Chronik 13

Impfpflicht? Zwischen zwei Abstimmungen – # 13 – Eine Corona-Chronik zu Wissenschaft, Kommunikation und Politik in einer zerrissenen Gesellschaft

Am Dienstag, 30. November 2021, spricht sich der da noch „zukünftige“ Bundeskanzler Olaf Scholz auf dem letzten von Angela Merkel geführten Bund-Länder Treffen für eine allgemeine Impfpflicht aus und kündigt zugleich an, dass bei der zukünftigen Abstimmung (hier: „Zweite Abstimmung“) im Bundestag dafür der Fraktionszwang entfallen solle. 

Am Freitag, 10. Dezember 2021, beschließt der Bundestag (hier: „Erste Abstimmung“) den Gesetzentwurf von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP, der eine Impfpflicht für Gesundheits- und Pflegepersonal („einrichtungsbezogene Impfpflicht“) ab 15. März 2022 beinhaltet.

#Wir dokumentieren hier die Zeit „zwischen den Abstimmungen“, mit dem 30. November 2021 als Startpunkt. Das Ergebnis ist ungewiss, da die zweite Abstimmung noch nicht stattgefunden hat. Sicher ist, dass diese Zeit von der Nachwelt aufgearbeitet werden wird. Insofern möge die Chronik dazu beitragen, den Überblick in der Gegenwart zu behalten und eine Rückschau zu unterstützen. Zu welchem Urteil die Historiker wohl kommen werden?

#Wir beleuchten die Ereignisse systematisch anhand folgender Dimensionen

  1. Wissenschaftliche Erkenntnisse und Thesen
  2. News von Pharma/Biotech und Fachbehörden
  3. Kommunikative und mediale Höhepunkte
  4. Politische Entscheidungen und Maßnahmen
  5. Juristische Prozesse und Entscheidungen
  6. Gesellschaftlicher Diskurs und Reaktionen

#Wir sind zu zweit, weiblich, akademisch und beruflich qualifiziert in biomedizinischer Forschung und Industrie, in Politikwissenschaft, Ökonomie und Journalismus. Wir streben nach einer ausgewogenen Darstellung derjenigen Ereignisse, die wir entscheiden aufzugreifen. Wie in einer Chronik üblich, obliegt die Auswahl dem Chronisten.

Die Chronik findet sich on-line bei dem wir-gemeinsam Bündnis https://wir-gemeinsam-buendnis.de/chroniken/ sowie bei Eltern für Kinder e.V. http://elternfuerkinder.de/Corona-Chronik/, es können jeweils auch die vorherigen Einträge heruntergeladen werden. Zudem auf Medium https://medium.com/@sabine.kaiser – dort kann man auch „subscriben“. 

Es folgt der Chronikeintrag #13, für die Zeitspanne vom 15.03.2022 bis zum 24.03.2022. Der 15.03. ist der Tag, an dem die Impfpflicht im Gesundheitswesen offiziell in Kraft tritt. Es folgt die erste Lesung zum Impfpflichtgesetz im Bundestag und die Verabschiedung des geänderten Infektionsschutzgesetzes, das die sofortige Absage des für den 20.03. avisierten Freedom Day per Übergangsverlängerung ermöglicht, „Basisschutzmaßnahmen“ zementiert und die dreimalige Injektion eines COVID-19-Impfstoffes als das Konzept der „vollständigen Immunisierung“ beginnend ab Oktober 2022 bereits vorschreibt. Über all dem liegt ein Mantel des medialen Schweigens – über die Geschehnisse in Ausschüssen und Parlamenten wird wenig und nur selektiv berichtet, über die Proteste fast gar nicht mehr.

Chronikeintrag #13 am 24.03.2022

1. Wissenschaftliche Erkenntnisse und Thesen

Im Januar 2022 war die beunruhigende Nachricht einer Kreuzung zwischen der Delta- und der Omicron- Variante des Coronavirus noch als Falschnachricht „entlarvt“ worden https://www.spektrum.de/news/covid-19-variante-deltacron-die-variante-die-es-nie-gab/1974886 . Jetzt ist „Deltacron“ doch da – siehe u.a. die Berichterstattung der NY Times per Update vom Dienstag, den 15.03.2022 – und es gibt keinen Grund zur Beunruhigung https://www.nytimes.com/2022/03/11/science/deltacron-coronavirus-variant.html Offenbar existiert Deltacron schon länger, zeigt keine Tendenz zu einer exponentiellen Verbreitung und verhält sich aus Sicht des Immunsystems wie Omicron. Aufgrund der derzeitigen Nachrichtenlage, die von dem Krieg in der Ukraine dominiert wird, kann Deltacron auch keine mediale Aufmerksamkeit erregen.

2. News von Pharma/Biotech und Fachbehörden

Am Freitag, den 18.03.2022 macht Moderna einen kühnen Vorstoß und beantragt bei der FDA eine Zulassung des nicht weiter angepassten oder weiterentwickelten COVID-19 (Wuhan-Typ) mRNA Impfstoffes Spikevax für eine Viertimpfung. „Kühn“ von daher, da gleich die Zulassung für alle über 18 beantragt wird. Pfizer/BioNTech hatten sich hingegen in ihrem eigenen dahingehenden Antrag vom Dienstag, den 15.03.2022 auf die Altersgruppe der über 65-Jährigen beschränkt https://www.nbcnews.com/health/health-news/pfizer-seek-authorization-2nd-covid-booster-people-65-older-rcna20118. Allgemein wird im Moment davon ausgegangen, dass die Wirksamkeit einer Folgeimpfung, euphemistisch als „Boosterung“ bekannt, selbst hinsichtlich des Schutzes vor schweren Verläufen bereits nach 3-4 Monaten stark abnimmt bzw. abläuft. Die Sinnhaftigkeit einer Viertimpfung in Hinblick auf Nutzen und Risiken ist umstritten, die Studienlage dünn. https://www.fiercepharma.com/pharma/after-pfizers-fda-booster-request-moderna-comes-more-ambitious-booster-submission

Am Mittwoch, den 23.03.2022 kommuniziert Moderna erneute Erfolgsmeldungen zur Wirksamkeit des Spikevax Impfstoffes, diesmal aus Tests an Kindern zwischen sechs Monaten und sechs Jahren. https://www.derbund.ch/moderna-meldet-impftest-erfolg-bei-kleinen-kindern-481034284267 Dabei stört offenbar nicht, dass die Impfung unzureichend gegen eine Infektion schützt: Die Wirksamkeit des Impfstoffs bei Kindern zwischen sechs Monaten und zwei Jahren bei 43,7 Prozent; in der Altersgruppe zwischen zwei und sechs Jahren lag sie bei 37,5 Prozent. Laut Moderna sind dies ähnliche Werte wie bei Erwachsenen, jeweils im Kontext der Omicron-Variante, eine Booster-Impfung für kleine Kinder werde geprüft.

Aus Sicht des Unternehmens hat die Studie jedenfalls den gewünschten Endpunkt erreicht, da sie ein vergleichbares Nebenwirkungsprofil und eine vergleichbare Antikörperantwort wie bei älteren Kindern und Erwachsenen zeigt https://investors.modernatx.com/news/news-details/2022/Moderna-Announces-its-COVID-19-Vaccine-Phase-23-Study-in-Children-6-Months-to-Under-6-Years-Has-Successfully-Met-Its-Primary-Endpoint/default.aspx .

Die Studie sei von daher die Grundlage, um in den nächsten Wochen eine Zulassung bei FDA und EMA für Kleinkinder zu beantragen. https://www.reuters.com/business/healthcare-pharmaceuticals/moderna-seek-regulatory-approval-covid-shot-very-young-children-2022-03-23/ Falls Moderna so die angestrebte Zulassung erhält, wäre der Impfstoff dieser Firma der erste, der in den USA offiziell bei Kleinstkindern zum Einsatz kommt. Pfizer/BioNTech hatten unlängst (siehe Chronik #07, Seite 5 und Chronik #09, Seite 4) zunächst einen Rückzieher machen müssen: Die gemessene Antikörperantwort erschien schwächer als bei Erwachsenen, aktuell wird von daher in einer Ausweitung der Studie derzeit die „Wirksamkeit“ nach einer unmittelbaren Drittimpfung („Booster“) getestet, Ergebnisse werden im April erwartet.

Sowohl Moderna als auch Pfizer/BioNTech wollen sich also weder die Marktopportunität der Viert-Impfung noch die bei den Allerkleinsten für ihre Impfstoff „Cash-cows“ entgehen lassen. Neuigkeiten bezüglich der bei Moderna und Pfizer/BioNTech angeblich in der Entwicklung befindlichen, auf Omicron angepassten Impfstoffe, gibt es hingegen nicht.

Offenbar sieht zumindest die Venture-Capital-Branche den Bedarf für neue und bessere Ansätze. Am Dienstag, den 22.03.2022 wird der Schleier gelüftet über ein Schweizer Start-up, das sich zuvor im „stealth mode“ befand:  Aerium Therapeutics aus Lausanne hat monoklonale Antikörper in der Entwicklung, die gezielt auf die neueren COVID-19 Virenvarianten anspringen, also auf Delta und die Omciron-Subvarianten, incl. BA.2. Entwickelt werden soll sowohl für Therapie als auch für Prophylaxe, letzteres also ähnlich wie bei den aktuellen „Impfstoffen“ im Rahmen ihrer multiplen Booster-Strategien zur Vermeidung schwerer, klinischer Verläufe. https://www.aeriumtx.com/news/aerium-therapeutics-launches-to-develop-novel-therapeutics-against-covid-19-and-future-pandemic-threats/

3. Kommunikative und mediale Höhepunkte

Die deutschen Medien halten es nicht für nötig, zur Anhörung der Petition mit 126.000 Unterschriften gegen die zum Dienstag, den 15.03.2022 scharf geschaltete Impfpflicht in der Pflege zu berichten, die von der Krankenschwester Stefanie Bresnik am Tag davor im Petitionsausschuss des Bundestags brillant vorgetragen wird. https://corona-blog.net/2022/03/15/anhoerung-der-petition-mit-126-000-unterschriften-zum-thema-impfpflicht-in-der-pflege-die-medien-schweigen-dazu/ Die konkreten, individuellen Auswirkungen auf die aufgrund ihres Impfstatus nun nicht mehr Beschäftigten im Gesundheitswesen und die auf Betreuung, Behandlung und Versorgung angewiesenen Patienten und Pflegebedürftigen werden von den bekannten Stimmen wie der „Pflege-Bloggerin Sabrina“, seit über 15 Jahren als Krankenschwester tätig und bekannt auch als „Führungskraft mit Herz“, https://fuehrungskraft-mit-herz.zwitschern.net/ unverändert aufgezeigt, so in einer emotionalen Rede vor dem Brandenburger Tor zeitgleich zu der im Bundestag geführten Debatte anlässlich der ersten Lesung zur Impfpflicht am Donnerstag, den 16.03.2022. Berichtet wird darüber in den Medien praktisch nicht mehr. In ihrem Blogbeitrag vom Sonntag, den 20.03.2022 beschreibt sie, wie es sich anfühlt, als ungeimpfte Krankenschwester in einem Land mit Pflegenotstand vor die Tür gesetzt zu werden. https://fuehrungskraft-mit-herz.zwitschern.net/

Ebenfalls keine Beachtung findet in den Medien die Anhörung von Tom Lausen als Sachverständiger im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages zur Frage der Überlastung des Gesundheitssystems und der Untererfassung von Impfnebenwirkungen, die am 14.03.2022 stattgefunden hat. Das Multipolar-Magazin veröffentlicht dazu mit ihm ein Interview am Donnerstag, den 17.03.2022: https://multipolar-magazin.de/artikel/die-wussten-nichts Tom Lausen hat die BKK Provita bei der Analyse der Abrechnungsdaten zu Covid-19 Impfnebenwirkungen unterstützt, die zur Alarmmeldung an das Paul Ehrlich Institut geführt hat, und dazu, dass statt einer weiteren Untersuchung der Daten der Vorstand der BBK Provita gefeuert wurde. Gerade hat Lausen einen Strafantrag gegen den neuen Chef der Krankenkasse BKK ProVita gestellt (siehe Chronik #10, Seiten 5-7 sowie Chronik #11, Seiten 5-7. Tom Lausen schildert seine Erlebnisse im Gesundheitsausschuss wie folgt „Da werden Szenarien diskutiert, die überhaupt nicht zahlenbasiert sind. Das heißt, ich war der Erste und vermutlich auch der Einzige, der zu Zahlen etwas sagen konnte.“ Ein im Netz verfügbarer Videomitschnitt illustriert diese Aussage https://youtu.be/cYu5iPvoKCo

Vom Ethikrat kommt der Hinweis, dass man „aktuelle Entwicklungen“ (Omicron) berücksichtigen solle, die Vorsitzende Alena Buyx zeigt am Mittwoch, den 16.03.2022Verständnis dafür, falls die Politik von früheren Festlegungen in Sachen Impfpflicht abrücken würdehttps://www.evangelisch.de/inhalte/198574/16-03-2022/ethikrat-zu-corona-impfpflicht-aktuelle-entwicklung-beruecksichtigen Allerdings wird dieses Statement von den Medien kaum aufgegriffen. Bereits am 14.01.2022 hatte der Ethikrat seine Empfehlung relativiert https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/130888/Ethikrat-relativiert-Empfehlung-zur-allgemeinen-Impfpflicht. Ursprünglich – und darüber gab es eine ausführliche Berichterstattung – hatte sich der Ethikrat per ad hoc Empfehlung am 22.12.2021 für eine Ausweitung der Impfpflicht über die kurz zuvor vom Deutschen Bundestag beschlossene bereichsbezogene Impfpflicht hinaus ausgesprochen. Damit war er der Bitte der Bundesregierung und der Ministerpräsidentinnen und -präsidenten vom 2. Dezember 2021 um eine Einschätzung nachgekommen. https://www.ethikrat.org/mitteilungen/mitteilungen/2021/deutscher-ethikrat-empfiehlt-ausweitung-der-gesetzlichen-impfpflicht/?cookieLevel=not-set

Das offenbar systematische Schweigen der Medien zu den anhaltenden Protesten gegen Maßnahmen und Impfpflicht beschreibt der Kurzfilmproduzent Robert Hennefarth im Kurzvideo „Die Medienschande von München – Totschweigen von Demoshttps://www.youtube.com/watch?v=ySmUjqkej8c vom Montag, den 21.03.2022.

Breit aufgegriffen wird allerdings die befremdliche Argumentation des GKV-Spitzenverbandes in der Expertenanhörung des Bundestags am Montag, den 21.03.2022, die Impfpflicht sei praktisch nicht umsetzbar, da Papier für die Anschreiben von 60 Millionen Betroffenen fehle. https://www.tagesspiegel.de/politik/weil-papier-fehlt-krankenkassen-halten-corona-impfpflicht-fuer-nicht-umsetzbar/28184768.html Dabei sollte die Diskussion im Rahmen der Expertenanhörung im Bundestag doch eigentlich klären, ob eine Impfpflicht mit den Freiheitsrechten vereinbar ist, und ob die vorgelegten Gesetzesentwürfe verfassungskonform sind. Laut BR24 „prallten unterschiedliche Meinungen aufeinander“, die verfassungsrechtlichen Bedenken scheinen jedoch zu überwiegen. Die Möglichkeit einer abstrakten Gefahr in der Zukunft reiche für einen Grundrechteingriff nicht aus. https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/ist-die-corona-impfpflicht-mit-den-freiheitsrechten-vereinbar,T0jLy7T

Die Rechtsanwältin Erika Lorenz-Löblein erläutert in ihrem Beitrag auf Heise-online am Sonntag, den 20.03.2022 „warum der Zwang zur Impfung gegen Grundrechte verstößt und die Argumente der Befürworter ins Leere laufen. Ausgangspunkt ihrer Betrachtungen ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 10.02.2022, das dort anerkennt, dass als Folge der Impfung auch tödliche Impfnebenwirkungen auftreten können. Insofern würde der Gesetzgeber den Impfling zwingen, quasi „russisches Roulett“ zu spielen, mit einer bestimmten, wenn auch geringen, Wahrscheinlichkeit, zu Tode zu kommen. „Darf also der Gesetzgeber einen Menschen zwingen, sich der Gefahr des Todes auszusetzen, um ein Ziel zu erreichen?“ https://www.heise.de/tp/features/Impfpflicht-durch-die-Hintertuer-6593815.html

4. Politische Entscheidungen und Maßnahmen

Bund

An den drei Tagen vom Mittwoch, den 16.03.2022 bis Freitag, den 18.03.2022 werden zwei gesetzliche Regelwerke im Bundestag debattiert bzw. bereits beschlossen, die unter dem Stichwort „Pandemiebekämpfung“ massiven, unmittelbaren und dauerhaften Einfluss auf das Leben jedes Einzelnen haben:

Am Mittwoch und Freitag geht es um die Fortschreibung des Infektionsschutzgesetzes, welches regulär am Samstag, den 19.03.2022 auslaufen würde. Damit wären am Sonntag, den 20.03.2022, dem deutschen „Freedom Day“ alle Maßnahmen entfallen, wie Justizminister Marco Buschmann in der Pressekonferenz am 27.10.2021 einst in Aussicht gestellt hatte https://www.riffreporter.de/de/wissen/corona-covid-lockerungen-oeffnungen-expertenrat-scholz Durch das geänderte Infektionsschutzgesetz, das am Freitag, den 18.03.2022 verabschiedet wird, entfällt dann jedoch der Freedom Day, nicht die Maßnahmen (s.u.).

Zuvor findet aber noch am Donnerstag, den 17.03.2022, die erste Lesung zu einer möglichen allgemeinen Covid-19 Impfpflicht in Deutschland statt. Hierzu liegen mittlerweile fünf Vorschläge vor, zwei interfraktionelle Gesetzesentwürfe und drei Anträge wie folgt, und in Gänze abrufbar unter https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2022/kw11-de-impfpflicht-881824

  • Gesetzentwurf für eine allgemeine Impfpflicht ab 18 Jahren ab Oktober 2022, unterstützt von einer Gruppe von mehr als 230 Abgeordneten, überwiegend aus Vertretern von SPD und Grünen, darunter auch Kanzler Olaf Scholz (SPD), Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), Grünen-Gesundheitspolitiker und Arzt Janosch Dahmen und auch Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann, stellvertretende Bundesvorsitzende der FDP.
  • Gesetzentwurf für eine altersbezogene Impfpflicht ab 50 Jahren, getragen von einer bunt gemischten Gruppe von rund 40 Abgeordneten, darunter u.a.  FDP-Gesundheitsexperte und Mediziner Andrew Ullmann, SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert und auch Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne).
  • Antrag gegen eine allgemeine Impfpflicht und für die Weiterführung der Kampagne und Aufklärung für die freiwillige Covid-Impfung, ausgearbeitet von einer Gruppe um den Bundestagsvizepräsidenten und stellvertretenden FDP-Bundesvorsitzenden Wolfgang Kubicki, getragen von weiteren 60 Abgeordneten, darunter auch Sahra Wagenknecht und Gregor Gysi (beide Die Linke).
  • Antrag der AfD-Fraktion gegen die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht und für die Rücknahme der seit dem 15.03.2022 geltenden einrichtungsbezogenen Impfpflicht für Gesundheits- und Pflegepersonal. Für die Aufgabe dieser speziellen Impfpflicht fordert die AfD die Bundesregierung zur Vorlage eines neuen Gesetzentwurfs auf.
  • Als letztes eingegangen, am 14.03.2022, ein Antrag auf Einführung eines sogenannten Impfvorsorgegesetzes, getragen von der CDU-CSU-Fraktion unter Federführung des Fraktions- und Parteivorsitzenden Friedrich Merz (CDU) und von CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Dieser Antrag sieht eine Ermächtigung des Bundestages zur Einführung einer Impfpflicht im Falle einer Zuspitzung der Infektionslage vor (sogenannter Impfmechanismus, in mehreren Stufen dargestellt). Davor geschaltet werden soll jedoch erst einmal die Einführung eines Impfregisters, aus dem der Impfstatus eines jeden Bürgers ersichtlich ist, sowie die intensivierte Fortsetzung der Impfkampagne, u.a. mit Impfberatungsgesprächen, speziell für ungeimpfte Bürgerinnen und Bürger. Zum eigentlichen Gesetzesvorschlag fordert auch die CDU/CSU hier explizit die Bundesregierung auf, selbst bringt sie keinen ein.

Eine Rede des zugeschalteten ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj um 9.00 Uhr morgens, die kurzfristig angesetzt worden war, hatte zunächst einmal zu einem Streit über die weitere Tagesordnung im Parlament an diesem Tag geführt. Ein Antrag des CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden Friedrich Merz, entgegen der tags zuvor beschlossenen Tagesordnung eine Aussprache über die Rede Selenskys der Impfdebatte vorzuschalten, wird nach einigen kurzen Redebeiträgen dafür und dagegen abgelehnt.

Die Debatte über das Impfpflicht-Gesetz beginnt mit halbstündiger Verspätung um 9.55 Uhr, die Wortbeiträge im Zuge der ersten Lesung zur Covid-19-Impfpflicht dauern gut 100 Minuten. Hier die wichtigsten Redebeiträge für und gegen die verschiedenen Anträge, in Auszügen, und in der Reihenfolge, wie im Bundestag gehalten:

Heike Baehrens, SPD, Gesundheitspolitikerin und Pflegebeauftragte ihrer Partei, ist die erste Rednerin. Sie wirbt für den Antrag auf eine allgemeine Impfpflicht ab 18 Jahren, und wiederholt bekannte Argumente, wie etwa, dass nur eine höhere Impfquote (90+ Prozent) dazu führen würde, die Pandemie unter Kontrolle zu bekommen. Zugrunde gelegt ist dem Antrag die Annahme, dass die derzeitigen Impfstoffe durch eine sogenannte „Grundimmunisierung“ auch im Herbst dafür sorgen könnten, vor weiteren Corona-Wellen, mit noch unbekannten Varianten, zu schützen. „Um vor die Welle zu kommen, müssen wir eine hohe Impfquote erreicht haben, … und auch eine Impfnachweispflicht“, sagt sie, alles im Hinblick auf den nächsten Herbst.

Sepp Müller, stellv. Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU-Faktion, kritisiert die Debatte zur Impfpflicht zu diesem Zeitpunkt. Er findet es unwürdig und respektlos, dass Bundeskanzler Olaf Scholz nicht auf Selenskyjs Rede mit einer Regierungserklärung antwortet; er redet von der ,,Sprachlosigkeit der Ampel“, weil sie bei vielen Themen keine Mehrheit habe, so auch nicht bei der Impfpflicht. Diese Impfpflicht sei zum jetzigen Zeitpunkt ,,tot“ wegen der fehlenden Mehrheiten, und er wirbt für den sogenannten Impfvorsorgeantrag seiner Fraktion, die ein Impfregister vorsieht, um die Impfstati einzelner Bundesbürger festzuhalten (als Voraussetzung für eine mögliche spätere Einführung einer Impfpflicht), dazu eine regelmäßige, 14-tägige Lageberichtspflicht des Bundesgesundheitsministers, sowie einen Mechanismus, nach dem dann für den Fall einer Verschärfung der Pandemielage und dem Vorliegen weiterer gefährlicher Viren zügig verschiedene Stufen der Impfpflicht (nach Alter oder nach Risikogruppen gestaffelt) eingeführt werden könnten.

Alice Weidel, Fraktionsvorsitzende der AfD, spricht davon, dass die verschiedenen Vorschläge für eine Impfpflicht eine ,,verbohrte Besessenheit“ und ,,ignorante Tatsachenverweigerung“ zeigen, die Deutschland als europäischen Sonderling dastehen lassen, während andere Länder (z.B. Österreich) die Impfpflicht gerade wieder fallen lassen. Die Impfpflicht sei auf falschen Tatsachenbehauptungen aufgebaut, das müsse sogar inzwischen das RKI zugeben. Dass eine Impfung andere wirksam vor Ansteckung schütze und die Ausbreitung des Virus dämpfe, sei falsch, mindestens fragwürdig sei der versprochene Schutz vor schweren Verläufen angesichts steigender Zahlen von Geimpften und Geboosterten in Intensivstationen. Dafür seien die Impfnebenwirkungen weiter verbreitet als behauptet. Dazu wünsche sie sich eine Debatte im Bundestag. In Summe seien damit die Gründe für eine Impfpflicht nicht gegeben, sie sei zudem unverhältnismäßig. Eine allgemeine Impfpflicht verletze zentrale Grundrechte, die Menschenwürde, das Recht auf körperliche Unversehrtheit und das Recht auf Glaubens- und Gewissensfreiheit. Die Impfpflicht sei nicht geeignet und nicht erforderlich, auch nicht angemessen. Dem Staat sei auch schlicht nicht erlaubt, das Leben einiger Bürger zu gefährden, um die Gesundheit anderer Bürger zu schützen. Die Behauptung, die Impfpflicht sei notwendig, um die Krankenhäuser nicht zu überlasten, sei nicht nur falsch (da es keinen Engpass gab während der Pandemie, wie der Gesundheitsminister sogar zugegeben habe), mit dem Argument könne man auch andere Therapien von Staats wegen anordnen, etwa Zwangsdiäten für Übergewichte o.ä. – es reicht eine konstruierte Überlastungssituation in Krankenhäusern. Die Impfpflicht sei auch ein Akt der Entrechtung. Sie entmündige Millionen von Menschen und mache sie zu Befehlsempfängern und Objekten staatlicher Willkür. Alice Weidel appelliert abschließend an ihre Parlamentskollegen: „Sie reiten ein totes Pferd, steigen Sie ab. Lassen Sie uns gemeinsam den Irrweg einer einrichtungsbezogenen Impfpflicht beenden.“

Manuel Höferlin, FDP, vertritt den Gruppenantrag von Wolfgang Kubicki (abwesend, da trotz Doppelimpfung und Boosterung an Covid-19 erkrankt) gegen die Einführung der allg. Impfpflicht: Schaffen wir mit der Impfung eine Herdenimmunität? Nein. Schützt die Impfpflicht sicher vor Ansteckung? Nein. Schützt die Impfpflicht andere vor Ansteckung? Nein. Verhindern wir mit der Impfpflicht eine wahrscheinliche weitere Corona-Welle im Herbst? Nein. Dann wirbt er fürs Impfen, aber gegen eine Impfpflicht. Angesichts der milderen Omicron-Variante reklamiert er andere, mildere Mittel und macht wie auch schon die Vorrednerin darauf aufmerksam, dass andere Länder wieder aussteigen aus dem Vorhaben, eine Impfpflicht einzuführen. Er plädiert für eine offene Debatte darüber, was wirklich den Bürgerinnen und Bürgern gegen Covid-19 hilft auf Basis des aktuellen Wissensstands zur Pandemie. Er will der Bevölkerung nach zwei Jahren Pandemie die Entscheidung in Eigenverantwortung zurückgeben

Andrew Ullmann, FDP, Gesundheitspolitiker und Arzt plädiert für eine verpflichtende Aufklärung/Beratung derjenigen, die sich bisher nicht impfen lassen wollen. Man wolle so die Impflücken schließen. Er unterstützt den Gesetzesentwurf der Impfpflicht für Ü50.

Robert Habeck, (B´90/Grüne), Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister, plädiert für eine allgemeine Impfpflicht ab 18 Jahren. Die individuelle Gewissensentscheidung, die jedem Abgeordneten unabhängig von der Fraktion vorbehalten ist und die damit verbundenen Gruppen- statt der üblichen Fraktionsanträge entbinde das Parlament nicht, eine Entscheidung über die Impfpflicht zu treffen. Es gehe hier um die Vorsorgefrage, für alle Eventualitäten, und der Bundestag müsse alles dafür tun, die Menschen zu schützen vor wieder großen Freiheitseinschränkungen. Er argumentiert damit, dass die Freiheitsinterpretation von wenigen nicht zur Freiheitseinschränkung von vielen führen darf. ,,Wir haben es satt, die Menschen in diesem Land haben es satt“, so Harbeck, er plädiere für eine Impfpflicht, um das Virus ,,zu erledigen“.

Tino Sorge, CDU, gesundheitspolitischer Sprecher: Er moniert den Weg mit Gruppenanträgen, eine Vorgehensweise, die das Gesetzgebungsverfahren sehr langsam mache und unsicher ist, ob es überhaupt eine Mehrheit für irgendeinen der Vorschläge geben wird. Er plädiert für den ,,Kompromiss-Vorschlag“ der CDU/CSU-Vorschlag, der einen sogenannten Impfvorsorge-Mechanismus vorsieht, der je nach Ausmaß der Pandemie in verschiedenen Stufen zu einer allgemeinen Impfpflicht führt. Wesentlicher Punkt in dem Vorschlag ist die Einführung eines allgemeinen Impfregisters, in dem alle Daten gesammelt werden über den momentanen Impfstatus der Bevölkerung.

Martin Sichert, AfD, gesundheitspolitischer Sprecher: Er zitiert Daten der Betriebskrankenkassen, wonach es bis August diesen Jahres mehr Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen wegen Impfnebenwirkungen gegeben habe als wegen eines positiven Corona-Tests. Die Impfung sei also nicht sicher. Der Kölner Karneval bei 2G+Regeln war zudem ein Superspreader-Event, der Impfschutz für andere funktioniere also auch nicht. Es seien mehr Corona-Intensivpatienten geboostert als ungeimpft. Der Impfschutz funktioniere also nicht, eine Impfpflicht auf einer solchen Basis sei verfassungswidrig. Was ihm fehlt, sind wichtige Studien zur Wirkung und Nebenwirkung insbesondere von mRNA und Spike-Protein; dazu liegen immer noch keine aussagekräftigen Studien vor. Realsatire sei, dass alle Bundestagspräsidenten geimpft seien, 3 von 6 aber gerade an Corona erkrankt seien und der Bundestag trotzdem über eine Impfpflicht debattiert. Er fordert zur Beendigung der Debatte um Corona-Maßnahmen und Impfpflicht auf.

Tabea Rößner, B90/Grüne: Plädiert als eine der wenigen ihrer Fraktion gegen eine allgemeine Impfpflicht, da die Herdenimmunität nicht erreicht werden kann, zudem äußert sie Bedenken ob der Nebenwirkungen. Diese seien nicht mal alle gemeldet, alle zu erfassen sei aber eine wichtige Aufgabe, um Vertrauen in eine Impfung zu gewinnen. Sie ruft dazu auf, auch alle neuesten wissenschaftlichen und medizinischen Erkenntnisse wahrzunehmen für eine solide Entscheidung, ein Seitenhieb gegen einige vorgetragene Argumente für eine Impfpflicht.

Paula Piechotta, B90/Grüne, stellv. Mitglied Gesundheitsausschuss: Gerade vor dem Hintergrund der vielen Krisen, die der Bundestag noch gemeinsam lösen muss, plädiert sie dafür, dass man bei diesem Thema sich auf einen Kompromiss einigt, der zumindest den Gesundheitssektor vor Überlastung schützt. Sie plädiert für den Vorschlag einer Impfpflicht für Bürgerinnen und Bürger ab 50 Jahren als möglichen Kompromissvorschlag für eine Mehrheitsentscheidung im Bundestag.

Katrin Helling-Plahr, FDP: Politik muss sich immer heraushalten, soweit möglich und sich einmischen, wenn es nötig sei. Gerade deshalb plädiere sie für die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht. Sie führt verschiedene Alltagsfreiheiten an, die eingeschränkt wären, wenn man wieder auf den Herbst warte. Sie wirbt für die allgemeine Impfpflicht ab 18 Jahren, auch wenn es ein Risiko gibt, dass man die Impfpflicht am Ende gar nicht brauche, wenn die Pandemie schneller vorbei sei. Eine Revision der Entscheidung für eine Pflicht empfände sie als besser als adhoc wieder freiheitseinschränkende Maßnahmen im Herbst einführen zu müssen, weil man jetzt die Möglichkeit zur Einführung einer Impfpflicht, gültig dann für in einem halben Jahr, nicht nutze.

Andrea Lindholz, CSU, stellv. Fraktionsvorsitzende: Sie nimmt die zweite Lesung zum Infektionsschutzgesetz am nachfolgenden Freitag vorweg und plädiert gegen eine Aufhebung der Maskenpflicht im Zuge einer abgeschwächten noch zu verabschiedenden Variante des Infektionsschutzgesetzes. Sie macht auf einen wichtigen Widerspruch aufmerksam: Dieselben Kollegen, die am Freitag für eine Abschaffung der Maskenpflicht im öffentlichen Raum stimmen werden, wollen auf der anderen Seite die allgemeine Impfpflicht ab Herbst einführen. Das sei unverständlich, chaotisch. Dann plädiert sie für die Einführung des allgemeinen Impfregisters und damit für den Impfvorsorgevorschlag der CDU/CSU-Fraktion.

Andreas Bovenschulte, SPD, erläutert die sehr hohen Impf- und Booster-Quoten in Bremen (was den Stadtstadt nicht vor einem Anschwellen der Corona-Infektionen bewahrt hat), spricht von einem guten ,,Impfklima“ in Bremen. Er spricht sich dennoch für die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht aus, auch stellvertretend für die 16 MinisterpräsidentInnen der Bundesländer, wie er betont. Hauptargument: Wenn jetzt schon die Impfkampagne stagniert, angesichts sehr hoher Infektionszahlen, dann gehe es nicht anders als eine allgemeine Impfpflicht zum Herbst einzuführen. Ansonsten drohten wieder heftige Einschränkungen, mit allen sozialen und ökonomischen Folgen. Die Familien in Deutschland seien am Limit, wenn die Wahl ist zwischen einer dauernden Lockdown-Politik und einer Impfpflicht, dann plädiere er für eine Impfpflicht.

Gregor Gysi, Die Linke: Er selbst sei dreimal geimpft und genesen, mehr gehe nicht. Er sei dennoch Gegner der allgemeinen Impfpflicht. Er macht darauf aufmerksam, dass man ein Impfpflicht-Gesetz nicht beschließen solle, wenn man es nicht durchsetzen könne. Geldbußen, die umgewandelt werden in Haftstrafen, wenn man nicht zahle oder zahlen könne, werde dafür sorgen, dass Bürger vors Verfassungsgericht ziehen. Er halte diese Gesetzgebung angesichts von 16 Millionen ungeimpften Menschen im Land für nicht durchsetzbar. So viele Ordnungswidrigkeiten könne man gar nicht verfolgen.

Katrin Vogler, Die Linke macht darauf aufmerksam, dass immer mehr Menschen an Long Covid leiden, auch nach leichten Covid-Verläufen. Auch sie selbst sei betroffen, habe täglich Kopfschmerzen, könne sich nicht immer konzentrieren, leide an Appetitlosigkeit etc, fühle sich nicht gesund. Sie sei nicht begeistert von einer Verpflichtung, aber nach zwei Jahren Pandemie halte sie es inzwischen für zumutbar, alle Erwachsenen zu einer Covid-Impfung zu verpflichten.

Dr. Herbert Wollmann, SPD, Arzt und Mitglied im Gesundheitsausschuss, plädiert für den Ü50-Antrag auf Impfpflicht: Er habe in seiner Praxis schwer erkrankte Covid-Patienten gehabt und auch solche, die dann an Covid gestorben seien, das befürchte er auch bei weiteren Mutationen im Herbst. Die Schwere der Erkrankung nehme mit dem Alter zu, daher plädiere er für eine altersabhängige Impfpflicht, die sich an den Empfehlungen des Ethikrates orientiere, denn die jungen Erkrankten seien nicht die, die das Gesundheitssystem belasten.

Emilia Fester, B´90/Grüne, Mitglied im Familienausschuss, war bei Ausbruch der Pandemie 21 Jahre alt, wie sie ausführt, und erklärt, was sie alles habe nicht tun können wegen der Seuche (kein Feiern, kein Uni-Besuch, kein Auslandsaufenthalt, niemanden küssen, etc.) Sie behauptet, dass sie ein freies Leben hätte früher wieder führen können, wenn sich andere rechtzeitig hätten impfen lassen. Sie fordert jetzt den ,,Payback“ für die lange gezeigte Solidarität gegenüber den vulnerablen Gruppen, sie fordert die individuelle Freiheit zurück, vor allem von denen, die sich nicht impfen lassen wollen; das beste Mittel zur Rückgewinnung der Freiheit sei jetzt die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht ab 18 Jahren. Sie habe sich nicht um ein Bundestagsmandat beworben, um nun als Abgeordnete „dabei zuzusehen, wie meine Generation in Klimafragen Angst um ihre Zukunft hat und parallel dazu in der Pandemie auch noch ihre Gegenwart verliert“. Es gehe immer noch um das Erreichen der Herdenimmunität, erklärt sie entgegen der wissenschaftlich längst kommunizierten Erkenntnis, dass eine solche Herdenimmunität aufgrund der schnellen Mutationen gar nicht mehr erreicht werden kann. Trotzdem: Impfen dürfe keine Individualentscheidung sein. Fester findet, nicht die Impfpflicht, sondern keine Impfpflicht sei die Zumutung für die Menschen.

Simone Borchardt, CDU, Mitglied im Gesundheitsausschuss: Sie macht darauf aufmerksam, dass es keine klare strategische Ausrichtung zum Thema Impfpflicht in der Regierung gebe. Sie möchte, dass der Schweregrad der Erkrankung und der Hospitalisierungsgrad bei den Entscheidungen zu einer Impfpflicht berücksichtigt werden soll. Zudem sagt sie, dass aufgrund der Infektionswelle die Immunisierung sehr viel höher ist als durch die Impfquote dokumentiert ist. Sie plädiert für den Impfvorsorge-Antrag der CDU-/CSU-Fraktion nebst Impfregister. Sie möchte einen Impfmechanismus, der greift, wenn es notwendig ist. Sie wirft dem Gesundheitsminister und auch Vizekanzler Habeck vor, den Erkenntnisstand von heute bei ihrem Gesetzesentwurf auszublenden. Sie fordert „mehr Flexibilität und weniger Starrsinn“ bei der Gesetzesfindung zum Impfen.

Kathrin Göring-Eckardt, B`90/Grüne: Wirbt für die Gruppenanträge anstelle von Regierungsentwurf. Zwischenfrage Krings: Warum Gruppenanträge hier, aber nicht bei der einrichtungsbezogenen Impfpflicht – Grundrechte 2. Klasse für Ärztinnen und Pfleger? Göring-Eckhardt: Sie sieht die einrichtungsbezogene Impfpflicht als erste Stufe zu einer allgemeinen Impfpflicht ab 18 Jahren. Sie bezeichnet den Gesetzesvorschlag als ,,das eine scharfe Schwert“, diese Impfpflicht zur Bekämpfung der Pandemie. Begründung: Die Minderheit (der Ungeimpften) dürfe nicht die Freiheit der Mehrheit dauerhaft einschränken.

Karl Lauterbach, Bundesgesundheitsminister, SPD rundet die Debatte mit einer kurzen, aber in Teilen offen diskriminierenden Rede ab. Er zitiert zunächst fünf Szenarien aus einer Ausarbeitung des Virologen Christian Drosten für den Bundestag (Omicron; Delta, das aus Südafrika wiederkommen könne; daneben eine weiter entfernte Variante; eine Kombinationsvariante oder eine irgendwie geartete Omicron-Weiterentwicklung hin zu einer Variante, die tiefer in die Lunge eindringt). Die Wahrscheinlichkeit, dass man eine dieser Varianten bekomme, liege bei fast 100 Prozent; die Wahrscheinlichkeit, dass man im Herbst keine Schwierigkeiten haben werde mit Covid, liege dagegen bei fast null Prozent. Daher müsse man sich im Herbst wieder mit der Frage beschäftigen, was man den Menschen an Beschränkungen zumuten muss, den Kindern etc. Man könne ja nicht den vielen Ungeimpften dann sagen, man könne sie nicht behandeln, man sei ja eine zivilisierte Gesellschaft.

Lauterbach führt fort, es könne nicht sein, dass das Land in der Geiselhaft von Menschen sei, die sich immer noch nicht impfen lassen wollen und auch noch stolz auf ihre Haltung seien; man müsse Rücksicht nehmen auf alle, die sich an die Regeln gehalten haben, auf die Kinder, auf die zu Pflegenden, die Pflegebedürftigen, die Ärztinnen und Ärzte, etc. Das Problem der Ansteckung sei nicht das Hauptproblem, sondern schwere Krankheit und Tod zu verhindern. Es stimme, die Impfpflicht komme zu spät für die jetzige Welle, aber der Vorschlag der CDU/CSU würde dann zu spät kommen auch für weitere Wellen. Auf eine Zwischenfrage der Linken-Politikerin Katrin Vogler, die ihn auffordert mit individuellen Schuldzuweisungen vorsichtig zu sein, antwortet Lauterbach: „Schuldzuweisungen sind fehl am Platz, aber Verantwortungszuweisungen sind richtig, und die Ungeimpften tragen derzeit die Verantwortung dafür, dass wir nicht weiterkommen.“

Dann folgt eine weitere bemerkenswerte Aussage: Mit der Impfung und der Impfpflicht könne man die Pandemie beenden, zwar nicht weltweit, aber für Deutschland (sic!). Diese Chance sollte man wahrnehmen. Wenn man bei den Ü-60-Jährigen eine Impfquote von über 90 Prozent erreichen könne, verspricht der Minister, dann bräuchte man im Herbst nicht mehr vor Einschränkungen Sorge haben wie in der Vergangenheit. Wenn man diese einmalige Chance jetzt nicht ergreife, stehe man im Herbst vor derselben Situation wie jetzt.

Diese Art der Diskriminierung aus dem Munde eines Bundesministers erscheint uns bedenklich, und sie unterscheidet sich in der Tonalität deutlich vom Gros der meisten anderen Redebeiträge zum Thema Impfpflicht bei dieser denkwürdigen Gesetzeslesung.

Petra Pau als Bundestagsvizepräsidentin schließt die Aussprache um 11.35 Uhr und überweist nach Zustimmung des Parlaments sämtliche Vorlagen zur weiteren Beratung an die Ausschüsse. Die 2. und 3. Lesung und damit auch die Abstimmung über die vorliegenden Gesetzesvorhaben und Anträge für und wider die allgemeine Impfpflicht wird nach aktuellem Kenntnisstand am Donnerstag, den 7.4.2022 stattfinden.

Alle Redebeiträge dieser denkwürdigen Impfpflicht-Debatte gibt es in Einzelvideos mittlerweile in der Mediathek des Parlamentsfernsehens unter dem Sitzungstag 17.03.22: https://www.bundestag.de/mediathek?videoid=7534242#url=L21lZGlhdGhla292ZXJsYXk/dmlkZW9pZD03NTM0MjQy&mod=mediathek

In den Tagen nach der Debatte um die Pflichtimpfung hat in den Fraktionen und Parteien der Kampf um eine Kompromisslösung begonnen. Zwei Wochen haben die Parteien dafür Zeit, dann gibt es entweder eine allgemeine Impfpflicht ab 18 – damit droht Deutschland sich im Vergleich zu den europäischen Nachbarn zu isolieren – , eine Pflicht ab 50 Jahren oder die als Impfregister-Vorschlag getarnte stufenweise Einführung einer Impfpflicht bei Bedarf.

Weil Politik ja auch immer etwas mit Gesichtswahrung zu tun hat, ist derzeit nicht damit zu rechnen, dass sich eine Nulllösung, also das Scheitern der Impfpflichtentwürfe und allenfalls freiwillige Covid-Impfungen, wie das Teile der FDP und auch die AfD in Anträgen fordern, durchsetzen wird. Die Einführung einer Impfpflicht ist unserer Ansicht nach, auch angesichts der praktisch kompletten medialen Fokussierung auf den Ukraine-Krieg, nur noch mit massiven und sichtbaren Protesten von Bürgern zu verhindern. Weil eine klare Mehrheit für einen der Gesetzentwürfe zur Impfpflicht aus den Reihen der Regierungskoalition nicht zu erwarten ist, wirbt Kanzler Olaf Scholz nun aktiv um Stimmen aus dem Oppositionslager der CDU/SCU. https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/corona-pandemie-sorge-vor-scheitern-der-impfpflicht-kanzler-scholz-sucht-mehrheit-mit-der-union/28191762.html

Bereits beschlossen ist dagegen seit Freitag,den 18.03.2022 die Änderung des Infektionsschutzgesetzes, das in seiner bisherigen Form ansonsten einen Tag später ersatzlos ausgelaufen wäre. Angesichts wieder steigender Corona-Inzidenzen wollen aber weder die Bundesregierung noch die Ministerpräsidenten der Länder auf die Möglichkeiten zu Grundrechtseinschränkungen verzichten. Ins Feld geführt wird eine Bedrohung, die möglicherweise in einem der von Gesundheitsminister Karl Lauterbach tags zuvor genannten fünf Szenarien mit entsprechend ansteckenden Corona-Varianten auf die Bevölkerung zukommen könnte – und, so das Hauptargument der Befürworter eines Fortbestandes des Corona-Regelwerkes, zu einer Überlastung des Gesundheitssektors führen könnte.

Das „abgespeckte Infektionsschutzgesetz sieht im Wesentlichen vor,

  • dass Abstandsregeln und Maskenpflicht weiter gelten und 3G-Regeln incl. Testpflicht weiter möglich sind in Bereichen, die sogenannte verletzliche Gruppen betreffen; dazu gehören: Pflege- und Krankenhauseinrichtungen, Dialyseeinrichtungen, ambulante Pflegedienste, Einrichtungen zur gemeinschaftlichen Unterbringung von Asylbewerbern und der öffentliche Personennahverkehr. Die Testpflicht gilt zusätzlich in Schulen, Kindertageseinrichtungen, in Einrichtungen zur gemeinschaftlichen Unterbringung von Asylbewerbern und Justizvollzugsanstalten, Abschiebungshafteinrichtungen, Maßregelvollzugseinrichtungen sowie anderen Abteilungen oder Einrichtungen, wenn und soweit dort dauerhaft freiheitsentziehende Unterbringungen erfolgen, insbesondere in psychiatrischen Krankenhäusern, Heimen der Jugendhilfe und für Senioren https://dserver.bundestag.de/btd/20/009/2000958.pdf
  • dass die Bundesländer die oben genannten Regeln incl. 2G dann auch wieder für die Allgemeinheit beschließen können, wenn sie einzelne Städte, Landkreise, Regionen aufgrund einer bedrohlichen Infektionslage zu sogenannten Hot-Spots erklären. Das ist möglich im Falle des Auftretens einer gefährlicheren Virusvariante oder bei einer drohenden Überlastung der Krankenhauskapazitäten, wegen besonders vieler oder sehr schnell steigender Neuinfektionen. Allerdings kann ein Hot-Spot nicht gesamthaft für ganze Bundesländer beschlossen werden; vielmehr müssen einzelne Stadt- und Kreistage über eine solche Lage beschließen. https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/coronavirus/infektionsschutzgesetz-2013038

Über die Art der Fortführung des Infektionsschutzgesetzes gab es im Parlament und auch in der Ministerpräsidentenkonferenz am Tag zuvor eine heftige Debatte. Einigen Ministerpräsidenten gehen die Regelungsmöglichkeiten für die Länder nicht weit genug. Vor allem das Fallen der Maskenpflicht im Einzelhandel und in den Schulen sehen einige Länderchefs, auch der großen Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen und Bayern, skeptisch https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/bund-laender-gipfel-ministerpraesidenten-attackieren-corona-politik,T0LZTHH

Generell wird das Abwälzen der Verantwortung für die Pandemie-Bekämpfung auf die Länder moniert. Und im Arbeitsalltag bleibt es zukünftig den Arbeitgebern überlassen, welche und wie viele Schutzmaßnahmen sie beibehalten oder betrieblich anordnen https://www.vbw-bayern.de/vbw/vbw-Fokusthemen/Fokus-Corona/Allgemeines/Geltende-Corona-Regeln-in-Bayern-ab-20.-M%C3%A4rz-2022.jsp

Nicht thematisiert wird in den Debatten und nur sehr punktuell in der Berichterstattung (die Pharmazeutische Zeitung weist am Freitag, den 18.03.2022 darauf hin: https://www.pharmazeutische-zeitung.de/infektionsschutzgesetz-sieht-drei-covid-19-impfungen-vor-132057/seite/alle/), dass mit dem geänderten Infektionsschutzgesetz die Definitionen von Impf-, Genesenen- und Testnachweisen nunmehr wieder direkt in dem selbigen geregelt werden – also nicht länger über Verordnungen, wie bisher in §2 der Coronavirus-Einreiseverordnung (CoronaEinreiseV) und ebenfalls in §2 der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung (SchAusnahmV), jeweils unter Verweis auf Web-site von Paul-Ehrlich-Institut und Robert Koch-Institut, und was dort nun steht, nämlich:

Vorausschauendwird durch Änderung von §22a festgelegt, dass ab dem 01.10.2022 nur noch eine dreifache Impfung als „vollständige“ Immunisierung betrachtet werden wird. Auch ist jetzt gesetzlich zementiert, dass ein Genesenennachweis in Deutschland frühestens ab 28 Tagen und längstens bis zu 90 Tagen nach Nachweis der Infektion gültig ist, der Infektionsnachweis muss per PCR Test erbracht worden sein.

Die Verkürzung des Genesenenstatus von sechs (bzw. fünf) auf drei (bzw. zwei) Monate, ein Thema, das die Gemüter und Medien noch vor einigen Wochen so stark erregt hatte und in zahlreichen Gerichtsverhandlungen individuell adressiert worden war (siehe diverse vorherige Chroniken unter Punkt 5, juristische Prozesse und Entscheidungen), wird jetzt vom Gesetzgeber abgehakt, ohne dass die Öffentlichkeit davon Kenntnis nimmt.

Und auch die ab dem 01.10.2022 greifenden Regelungen zur Notwendigkeit der dreifachen Impfung werden für etliche Betroffene dann eine unangenehme Überraschung darstellen.

Der Gesetzentwurf zur Veränderung des Infektionsschutzgesetzes wird mit den Stimmen der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP gegen die Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, AfD und DIE LINKE angenommen. Die Maßnahmen des nun geänderten Infektionsschutzgesetz („IfSG“) gelten bis zum 23.09.2022. „Der Gesetzgeber wird dann“, so steht es im Gesetz, „ –  auf Basis der dann aktuellen Infektionslage und Erkenntnisse – neu bewerten, welche Maßnahmen im kommenden Herbst und Winter erforderlich sind“. Das bedeutet konkret: Auch über den Sommer hinaus ist eine Fortführung der Maßnahmen zu erwarten – je nach Entscheidung über die Impfpflicht dann weiterhin auf Basis des IfSG oder in Kombination mit einem Gesetz über eine mögliche Impfpflicht. Das Parlament lässt sich jedenfalls mit diesem Beschluss alle Möglichkeiten weiter offen.

Bei der Beratung des (nicht zustimmungspflichtigen Gesetzes) im Bundesrat, die noch am gleichen Tag stattfindet, machen die Vertreter der Länder ihrem Ärger Luft – insbesondere wird die mangelnde Abstimmung seitens des Bundes mit den Ländern beklagt, u.a. seitens Volker Bouffier (Hessen) und Bodo Ramelow /Thüringen), es sei eine „prozedurale Unverschämtheit gewesen“, so der bayerische Minister für Bundesangelegenheiten, Florian Herrmann (CSU). https://www.tagesschau.de/inland/infektionsschutzgesetz-bundestag-corona-101.html

Dennoch geht es für die Länder jetzt an die Umsetzung – und ob die Hot-Spot-Regelung doch auch auf Landesebene umgesetzt und damit als praktische Hintertür zur Fortführung des Maßnahmen-Status quo dienen könnte, wird mit Verabschiedung des Gesetzes umgehend zur entscheidenden, offenen Frage. Im Laufe der nächsten Tage zeichnet sich ab, dass die dazu auf Landesebene gewählte Interpretation des Bundesgesetzes entlang von Parteilinien verlaufen könnte:

Die bayerischen CSU-Politiker kritisieren den Bund und rufen nach schärferen Maßnahmen, geben sich aber zurückhaltend, was die Nutzung der Hot-Spot-Regelung angeht, sie sei weder klar formuliert noch rechtssicher noch praktikabel, so BR24 am Dienstag, den 22.03.2022. https://www.br.de/nachrichten/bayern/corona-regeln-bayern-draengt-auf-verlaengerung,T08Tvdh In Sachsen stellt sich, laut BILD, ebenfalls am Dienstag, den 22.03.2022, die CDU-Fraktion gegen den eigenen Ministerpräsidenten und dessen Pläne, den ganzen Freistaat zum Hot-Spot zu erklären und die epidemische Lage zu verlängern. https://www.bild.de/regional/dresden/dresden-aktuell/epidemische-lage-cdu-aufstand-gegen-sachsen-mp-kretschmer-79530668.bild.html Der Saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) erklärt am Mittwoch, den 23.03.2022, dass er die Nutzung der Hot-Spot Regelung für das Saarland als schwierig ansieht, das Infektionsschutzgesetz setze dafür zu enge Grenzen. Im Saarland steht für den 27.03.2022 die Wahl eines neuen Landtags an https://www.presseportal.de/pm/57706/5178797 .

Mecklenburg-Vorpommern (MV) deklariert sich hingegen als erstes Bundesland per Beschluss des Landtags, mit Zustimmung der regierenden SPD, Linken und Grünen, am Donnerstag, den 24.03.2022 gesamthaft als Hot-Spot. 2G, 2G+, 3G etc. bleiben also in Kraft, nur über Ostern will man der Gastronomie unter die Arme greifen und auf 3G verzichten. https://www.ndr.de/nachrichten/mecklenburg-vorpommern/Corona-in-MV-Verlaengerte-Massnahmen-bis-27-April,coronavirus3470.html In MV üben AfD, CDU und FDP heftige Kritik an der Maßnahmenverlängerung und äußern in einer „erneut emotionsgeladenen Debatte erhebliche Zweifel daran, dass dieses Vorgehen mit den rechtlichen Vorgaben des Bundes vereinbar ist“. https://www.ndr.de/nachrichten/mecklenburg-vorpommern/Landtag-beschliesst-Verlaengerung-der-Corona-Massnahmen-in-MV,coronavirus6596.html

Es wird sich zeigen, wie sich die anderen Bundesländer entscheiden – und im weiteren Verlauf dann die Gerichte, die sicherlich wieder vielerorts involviert sein werden

5. Juristische Prozesse und Entscheidungen

Ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) in Deutschland vom Donnerstag, den 17.03.2022 kommt zu dem Schluss, dass Betroffene des Lockdowns, in diesem Falle Gaststättenbetreiber, keinen Anspruch haben auf staatliche Entschädigungen für Einnahmeausfälle, die über die gezahlten Corona-Hilfen hinausgehen. Der BGH in Karlsruhe wies die Revision eine Brandenburger Gastronoms zurück, der zusätzlich zu den Soforthilfen 27.000 Euro Schadensersatz gefordert hatte. Das Verfahren ist rechtskräftig abgeschlossen, möglich wäre nur noch eine Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht. Es ist davon auszugehen, dass sich in zahlreichen anderen, anhängigen Verfahren die Land- und Oberlandesgerichte jetzt analog dazu entscheiden werden. https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/bgh-corona-101.html

Am Dienstag, den 15.03.2022, fällt in Strasbourg am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ein bemerkenswertes Urteil im Fall CGAS (Communauté genevoise d’action syndicale, Gewerkschaftsbund Genf) gegen die Schweiz. https://hudoc.echr.coe.int/eng#{%22itemid%22:[%22001-216195%22]}. Aus Sicht des EGMR hat die Schweiz mit ihren versammlungsbeschränkenden Covid-Maßnahmen des Frühjahrs 2020 gegen Artikel 11 der Europäischen Menschenrechtskonvention verstoßen, also das Recht aller Menschen, sich friedlich zu versammeln und sich frei mit anderen zusammenzuschließen, einschließlich des Rechts, zum Schutze ihrer Interessen Gewerkschaften zu bilden und diesen beizutreten.

Das Urteil ist noch nicht final, während einer 90 tägigen Frist könnten bei Parteien noch beantragen, dass sich die Große Kammer des EGMR damit beschäftigt, dieser Forderung würde aber nicht automatisch stattgegeben. https://ellentimmer.com/2022/03/18/corona-42/#:~:text=The%20European%20Court%20of%20Human,measures%20to%20tackle%20COVID%2D19. Finale Urteile des EGMR sind für die betroffenen Staaten bindend und erfordern in der Regel eine Anpassung von Gesetzen und Verwaltungspraxis. „Die Rechtsprechung des Gerichtshofs macht die Konvention so zu einem lebendigen Instrument, um neuen Herausforderungen zu begegnen sowie Rechtstaatlichkeit und Demokratie in Europa zu festigen.“ https://www.coe.int/en/web/portal/gerichtshof-fur-menschenrechte  Der Bedarf dazu besteht, in den jetzigen Corona-Zeiten, und nicht nur in der Schweiz

In Frankreich wird am frühen Morgen des Dienstags, den 22.03.2022 in Paris eine bekannte, maßnahmenkritische Rechtsanwältin, Virginie de Araujo-Rechia, in ihrer Wohnung verhaftet und in Polizeigewahrsam genommen. Derzeit sei nicht bekannt, welche Taten ihr vorgeworfen werden. https://2020news.de/massnahmenkritische-rechtsanwaeltin-in-paris-verhaftet/ Die Anwältin hat mehrere Strafanzeigen gegen die Herausgeber von Medien oder gegen die Mitglieder der gemischten paritätischen Kommission, die den Impfpass für gültig erklärt hatte, eingereicht. Sie hat zudem gegen die Parlamentarier, die für das Gesetz, das eine Impfung für die Berufsausübung erforderlich macht, Klage eingereicht. Außerdem ist sie Teil des Anwaltskollektivs der Grand Jury https://www.grand-jury.net/ um die deutschen Rechtsanwälte Reiner Füllmich und Viviane Fischer, Gründer des Corona-Ausschusses, die sich an den Gerichtshof der öffentlichen Meinung wendet. Laut France Soir https://www.francesoir.fr/societe-faits-divers/lavocate-virginie-de-araujo-recchia-arretee-garde-a-vue arbeitete sie derzeit an einer Beschwerde gegen politische Parteien und die Machenschaften einiger ihrer Mitglieder. Die Präsidentschaftswahl in Frankreich steht kurz bevor.

Aber auch andernorts werden Maßnahmenkritiker ohne offensichtlichen Grund verhaftet, so in den Niederlanden am Mittwoch den 16.03.2022 der Naturwissenschaftler Willem Engel https://alschner-klartext.de/2022/03/18/es-wird-ernst-kritiker-werden-verhaftet/

6. Gesellschaftlicher Diskurs und Reaktionen

Trotz Impfplicht und Infektionsschutzgesetz auf der täglichen parlamentarischen Agenda in Berlin vom Mittwoch, den 16.03.2022, bis Freitag, den 18.03.2022, bleiben die Straßen von Berlin diesbezüglich weitgehend ruhig. Die erwarteten hohen Zahlen an Protestierenden bleiben aus, auch wenn an allen drei Tagen verschiedene Protestkundgebungen stattfinden. Unter anderem war aufgerufen worden zur „Demowoche der Demokratiebewegung“ https://www.berlinstehtauf.de/berliner-demowoche-ab-16-03-2022/, dies führte auch Nicht-Berliner vor das Brandenburger Tor. In Summe blieb der Protest aber schwach besetzt und auf verschieden Aktionen zersplittert, die Politiker „drinnen“ im Bundestag konnten ohne weiteres unbeeindruckt bleiben. https://www.berliner-zeitung.de/news/corona-proteste-tausende-demonstranten-in-berlin-erwartet-li.217659

Etwas anders dann am darauffolgenden Sonntag – der von Justizminister Marc Buschmann einstmals als “Freedom Day” avisierte 20.03.2022 sorgt für Enttäuschung und entsprechende Proteste in signifikanten Teilen der Bevölkerung. Denn die Bundesländer nutzen eine durch das Infektionsschutzgesetz ermöglichte 14-tägige Übergangsregelung, die Rückkehr zur Normalität verzögert sich also weiter. Die Entscheidung dazu war sogar bereits getroffen, bevor das Infektionsschutzgesetz am Freitag, den 18.03.2022 verabschiedet wurde, siehe die Aufstellung vom rnd (Redaktions-Netzwerk-Deutschland) am Mittwoch, den 16.03.2022https://www.rnd.de/politik/corona-so-setzen-die-bundeslaender-nach-dem-20-maerz-die-regeln-fort-BRNO6W7UPBBYFEHQZRAYTK4KWU.html

Nicht nur in Dresden fordern am Sonntag den 20.03.2022 Tausende das Ende aller Corona-Maßnahmen. Zu dem von „Querdenken 351“ organisierten Protest in Dresden berichtet BR24, die Kundgebung in der eigenen Landeshauptstadt München an diesem Tag, die ebenfalls eine große Zahl von Menschen auf den Königsplatz und die Straßen der Innenstadt bringt, wird allerdings verschwiegen. https://www.br.de/nachrichten/meldung/tausende-fordern-ende-aller-corona-massnahmen,300482e07

Nachdem bis vor kurzem noch die Berichterstattung zu den Protesten gegen Impfpflicht und Corona-Maßnahmen vor allem charakterisiert war durch eine Verunglimpfung der ihre Grundrechte einfordernden Bürger – bevorzugt als Querdenker, als rechts, als Nazis, als Schwurbler, als Leugner, Verschwörungstheoretiker oder als Esotheriker – scheint der journalistische Grundkonsens jetzt auf eine konsequente Nicht-Berichterstattung zu den Protesten umgeschwenkt zu sein.

Diese Art des beeinflussenden Journalismus wird aber von großen Teilen der Bevölkerung nicht geschätzt. https://www.tu-dortmund.de/nachrichtendetail/detail/glaubwuerdigkeit-des-journalismus-hat-in-der-pandemie-abgenommen-18675/ Eine aktuelle, repräsentative Publikumsbefragung des Instituts für Journalistik an der TU Dortmund, durchgeführt von dem Meinungsinstitut Forsa, zeigt: 41 Prozent der Bevölkerung sind der Meinung, die Glaubwürdigkeit des Journalismus habe durch die Corona-Berichterstattung abgenommen. Und mehr als ein Drittel der Befragten glaubt, der Journalismus sei meist abhängig vom Einfluss der Mächtigen aus Politik und Wirtschaft. Beunruhigende Aussagen, in einer Demokratie.

Laut der WELT vom Freitag, den 18.03.2022 steckt Deutschland fest in Angst und Falschinterpretationen, während zwei Jahre nach Beginn der Pandemie ein Land nach dem anderen zur Normalität zurückkehrt. Deutschland verharre in einem Zustand des Post-Faktischen, in dem von Politikern und Medien gleichermaßen Erkenntnisse, die nicht dem eigenen Interpretationsszenario entsprechen, geflissentlich ignoriert werden. https://www.welt.de/debatte/kommentare/plus237618105/Corona-Politik-Deutschlands-post-faktischer-Umgang-mit-dem-Virus.html

Als Beispiel genannt wird die durchaus wichtige Frage, inwieweit Kliniken mit Corona-Patienten oder durch Patienten, die als Nebendiagnose mit Corona diagnostiziert wurden, belegt sind. Laut Tobias Welte, Direktor der Klinik für Pneumologie der Medizinischen Hochschule Hannover, waren dort vor drei Wochen von 50 Corona-positiven Patienten 80 Prozent nicht an COVID-19 erkrankt, sondern lediglich positiv getestet, mittlerweile seien es 90 Prozent. Am Donnerstag, den 24.03.2022 berichtet dann dazu die WELT, dass von aktuell 1.500 als Covid-Patienten in den Helios-Kliniken gezählten Patienten 1.000 bei Aufnahme positiv getestet wurden, aber nicht deswegen in Behandlung sind. Bei den anstehenden Entscheidungen zu den Hot-Spots wird diese Unterscheidung aber nicht getroffen werden. https://www.welt.de/vermischtes/plus237758181/Helios-Kliniken-Grossteil-der-Covid-Patienten-nicht-wegen-Covid-hospitalisiert.htm 

Am Dienstag, den 22.03.2022 und am Mittwoch, den 23.03.2022 wird in der MDR Umschau und in der ARD bei Plusminus gleich zweimal innerhalb von einer Woche im öffentlich-rechtlichen Fernsehen über Impfschäden berichtet. Im Corona Blog wird dazu spekuliert: „Vielleicht denkt man sich, dass bei den ganzen Berichten über den Ukraine Krieg und den drohenden Wirtschafts-Kollaps durch einen Energiemangel, jetzt der Durchschnittsdeutsche mit diesen Themen so abgelenkt ist, dass man die Nebenwirkungen vorsichtig ansprechen kann.“ https://corona-blog.net/2022/03/25/ard-berichtet-ueber-impfschaeden-das-macht-einem-wirklich-angst/

Aus der Sportwelt kommt am Samstag, den 19.03.2022 ein Update zur Auflistung der deprimierenden Nachrichten: Die Liste der Spitzensportler und jungen Athleten, die nach ihren, nicht selten von Vereinen oder Verbänden für die weitere Karriere „empfohlenen“ Corona-Impfungen schwere Nebenwirkungen bis hin zum Tod erleiden, ist weiter angewachsen. In dem im Internet veröffentlichten „Adverse Reaction Report“ https://adversereactionreport.com/vaccine-injured/779-athlete-cardiac-arrests-serious-issues-500-dead-after-jab/, finden sich inzwischen mehr als 770 Herzattacken beziehungsweise plötzliche Herzstillstände weltweit, 500 Profisportler sind demnach auf der ganzen Welt zeitlich auffällig nahe nach einer Corona-Impfung, meist plötzlich, verstorben. Besonders viele Fälle wurden unter Basket- und Fußballern gemeldet.

Die These dazu: ein als Folge der Impfung entzündeter Herzmuskel muss in einem beanspruchten Sportlerherz täglich mehr leisten als der eines normalen Bürgers. Bei starker Anstrengung kommt es dann auch bei einem jungen, sportlichen Menschen zum Zusammenbruch, auch wenn dieser oder diese zuvor im Alltag davon gar nichts gemerkt hat. Plötzlich und unerwartet.

Bei der Berliner Feuerwehr, für die seit dem 15.03.2022 ebenfalls die einrichtungsbezogene Impfpflicht gilt, sind noch Hunderte von Feuerwehrleuten ungeimpft. Mit ihnen solidarisieren sich die geimpften Kollegen – bei der internen Erfassung der Impfdaten auf Listen verweigern etliche von ihnen „aufgrund ethischer Erwägungen und in Solidarität mit den ungeimpften Kollegen“ die Abgabe einer Erklärung über den Impfstatus, so die Berliner Zeitung am Mittwoch, den 23.03.2022 https://www.berliner-zeitung.de/news/berliner-feuerwehr-hunderte-sind-ungeimpft-li.218405

Aus Deutschlands Nachbarländern kommen positive Meldungen zur Freiheit und Normalität: In den Niederlanden werden die letzten Auflagen abgeschafft, auch das „Mondkapje“ fällt jetzt weg, sogar in Bus und Bahn, so die tagesschau.de am Mittwoch, den 23.03.2022: https://www.tagesschau.de/ausland/europa/niederlande-corona-lockerungen-101.html Schon seit Februar waren die Niederländer dem „ouwe normaal“, deralten Normalität, näher gerückt. Jetzt bleiben Empfehlungen, kein Zwang.

Italien beendet den Ausnahmezustand zum 31.03.2022, der „erweiterte Grüne Pass“ ist dann für weniger Aktivitäten obligatorisch und wird, laut Plan, schrittweise eingestellt: https://www.idealista.it/de/news/leben-in-italien/2022/03/17/112246-green-pass-und-corona-regeln-in-italien-was-sie-ab-dem-31-maerz-2022-wissen-muessen 

Nach Großbritannien kann man seit Freitag, den 18.03.2022 ohne Test einreisen, unabhängig vom Impfstatus – das Land hat sämtliche Corona-Einreisebeschränkungen gestrichen.

Warum in Deutschland dagegen die Zeichen nun auf Dauer-Ausnahmezustand im landesweiten Hot-Spot stehen, bleibt unbeantwortet.

ENDE