch erforderlich noch angemessen, um die Zahl der schweren Erkrankungen effektiv zu senken und eine signifikante Überlastung des Gesundheitswesens zu verhindern.“ Weiterhin sei die Impfpflicht „nicht angemessen aufgrund eines hohen Risikopotentials“. Die „gegenüber anderen Impfungen gemeldeten Nebenwirkungen sind enorm“. Die Wissenschaftler rechnen zudem „mit einer Quote von mindestens 80 Prozent nicht gemeldeter Verdachtsfälle auf Impfnebenwirkungen“. Die Nebenwirkungen sind den Forschern zufolge „bislang nur unzureichend erforscht“, zudem „werden zuvor unerwartete Symptomatiken beobachtet“. Gleichzeitig gibt es laut den Wissenschaftlern „alarmierende Sicherheitssignale: Parallel zu den Wellen der Impfkampagnen ist ein Anstieg von Todesfällen sowie bestimmter Krankheitsmuster wie etwa Myo- und Perikarditis nachzuweisen“. https://www.berliner-zeitung.de/news/wissenschaftler-darum-ist-die-impfpflicht-verfassungswidrig-li.216116  Die Wissenschaftler hatten bereits am 06.01.2022 die „Sieben wissenschaftliche Argumente gegen eine gesetzliche Impfpflicht und für einen offenen Diskurs“ vorgestellt“ (siehe Chronik #04, Seite 8). Das aktuelle Papier vertieft die sieben Argumente durch Metastudien zum aktuellen Forschungsstand sowie durch eigene Forschungsarbeiten. Hier die Verlinkung zum Schreiben an die Bundestagsabgeordneten, in voller Länge: https://berliner-zeitung.de/blz-public/files/2022/03/09/c1666faa-7f33-41fa-8fd8-486bb8471795.pdf

Kurz und prägnant der am Donnerstag, den 10.03.2022 veröffentlichte und an die Bundestagsabgeordneten gerichtete Appell der Mediziner und Wissenschaftler für Gesundheit, Freiheit und Demokratie, (MWGFD) e.V.: „Alle sachlichen Gründe für eine Impfpflicht sind inzwischen entfallen https://mailchi.mp/4700e6680dc4/nein-zur-impfpflicht?e=e4bc7d315a :

  • Die bisherige Impf-und Boosterkampagne war nahezu wirkungslos.
  • Die drastisch gestiegene Infektionshäufigkeit von Geimpften und Geboosterten ist nicht länger zu verschweigen.
  • Geimpfte verbreiten den Krankheitserreger genauso wie Ungeimpfte.
  • Es hat nie eine Überlastung der Krankenhäuser gegeben.
  • Dagegen haben die bisherigen Impfkampagnen zu schweren und schwersten gesundheitlichen Schäden bei vielen Geimpften geführt“

Und weiter: „Sie, sehr geehrte Volksvertreter, mögen sich vordergründig der selbstgewährten Amnestie erfreuen. Sie werden aber im Falle des Weiterbetreibens der durch nichts mehr zu rechtfertigenden Impfpflicht von den Betroffenen zur Rechenschaft gezogen werden und die persönlichen politischen Folgen zu tragen haben.“

Sarah Wagenknecht, MdB, appelliert in ihrem Newsletter vom Donnerstag, den 10.03.2022 an die Ampel, von der Impfpflicht Abstand zu nehmen, u.a. durch Bezugnahme auf unser Nachbarland: „Österreich setzt die allgemeine Impfpflicht aus – noch bevor es zu Kontrollen der bereits seit Februar geltenden Pflicht kommen sollte. Die Verfassungsministerin des Landes erklärt sie vor dem Hintergrund der vorherrschenden Omikron-Variante für „nicht verhältnismäßig”. Auch Lauterbach und Co. sollten das endlich begreifen! Zumal die Ankündigung einer Impfpflicht in Österreich nur wenig gebracht hat: Trotz angedrohter hoher Geldstrafen bis zu 3.600 Euro ließen sich gerade einmal 26.000 Österreicher seit Anfang Februar zu einer Erstimpfung bewegen – das entspricht 0,3 Prozent der Bevölkerung. In ganz Europa gibt es kein Land mit einer allgemeinen Impfpflicht. Aus gutem Grund, denn Geimpfte können sich ebenso infizieren und das Virus ebenso übertragen wie Ungeimpfte. Aber hierzulande soll nächste Woche darüber im Bundestag debattiert und später auch abgestimmt werden? Ich finde: Die Ampel sollte von dem Vorhaben, das die Gesellschaft über Monate stark gespalten hat, auch in Deutschland endlich Abstand nehmen!“

Tatsächlich hatte die österreichische Regierung am Mittwoch, den 09.03.2022 verkündet, die Impfpflicht „bis auf weiteres“ auszusetzen. https://www.zdf.de/nachrichten/politik/corona-oesterreich-impfpflicht-ausgesetzt-102.html Die derzeit grassierende Omicron Variante sei zwar hochansteckend, verursache aber selten schwere Verläufe, die Krankenhäuser seien in der Lage, die Welle zu bewältigen.  Gegen die Impfpflicht hatten in den vergangenen Monaten an den Wochenenden regelmäßig zehntausende Menschen demonstriert. Der Chef der FPÖ, Herbert Kickl, erklärte laut ZDF, dass das Aussetzen der Impfpflicht ein Ergebnis des Drucks auf der Straße gegen diesen Impfzwang gewesen sei. Nötig sei aber eine vollständige Aufhebung des Gesetzes, da die Impfpflicht auch in ein paar Wochen oder Monaten weiter eine „grundrechtswidrige” Maßnahme sei.

  • Politische Entscheidungen und Maßnahmen

Bund

In der Kabinettssitzung am Mittwoch, den 09.03.2022, werden die geplanten Eckpunkte für die gesetzlichen Regelungen der möglichen Infektionsschutzmaßnahmen nach Auslaufen der aktuellen Regelungen am 19.03.2022 festgezurrt. Im Vorfeld hatte sich Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach dafür bei seinem Expertenrat Unterstützung geholt und diese in Form der einseitigen „8. Stellungnahme“ erhalten (s.o.). The Pioneer gräbt dazu etwas tiefer und beschreibt den Vorgang am Freitag, den 11.03.2022 im Hauptstadt Briefing folgendermaßen: „Der Bonner Virologe Hendrik Streeck hat sich im Expertenbeirat der Bundesregierung gegen das Mehrheitsvotum gestellt, weil er sich eine weitere Diskussion über die Reform des Infektionsschutzgesetzes gewünscht hätte. Er habe „noch erheblichen Diskussionsbedarf” gesehen, betonte Streeck im Gespräch mit uns. Der zeitliche Druck sei nicht nachvollziehbar gewesen. Nach unseren Informationen hatte SPD-Gesundheitsminister Karl Lauterbach das Gremium informell gebeten, zur Kabinettssitzung am Mittwoch ihre Stellungnahme abzugeben. Streeck, der auch Mitglied in der Sachverständigengruppe zur Evaluation des Infektionsschutzgesetzes ist, hätte sich eine Flankierung der Evaluation durch den Expertenbeirat zu einem späteren Zeitpunkt gewünscht.“

Tagesschau.de fasst den am Mittwoch, den 09.03.2022 verabschiedeten Kabinettsentwurf der Regierung unmittelbar zusammen mit: „Vor allem die Länder sollen das Sagen haben

https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/infektionsschutzgesetz-131.html . Am 19.03.2022 sollen alle „tiefgreifenden“ Beschränkungen entfallen, „allgemeine Schutzmaßnahmen wie Maskenpflichten in Pflegeeinrichtungen, Krankenhäusern und im öffentlichen Nahverkehr oder auch Testpflichten in Pflegeheimen und Schulen sollen aber möglich bleiben.“ Landesparlamente sollen, wenn sie „konkrete Gefahr“ sehen, weitere Auflagen beschließen dürfen, müssen jedoch den „Corona-Hotspot“ definieren, in dem diese gelten sollen. Dazu können dann wieder Maskenpflichten, Hygienekonzepte und 3G- und 2G- Regeln gelten. Dabei sind bisher weder die Kriterien genau definiert noch die räumliche Dimension für den Hotspot – es könnte eine Stadt sein oder auch ein Bundesland. Gelten sollen die neuen Regelungen bis zum 23.09.2022, dann könne man, so Karl Lauterbach und laut der SZ jeweils am Donnerstag bzw. Freitag, den 10./11.03.2022vor Beginn der zu erwartenden Herbstwelle“ neu entscheiden. Der Gesundheitsminister wünscht zudem eine „Übergangszeit“ – also die Fortschreibung der Maßnahmen des Status quo über den 19.03.2022 hinaus – bis zum 02.04.2022, damit die Länder genug Zeit hätten, die „Hotspot-Regelungen“ zu schaffen.

Man darf gespannt sein, wie es weitergeht. Die BILD vermeldet am Montag, den 14.03.2022 bereits das Ausscheren Brandenburgs, dort istder Freedom Day abgesagt. https://www.bild.de/regional/berlin/berlin-aktuell/corona-hammer-in-brandenburg-bleiben-alle-einschraenkungen-79446158.bild.html Dort solle ab Freitag, den 18.03.2022 auf Landesebene eine neue Infektionsschutzverordnung gelten, die manche Regelungen gegenüber dem jetzigen Status sogar noch verschärfe.

Die Kultusministerkonferenz (KMK) einigt sich am Freitag, den 11.03.2022 auf ein einheitliches Verfahren zur Deckung des Lehrerbedarfs und auch auf den Wegfall der Maskenpflicht ab Anfang April sowie der anlasslosen Coronatests an Schulen ab Mai. Man könne aber nicht sagen, wie es im Herbst dann wieder aussehen werde.  https://www.welt.de/politik/deutschland/article237475761/Kultusministerkonferenz-Corona-Masken-an-Schulen-sollen-im-April-fallen.html

Seit Montag, den 14.03.2022 ist die Tagesordnung im Deutschen Bundestag für Donnerstag, den 17.03.2022 geändert https://www.bundestag.de/tagesordnung?week=11&year=2022 : Vor die 80 Minuten, die jetzt ab 9:20 für die Diskussion zur „Impfplicht gegen SARS-CoV-2“ vorgesehen werden, ist nunmehr eine Sonderveranstaltung geschoben: Videoansprache des Präsidenten der Ukraine, Wolodymyr Selenskyi. Für die maximale Ablenkung von Medien, Öffentlichkeit und Parlamentariern von dem kritischen Thema „Impfpflicht“ ist also damit gesorgt.

Die einzelnen Gesetzesentwürfe bzw. Anträge sind seit Montag, den 14.03.2022 auf dieser Website nun ebenfalls per „Drucksache“ verlinkt und damit öffentlich zugänglich, bis auf den Antrag der CDU/CSU Fraktion („Impfvorsorgegesetz“, also: Impfpflicht auf Vorrat):

a) Erste Beratung des von den Abgeordneten …eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufklärung, Beratung und Impfung aller Volljährigen gegen SARS-CoV-2 (SARSCovImpfG) Drucksache 20/899

b) Erste Beratung des von den Abgeordneten …eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung einer verpflichtenden Impfberatung für Erwachsene und einer altersbezogenen Impfpflicht ab 50 Jahren unter Vorbehalt gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 Drucksache 20/954

c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Wolfgang Kubicki, Christine Aschenberg-Dugnus, Tabea Rößner, Jana Schimke, Jens Koeppen, Dr. Gregor Gysi, Niklas Wagener und weiteren Abgeordneten Impfbereitschaft ohne allgemeine Impfpflicht gegen SARS-CoV-2 erhöhen
Drucksache 20/680

d) Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU Impfvorsorgegesetz – Ein guter Schutz für unser Land Drucksache 20/…

e) Beratung des Antrags der Fraktion der AfD Keine gesetzliche Impfpflicht gegen das COVID-19-Virus Drucksache 20/516

Bayern

Nachdem sich Ministerpräsident Markus Söder zwischenzeitlich als „Lockerer“ positioniert hatte, gehört Bayern zusammen mit Baden-Württemberg jetzt doch wieder zu den Ländern, die die avisierten Neuregelungen auf Bundesebene als unzureichend kritisieren – der „Werkzeugkasten“ der einschränkenden Maßnahmen sei nicht ausreichend. Laut Tagesschau.de vom Sonntag, den 13.03.2022 findet er, dass Deutschland neuen Virusvarianten nun schutzlos ausgesetzt sei. Insbesondere scheint er sich am Wegfall der Maskenpflicht für die Schüler zu stören, die in Bayern offenbar anders als im Rest der Welt besonders gefährdet oder gefährdend sind. https://www.tagesschau.de/inland/rki-infektionszahlen-129.html

Derweil hat München nach der bereits am 14.02.2022 gestarteten Impftram  https://www.sueddeutsche.de/panorama/corona-impfung-novavax-nachfrage-1.5545834 jetzt seit Montag, den 09.03.2022 auch das neue Konzept der „Impf-Guides“ zum Einsatz gebracht, mit Start im Stadtviertel Berg am Laim https://www.abendzeitung-muenchen.de/muenchen/impf-guides-in-muenchen-als-aufklaerer-gegen-corona-art-799016 Speziell dazu ausgebildete Medizinstudenten (aktuell 14 an der Zahl, 20 sollen es werden, die Fachschaft der LMU ruft dazu auf: https://mecumplus.de/projekte/impfguides-f%C3%BCr-m%C3%BCnchen ) sollen die Menschen aktiv ansprechen, sie über „falsche Wahrheiten aufklären“ und zum Impfen motivieren. Dabei kommen auch verschenkte Gummibärchen zum Einsatz.

  • Juristische Prozesse und Entscheidungen

Am Mittwoch, den 09.03.2022 wird bekanntgegeben, dass das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) den Eilantrag der AfD gegen die 2G+ Regel im Bundestag abgewiesen hat. Die Richter konnten die Argumentation der AfD, dass ein „Zweiklassensystem institutionalisiert worden sei“, und dass von den zugewiesenen Plätzen auf der Tribüne heraus eine „effektive Oppositionsarbeit“ nicht möglich sei, nicht nachvollziehen. Da die Regelung seitens des Bundestags bis zum Sonntag, den 13.03.2022 befristet war, bleibt die praktische Relevanz der Eilentscheidung zunächst gering, der Aussagekraft tut dies jedoch keinen Abbruch. Die Regelung war im Bundestag im Januar eingeführt worden, die Bearbeitung des Eilantrags durch das Gericht scheint von daher einige Zeit in Anspruch genommen zu haben. https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/afd-klage-bundestag-101.html

Nachdem Clubs und Diskotheken seit Beginn der „zweiten Lockerungsstufe, also dem 04.03.2002, wieder geöffnet haben, greift nun in Niedersachsen ein Gericht aufgrund der Klage einer Betreiberin in das Geschehen auf der Tanzfläche ein. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Lüneburg urteilt am Freitag, den 11.03.2022, dass auf das Tragen einer Maske auf der Tanzfläche verzichtet werden kann. Begründet habe das Gericht nicht medizinisch, sondern mit einer fehlenden Regelung des Landes, wie trotz Maske ein Getränk getrunken werden könne. Aktuell galt dort seit Wiedereröffnung 2G+, die Maske durfte nur am Platz abgenommen werden. https://www.rnd.de/politik/corona-in-niedersachsen-gericht-kippt-maskenpflicht-in-clubs-und-bars-DBLVDY2RXZHWJFUREBPSNVHE3E.html 

  • Gesellschaftliche Reaktionen

In München, einer der deutschen Städte, die seit Dezember am konsequentesten versucht hatte, den lokal-regionalen Protest gegen die Unverhältnismäßigkeit der Corona-Maßnahmen, die drohende allgemeine Impfpflicht / bereits verhängte Pflegeimpfpflicht, die Einschränkungen der Demonstrationsfreiheit sowie eine einseitige mediale Berichterstattung per Allgemeinverfügungen und massiven Polizeieinsatz zu unterbinden, findet am Mittwoch, den 09.03.2022 um 18:00 wieder der traditionelle, bewegte Demonstrationszug von München-steht-auf statt – erstmals seit dem 08.12.2021. Hier dazu ein Kurzvideo: https://player.odycdn.com/api/v4/streams/free/220309-DemoMuenchenStehtAufOdy/706137e17724eef9ffe026b97eb3541cb647bab9/48526a

Über die anhaltenden Bürgerproteste für „Frieden – Freiheit – Selbstbestimmung!“ wird medial kaum berichtet, hohe Teilnehmerzahlen bleiben unerwähnt. Laut Polizeiangaben sollen alleine am vorausgegangenen Montag ca. 190.000 Menschen bundesweit gegen die Impfpflicht und die damit verknüpften Themen protestiert haben. Auf diesem Beitrag vom Corona Blog am Donnerstag, den 10.03.2022 https://corona-blog.net/2022/03/10/laut-polizeiangaben-haben-alleine-letzten-montag-190-000-menschen-gegen-die-impfpflicht-demonstriert/ sind beeindruckende, aktuelle Bilder von Streetview Photography aus München und vielen weiteren bayerischen Städten zu sehen.

Lisa Fitz ist jetzt regelmäßig auf den NachDenkSeiten (NDS) zu sehen – hier ihr vom SWR „deduplizierter“ (nachträglich gelöscht, vom Öffentlich-rechtlichen Sender, siehe Chronik #02, Seite 11) Beitrag aus dem Dezember 2021 in einer Neubearbeitung „Die heiße Nadel“, veröffentlicht am Montag, den 14.03.2022: https://www.youtube.com/watch?v=ucrAV0SeLu0  

Dazu passt dann noch der „Treppenwitz der Weltgeschichte“ von Wolfgang Kubicki als Video-Schnipsel auf der Politikstube vom Sonntag, den 13.03.2022: „Am besten geschützt sind jetzt die Impfgegner …“ https://politikstube.com/treppenwitz-der-geschichte-wolfgang-kubicki-am-besten-geschuetzt-sind-jetzt-die-impfgegner/

Ohne jeglichen Humor greift die chinesische Regierung nach dem Ende auch der Paralympics am Sonntag, den 13.03.2022 auf dem Festland durch – zahlreiche Millionenstädte sind per Montag, den 14.03.2022 bereits im Lock-down (u.a. Shenzhen, dort hat auch der Apple Partner Foxconn jetzt seine Produktion gestoppt) oder bereiten sich darauf vor (u.a. Shanghai, Qingdao). Wie zu erwarten gewesen war, erweist sich die Omicron Variante als ein mächtiger Herausforderer der chinesischen Zero-Covid Strategie, die in Hong Kong bereits gescheitert ist, Die Weltgeschichte wird auch hier den weiteren Verlauf zeigen. https://www.dw.com/de/corona-welle-zwingt-viele-millionen-chinesen-in-den-lockdown/a-61111209

ENDE