Chronik 7
Impfpflicht? Zwischen zwei Abstimmungen – # 07
Eine Corona-Chronik zu Wissenschaft, Kommunikation und Politik in einer zerrissenen Gesellschaft
Am Dienstag, 30. November 2021, spricht sich der da noch „zukünftige“ Bundeskanzler Olaf Scholz auf dem letzten von Angela Merkel geführten Bund-Länder Treffen für eine allgemeine Impfpflicht aus und kündigt zugleich an, dass bei der zukünftigen Abstimmung (hier: „Zweite Abstimmung“) im Bundestag dafür der Fraktionszwang entfallen solle.
Am Freitag, 10. Dezember 2021, beschließt der Bundestag (hier: „Erste Abstimmung“) den Gesetzentwurf von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP, der eine Impfpflicht für Gesundheits- und Pflegepersonal („einrichtungsbezogene Impfpflicht“) ab 15. März 2022 beinhaltet.
#Wir dokumentieren hier die Zeit „zwischen den Abstimmungen“, mit dem 30. November 2021 als Startpunkt. Das Ergebnis ist ungewiss, da die zweite Abstimmung noch nicht stattgefunden hat. Sicher ist, dass diese Zeit von der Nachwelt aufgearbeitet werden wird. Insofern möge die Chronik dazu beitragen, den Überblick in der Gegenwart zu behalten und eine Rückschau zu unterstützen. Zu welchem Urteil die Historiker wohl kommen werden?
#Wir beleuchten die Ereignisse systematisch anhand folgender Dimensionen
- Wissenschaftliche Erkenntnisse und Thesen
- News von Pharma/Biotech und Fachbehörden
- Kommunikative und mediale Höhepunkte
- Politische Entscheidungen und Maßnahmen
- Juristische Prozesse und Entscheidungen
- Gesellschaftlicher Diskurs und Reaktionen
#Wir sind zu zweit, weiblich, akademisch und beruflich qualifiziert in biomedizinischer Forschung und Industrie, in Politikwissenschaft, Ökonomie und Journalismus. Wir streben nach einer ausgewogenen Darstellung derjenigen Ereignisse, die wir entscheiden aufzugreifen. Wie in einer Chronik üblich, obliegt die Auswahl dem Chronisten.
Die Chronik findet sich on-line bei dem wir-gemeinsam Bündnis https://wir-gemeinsam-buendnis.de/chroniken/ sowie bei Eltern für Kinder e.V. http://elternfuerkinder.de/Corona-Chronik/, es können jeweils auch die vorherigen Einträge heruntergeladen werden. Zudem auf Medium https://medium.com/@sabine.kaiser – dort kann man auch „subscriben“.
Es folgt der Chronikeintrag #07, für die Zeitspanne vom 29.01.2022 bis zum 04.02.2022. Die Diskussion um die allgemeine Impfpflicht tritt wieder etwas in den Hintergrund. Stattdessen wird die beschlossene Impfpflicht im Gesundheitswesen zunehmend als undurchführbar thematisiert. Bereits jetzt haben schon zu viele MitarbeiterInnen ihre Kündigungen eingereicht. Pfizer/BioNTech kann die Ausweitung des Impfstoffeinsatzes auf Kleinkinder in USA und die vierte Impfung in Deutschland begrüßen. Allerdings werden auch die Stimmen der Kritiker, darunter viele Wissenschaftler, lauter und vielfältiger. Der globale Protest gegen die Maßnahmen nimmt weiter zu und Omicron führt bei immer mehr Ländern zu einem Richtungswechsel hin zur Beendigung der Maßnahmen und einem Pandemie-Exit.
Chronikeintrag #07 am 04.02.2022
- Wissenschaftliche Erkenntnisse und Thesen
Die Virologin Ulrike Protzer vom Institut für Virologie der Technischen Universität München und Helmholtz wird in der hier abgedeckten Periode gleich zweimal prominent in den Medien, insbesondere in Bayern, zitiert: zum Anfang der Woche mit ihrer neuen wissenschaftlichen Publikation, die belegen soll, dass ein Dreifach-Kontakt zu SARS-CoV-2 (davon maximal einmal per Infektion und mindestens zweimal per Impfung) das Optimum an Schutz biete. Am Ende der Woche wird sie dann mit ihrer Unterstützung für die vierte Impfung zitiert (s.u.).
Hier zunächst zur Publikation in der renommierten, wissenschaftlichen Zeitschrift Nature, https://www.nature.com/articles/s41591-022-01715-4, auf die das beteiligte Münchner Helmholtz Zentrum per Pressemitteilung am Dienstag, den 01.02.2022 hinweist: Laut Hemholtz belege das Team unter der Leitung von Ulrike Protzer mit der neuen Studie, dass das Immunsystem insgesamt drei Kontakte zum Spike-Protein als viralem Antigen brauche, damit sich neutralisierende Antikörper nicht nur in ausreichender Menge, sondern auch in hoher Qualität bilden. Das sei laut Studie in drei Konstellationen möglich: nach Dreifach-Impfung (Grundimmunisierung und Booster), nach Infektion und zweifacher Impfung sowie nach zwei Impfungen und einer Durchbruchsinfektion. https://www.helmholtz-munich.de/aktuelles/uebersicht/pressemitteilungnews/article/50322/index.html Andere Szenarien werden nicht untersucht.
In der Studie wurden 171 Freiwillige von Mitarbeitern des Klinikums „Rechts der Isar“ in München über zwei Jahre begleitet. Ein Teil von ihnen hatte sich bereits während der ersten Corona-Welle 2020 infiziert, später wurden beiden Gruppen Impfungen mit dem mRNA-basierten COVID-19-Impfstoff von Pfizer/BioNTech angeboten und sie wurden knapp zwei Jahre lang nachverfolgt. Die Forschenden bestimmten aus dem Blut der ProbandInnen mehrere Parameter: die Menge der Antikörper (IgG), die Stärke der Bindung zwischen Virus-Protein und Antikörper sowie die Fähigkeit von Antikörpern, SARS-CoV-2 Varianten in Zellkultur zu neutralisieren. Daraus wird gemeinhin die Stärke des Schutzes „in vivo“, also „in echt“, abgeleitet, ein eindeutiger Zusammenhang besteht aber nicht. Die T-Zell-Antwort als zweite Säule des Immunsystems wird mit diesem Herangehen beispielsweise gar nicht betrachtet. Die Frage ist also, was daraus für das „echte Leben“ folgt, und wie die Kommentare der Forscherin zu werten sind.
Laut Helmholtz sagt sie: „Unsere Studie zeigt, dass dreifach geimpfte Personen ohne vorige SARS-CoV-2-Infektion das Virus genauso gut neutralisieren können wie geimpfte Genesene oder geimpfte Personen, die eine Durchbruchsinfektion hatten. Damit wissen wir nun, dass eine durch Impfung aufgebaute beziehungsweise verstärkte Immunität zwar der wichtigste Schlüssel zu einem effektiven Schutz vor zukünftigen Varianten des Virus ist, aber auch eine Durchbruchsinfektion, auch wenn sie unschön ist, den Effekt einer zusätzlichen Impfung hat.“
Diese Schlussfolgerung ist in vielfacher Hinsicht angreifbar. Wissen wir wirklich, dass der Schutz durch unsere bisherigen Impfungen „der wichtigste Schlüssel (…) vor zukünftigen Varianten des Virus“ ist? Omicron hat doch gezeigt, dass auch die Dreifachimpfung nicht vor einer Infektion mit diesem veränderten Virus geschützt hat.
Eine alleinige „natürliche erworbene“ Immunität, nach einer Infektion und ohne darauffolgende Impfungen, wird in der Studie nicht untersucht – wäre es denn nicht interessant, auch darüber mehr zu wissen? Und darüber, wie sich diese Immunität im Vergleich zu den Impfungen hinsichtlich Omicron tatsächlich bewährt hat, bezüglich Ansteckungswahrscheinlichkeit, Verlauf etc.? Und was heißt eigentlich „Kontakt mit dem Virus“, was wäre mit mehrfachen, symptomlosen Kontakten, nach einer ersten Infektion am Anfang der Pandemie, die dann bei Omicron als quasi neuem Virus auch nur noch zu einem sehr leichten Verlauf oder vollständiger Immunität führen würden – wie viele dieser „Kontakte“ bräuchte man, und wie stellt man sie fest? Wird daran geforscht? Studien wie die von der Gruppe um Ulrike Protzer beantworten diese Fragen jedenfalls nicht.
Über eine retrospektive „Meta-Studie“, also die aggregierte Analyse einer größeren Anzahl bereits existierender Studien, von Forschern der Johns Hopkins University in Baltimore berichtet die Tagesschau online im Cornonavirus liveblog vom Dienstag, den 01.02.2022 https://www.tagesschau.de/newsticker/liveblog-coronavirus-dienstag-275.html#Studie. Es ging den Forschern darum, den Zusammenhang zwischen staatlichen Maßnahmen und ihrer gewünschten Auswirkung, die Reduktion einer durch Corona befürchteten Übersterblichkeit, zu ermitteln. In ihrer Studie kommen die Autoren zu dem überraschenden Ergebnis, dass die harten Lockdowns während der ersten Corona Welle in den USA und in Europa so gut wie keine Leben gerettet haben. In ihrer Zusammenfassung („abstract“) kommen sie zu folgendem, hier ins Deutsche übersetzten Ergebnis: „Während diese Metaanalyse zum Schluss kommt, dass Lockdowns wenig bis gar keine positiven gesundheitlichen Auswirkungen hatten, haben sie dort, wo sie verhängt wurden, enorme ökonomische und soziale Kosten verursacht. Daraus folgt, dass es keine Begründung für Lockdown Maßnahmen gibt und diese als Instrument der Pandemiepolitik verworfen werden sollten.“ https://sites.krieger.jhu.edu/iae/files/2022/01/A-Literature-Review-and-Meta-Analysis-of-the-Effects-of-Lockdowns-on-COVID-19-Mortality.pdf Klare Erkenntnisse und deutliche Worte, die hoffentlich zukünftig berücksichtigt werden.
- Pharma/Biotech und Fachbehörden
Am Montag, den 31.01.2022 hat Novavax endlich, nach vielen Verzögerungen, die Unterlagen für seinen gentechnisch hergestellten COVID-19-Proteinimpfstoff Nuvaxovid (siehe Chronik#02, Seite 4) zur Zulassung für Erwachsene bei der amerikanischen Zulassungsbehörde FDA eingereicht. Dies führt zu einem Anstieg des Aktienkurses um 8%, eine als dem Ereignis angemessen zu betrachtende Kursreaktion. Im letzten Jahr war es zu einem 59%igen Rückgang des Aktienkurses gekommen, ähnlich wie bei den anderen auf COVID-19 Impfstoffe spezialisierten Biotechnologiefirmen, also auch Moderna und BioNTech
https://www.fiercepharma.com/pharma/covid-tracker-pfizer-biontech-moderna-vaccine-johnson-johnson-fda-booster-shot-antiviral?utm_source=email&utm_medium=email&utm_campaign=LS-NL-FierceBiotechResearch&oly_enc_id=7010E1572889I6B. Interessant, dass die EMA, also die europäische Zulassungsbehörde, dem Novavax Impfstoff bereits am 20.12.2021 die bedingte Zulassung erteilt hatte – bei der Zulassung des Proteinimpfstoffs ist Europa den USA also deutlich voraus, obwohl es sich bei Novavax um ein US-amerikanisches Biotech-Unternehmen handelt.
Bei Moderna und Pfizer/BioNTech sieht das aber ganz anders aus. Das Biotechnologieunternehmen Moderna erhält ebenfalls am Montag, den 31.01.2022 seitens der FDA für die USA die vollständige Zulassung für Menschen ab 18 Jahren für seinen COVID-19 mRNA Impfstoff Spikevax, der ursprünglich am 18.12.2020 in den USA die Notfallzulassung erhalten hatte. Damit zieht Moderna in den USA zulassungstechnisch mit Pfizer/BioNTech gleich, die die vollständige, reguläre Zulassung für ihren mRNA Impfstoff in den USA bereits im August 2021 erhalten hatten und zuvor ebenfalls unter einer Notfallzulassung auf dem Markt gewesen war. Keines der beiden Unternehmen hat in Europa von der EMA bisher eine reguläre Zulassung erhalten.
Pfizer/BioNTech hatten zu ihrem Impfstoff Corminaty in 2021 der EMA die Antwort auf Nachfragen verweigert und daraufhin auch gar keinen Antrag auf reguläre Zulassung gestellt, sondern die bedingte Zulassung um ein weiteres Jahr quasi für 2022 verlängert bekommen. Moderna hatte einen empfindlichen Rückschlag hinnehmen müssen, als in Deutschland RKI und STIKO im November 2021 die Impfempfehlung, die zunächst für Erwachsene gegolten hatte, aufgrund des hohen Nebenwirkungsrisiko bei jungen Menschen zurücknahmen und den Impfstoff seitdem nur noch für über 30-Jährige empfehlen https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2021/46/Art_02.html Von außen betrachtet ist es nicht nachvollziehbar, warum die Zulassungsentscheidungen und Impfempfehlungen in USA und Europa so unterschiedlich ausfallen, da die vorgelegten Datenpakete und die wissenschaftliche Entscheidungslogik vergleichbar sein sollten.
Steigerungen sind jedoch immer noch möglich. Am Dienstag, den 01.02.2022, gibt es eine Pressemitteilung von Pfizer/BioNTech, in denen diese berichten, einen Zulassungsantrag für Babies bzw. Kleinkinder von sechs Monaten bis zu fünf Jahren in den USA bei der FDA eingereicht zu haben https://www.pfizer.com/news/press-release/press-release-detail/pfizer-and-biontech-initiate-rolling-submission-emergency. Dabei streichen das Unternehmen und auch die wiedergebenden, deutschen Medien, heraus, dass die FDA das Unternehmen darum gebeten habe („following request from the FDA“). Tageschau.de formuliert folgendermaßen https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/biontech-corona-impfstoff-kinder-usa-101.html: In einem „außergewöhnlichen Schritt“ habe die Behörde die Unternehmen BioNTech und Pfizer dazu aufgefordert, den Antrag früher zu stellen als von den Unternehmen geplant. „Einen sicheren und wirksamen Impfstoff für Kinder in dieser Altersgruppe zur Verfügung zu haben, hat für die Behörde Priorität, und wir setzen uns für eine rechtzeitige Prüfung der Daten ein, um welche die Behörde Pfizer angesichts des jüngsten Omikron-Fallanstiegs gebeten hat“, habe die FDA mitgeteilt.
Offen sei noch, wie viele Spritzen des Impfstoffs benötigt werden. Albert Bourla, der CEO von Pfizer, geht aber in seinem Pressestatement bereits davon aus, dass es letztlich drei Impfungen sein werden. In der laufenden, kombinierten „I/II/III Studie“ (normalerweise benötigt jede Phase eine eigene Studie, in Phase III wird dann die Wirksamkeit des Medikaments oder Impfstoffes bewiesen) ging es bisher um „safety“ (Sicherheit), „tolerability“ (Verträglichkeit) und „immunogenicity“ (immunstimulierende Wirkung)”, getestet bei zwei Injektionen. Offenbar hatten sich die Tests bei zwei Impfungen zwar als „stark genug“ für Babys, aber nicht für Vorschulkinder erwiesen, deswegen wird jetzt in einer Abwandlung des Studienplans in den nächsten Wochen auch noch eine dritte Dosis getestet.
Dieses Vorgehen wird, laut der Süddeutschen Zeitung vom Donnerstag, den 03.02.2022 unter Berufung auf die New York Times, vom Mediziner und Impfstoffentwickler Paul Offit vom Kinderkrankenhaus in Philadelphia, kritisiert: „Es ergibt keinen Sinn, eine Zweifachimpfung zuzulassen in der Erwartung, dass eine dritte Spritze die Mängel der zwei Dosen ausgleichen könnte.“ Es ist zulassungstechnisch zweifelsohne ein ungewöhnliches Vorgehen. Um „efficacy“ = Wirksamkeit geht es ohnehin nicht, diese muss zur Zulassung hier nur indirekt „nachgewiesen“ werden, über die in LaborAsssays untersuchte Stimulierung des Immunsystems zur Antikörperproduktion.
Die NY Times zitiert Scott Gottlieb, Board Member bei Pfizer seit dem 27.07.2019 sowie Chef der FDA von 2017 bis April 2019, dass der Impfstoff schon im März bei den Kleinsten zum Einsatz kommen könne. https://www.nytimes.com/2022/01/31/us/politics/children-covid-vaccine.html Auf die fragliche Logik zur Argumentation der Sinnhaftigkeit – den Impfstoff gegen den Wuhan-Typ des Virus zum Einsatz bei Babies und Kleinkindern zu bringen, wenn die Omicron-Welle bereits durchgelaufen sein wird, einen Impfstoff, der gegen Omicron kaum geholfen hat, auf Basis fehlender Wirksamkeitsdaten und fehlender Langzeitstudien zu Nebenwirkungen in einer Altersgruppe, die generell kaum Probleme mit dem Corona-Virus hat – soll an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden. Man beachte vielmehr die „ungewöhnliche“ symbiotische Beziehung zwischen der Aufsichtsbehörde FDA und dem Unternehmen, das sie beaufsichtigen soll. Die FDA bittet das Unternehmen, sein Produkt möglichst schnell auf den Markt zu bringen? Das absolute Traumszenario eines jeden Pharma-/Biotechunternehmens.
Ohnehin ist Pfizer unverändert phantastisch aufgestellt, um von der Corona-Pandemie weiter zu profitieren: Wie am Montag, den 31.01.2022 von der Nachrichtenagentur Reuters berichtet, ist das orale Pfizer Medikament Paxlovid aktuell die gefragteste Therapieoption bei einer COVID-19-Infektion, gefolgt von zwei intravenösen Antikörpertherapien, von GlaxoSmithKline und Vir Biotechnology. Die zeitgleich zu Paxlovid entwickelte, orale Therapie von Merck (Molnupiravir) kommt hingegen kaum zum Einsatz. https://www.reuters.com/business/healthcare-pharmaceuticals/mercks-covid-pill-is-last-choice-us-patients-global-use-varies-2022-01-31/
Auch die Ankündigung der STIKO in Deutschland am Donnerstag, den 03.02.2022, eine vierte Impfung mit den mRNA Impfstoffen zu empfehlen, wird bei Pfizer/BioNTEch positiv registriert werden. Empfohlen wird sie „für gesundheitlich besonders gefährdete und exponierte Gruppen“, also für Menschen ab 70 Jahren, Menschen in Pflegeeinrichtungen, Menschen mit Immunschwäche ab fünf Jahren sowie Beschäftigte in medizinischen Einrichtungen und Pflegeeinrichtungen. Bei gesundheitlich gefährdeten Menschen solle diese frühestens drei Monate nach der ersten Boosterung (= dritten Impfung) erfolgen, Personal in medizinischen und pflegerischen Einrichtungen sollen den zweiten Booster frühestens nach sechs Monaten erhalten. Zur Erinnerung: „Empfehlung“ der STIKO ist gleichbedeutend mit Sanktionen (keine Lohnfortzahlungen im Falle einer Quarantäne) für diejenigen, die sich nicht an die Empfehlung halten. Dies würde dann die Beschäftigten im Gesundheitswesen treffen, die der Doppel-Booster-Empfehlung nicht folgen wollen, und für die ohnehin ab 15.03.2022 die Impfpflicht gelten soll.
Aus der Pressemitteilung der STIKO erfährt man zum Hintergrund der Empfehlung, dass der Schutz durch die „erste Auffrischimpfung“ schnell wieder abnimmt, deswegen wird eine weitere empfohlen. Dann stellt sie fest, „dass die Datenlage zur Effektivität und zur Sicherheit einer zweiten Auffrischimpfung noch limitiert ist. Es wird jedoch angenommen, dass die zweite Auffrischimpfung ähnlich gut verträglich ist wie die erste Auffrischimpfung“. https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/STIKO/Empfehlungen/PM_2022-02-03.html Also zusammengefasst, laut STIKO: Keine Daten, Prinzip Hoffnung.
In der Presse erfährt man auf verschiedenen Kanälen von der Begründung. Die STIKO „stütze ihre Argumentation auf aktuelle Daten aus Israel. Danach bestehe nach der vierten Impfung ein Schutz vor Infektion, der doppelt so gut sei wie nach der dritten Impfung. Der Schutz vor einer schweren Erkrankung sei in der Gruppe der zunächst geimpften über 60-Jährigen sogar drei- bis fünfmal so hoch.“ https://www.rnd.de/gesundheit/faq-vierte-booster-impfung-wann-wer-und-welche-nebenwirkungen-UQBGT7V5IFCOTDDXBSKIA63IHM.html In BR24, Thema des Tages, sagt die Leiterin des Instituts für Virologie an der TU München, Ulrike Protzer, dass „Daten aus Israel zeigten, dass das etwas bringe. Es steigere den Schutz vor Erkrankungen noch einmal um das Zwei- bis Dreifache“. Dann räumt sie aber ein, dass „die Datenlage insgesamt für die vierte Impfung noch relativ dünn sei. Sie glaube deshalb nicht, dass der zweite Booster bald für alle empfohlen wird“. https://www.br.de/nachrichten/meldung/virologin-protzer-begruesst-stiko-empfehlung-zu-vierter-impfung,300465651
Dass die zitierten Daten aus Israel existieren, bzw. so interpretiert werden können muss bezweifelt werden. Der Blick in die internationale Presse, in dem Fall in die USA, zeigt eine andere Wahrnehmung der Situation in Israel. So z.B. CNN am 17.01.2022: Die Viertimpfung führt zu einer Boosterung der Antikörper, aber vermutlich unzureichend, um Omicron Durchbruchsinfektionen zu verhindern“ https://edition.cnn.com/2022/01/17/health/israel-fourth-dose-early-data/index.html; oder die New York Times am 18.01.2022, hier wird aufgezeigt, dass die vierte Impfdosis die Antikörper auf das Fünffache boostert (in Chronik#04, Seite 4 hatten wir berichtet, die Studienleiterin Gili Regev spricht von einem fünffachen Anstieg der Antikörperspiegel, der kurz danach wieder auf demselben Antikörperniveau sei wie nach der dritten); dass sich aber kein nennenswerter Schutzeffekt vor Ansteckung in einer kleinen Studie mit 154 viertgeimpften Beschäftigten im Gesundheitswesen im Vergleich zu einer Kontrollgruppe zeigt. Siehe auch Chronik#05, Seite 9 und 10, zur Kommunikation innerhalb Israels, dass die vierte Impfung nichts bringt, sowie zur Kritik von Professor Ehud Qimron an seiner Regierung. Falls es sich hier um Vorspiegelung falscher Tatsachen zur Begründung einer gewünschten Empfehlung einer Regierungsbehörde handeln sollte, wäre das ein weiterer Tiefpunkt der Pandemie.
Aufhorchen lässt hierzu inzwischen auch eine Statistik der John-Hopkins-Universität, welche zeigt, dass die im Zusammenhang mit COVID-19 berichteten Todesfälle in Israel nach einem Abflachen im Sommer und zuletzt nach der Jahreswende derzeit dramatisch in die Höhe schnellen, auf ein Niveau höher als bei der Winter-Corona-Welle vor einem Jahr – und dass, obwohl die meisten Israelis inzwischen ein bis zwei Covid-Impfungen mehr haben als damals, und obwohl aus anderen Ländern überwiegend milde Verläufe und kaum Todesfälle bei Omicron berichtet werden https://coronavirus.jhu.edu/region/israel.
Die oben genannten Pressemeldung der STIKO vom Donnerstag, den 03.02.2022 enthält auch noch die Empfehlung für Nuvaxovid, den Novavax Impfstoff: „Seit dem 20. Dezember 2021 ist der Impfstoff Nuvaxovid des Herstellers Novavax in der EU zugelassen. Die STIKO empfiehlt den Impfstoff zur Grundimmunisierung von Personen ab 18 Jahren. Hierbei sind zwei Impfstoffdosen im Abstand von mindestens 3 Wochen zu geben. Die Anwendung von Nuvaxovid während der Schwangerschaft und Stillzeit wird zum jetzigen Zeitpunkt nicht empfohlen.“ Und weiter: „Aussagen zur klinischen Wirksamkeit gegen die Omicron-Variante können aktuell noch nicht getroffen werden.“ Sowie: „Die STIKO stellt fest, dass die Datenlage zu Nuvaxovid noch limitiert ist.“
Nuvaxovid ist ein gentechnisch hergestellter Protein-Impfstoff auf Basis des Spike-Proteins, das in Form sogenannter virusähnlicher Partikel (Virus Like Particles) zusammen mit einem patentierten, proprietären Wirkverstärker (Adjuvans) der Firma Novavax injiziert wird. https://www.gelbe-liste.de/wirkstoffe/SARS-CoV-2-Spike-Glycoprotein-trimer-NVX-CoV2373_56346 Wie auch bei den anderen, bereits in Europa auf dem Markt befindlichen Impfstoffen, stimuliert dies die Produktion von körpereigenen Antikörpern gegen das Spike-Protein des ursprünglichen Corona-Virus-Typs aus Wuhan. Über die Abwehrwirkung hinsichtlich Omicron ist nichts bekannt. Ob und welche Virusvariante im Herbst zirkulieren wird, ist naturgemäß ebenfalls noch nicht bekannt.
Ob die Impfung mit Nuvaxovid nun zum jetzigen Zeitpunkt sinnvoll ist oder nicht – mit zwei Impfungen im Abstand von nur drei Wochen kann jetzt ein noch nicht Geimpfter „zurück ins System“ und gilt dann solange als vollständig geimpft, bis die Pflicht zur Boosterung greift. Es bleibt abzuwarten, wie groß die Resonanz sein wird.
- Kommunikative und mediale Höhepunkte
Am Samstag, den 29.01.2022, erläutert in Österreich die Leiterin der Bioethik-Kommission, Christiane Druml, dass „die Covid-19-Impfpflicht der Startschuss für einen neuen Anlauf sein könnte, Menschen besser gegen überflüssige Krankheiten wie Masern, Keuchhusten oder Influenza zu schützen – auch mittels Impfpflichten“. Die Idee des COVID-19-Influenza Kombiwirkstoffes folgt umgehend, sowie der Verweis auf Deutschland, das mit der Pflicht zur Masernimpfung Österreich voraus sei. Nach der Impfpflicht ist auch vor der Impfpflicht. https://www.profil.at/oesterreich/druml-startschuss-fuer-weitere-impfpflichten/401887859
Wir hatten in Chronik 6 (Seite 9) berichtet über die Frageliste der vier Chemie-Professoren an den BioNTech-CEO Ugur Sahin vom 20.01.2022, die Berliner Zeitung hatte der Initiative am 26.01.2022 medialen Raum geboten. Am Dienstag, den 01.02.2022 veröffentlicht die Zeitung dann die Replik der Professoren auf die Antwort, die sie von BioNTech erhalten hatten. Mittlerweile sind es nicht mehr vier,sondern fünf Professoren, da sich auch Prof. Dr. Tobias Unruh, Physik der kondensierten Materie, der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, der Initiative der kritischen Wissenschaftler angeschlossen hat.
Die Antwort von BioNTech ist nach Sicht der Professoren unbefriedigend. Die Berliner Zeitung druckt ihre Replik im Wortlaut ab: https://www.berliner-zeitung.de/gesundheit-oekologie/chemiker-an-biontech-diese-antwort-finden-wir-etwas-irritierend-li.209451 Zudem hatte die Zeitung bei BioNTech direkt um Beantwortung der drei aus eigener Sicht wichtigsten Fragenkomplexe gebeten und veröffentlicht die Antworten dazu im Wortlaut https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/biontech-antwortet-zu-impfstoff-eindruck-einer-leichten-faerbung-normal-li.208786
Die aufgegriffenen Fragen der Zeitung an BioNTech waren:
1.) „Die Chemiker sind besorgt über die Angabe, dass die Dispersion „grau“ sein könne. Sie sehen darin ein mögliches Problem der Reinheit. Wie sieht BioNTech dies?“
2.) „Weiters fragen die Professoren nach der Qualitätssicherung bei der mRNA-Methode, so dass sichergestellt ist, dass keine Qualitätsmängel auftreten? Welche Erkenntnisse liegen Ihrem Unternehmen dazu vor?“
3.) „Die Professoren wollen Aufklärung darüber, dass es unterschiedliche Nebenwirkungen bei unterschiedlichen Chargen gibt. Liegen darüber Erkenntnisse vor bzw. wurden von Ihnen dahingehend Studien durchgeführt?“
Die Antworten von BioNTech sind unbefriedigend. Zu 3.) zieht sich das Unternehmen z.B. darauf zurück, dass diese Behauptung ohne Quellenangabe gemacht worden sei und „bis heute BioNTech keine Chargen-spezifischen Nebenwirkungsmeldungen bekannt seien“. Die Professoren antworten darauf wie folgt: „Diese Antwort finden wir etwas irritierend. Unsere Information haben wir von der Internetseite „How bad is my batch“ (https://howbad.info/) welche, wie es dort angegeben ist, auf Daten der VAERS-Datenbank basiert (offizielles Reporting System des amerikanischen Gesundheitswesens für durch Impfstoffe ausgelöste bzw. im Kontext der Impfung beobachtete Nebenwirkungen: Vaccine Adverse Event Reporting System https://vaers.hhs.gov). Dabei findet man eine gewisse Häufung von Nebenwirkungen bei bestimmten Chargennummern. Wir wollten nur wissen, ob die dort gelisteten Daten valide sind und ob analoge Daten auch von BioNTech im Rahmen der Pharmakovigilanz nach Chargennummern erhoben werden. Solche Daten werden sicherlich im Rahmen der aktuell laufenden klinischen Studie III erhoben, vor allem auch für die schon bekannten Nebenwirkungen wie z.B. Myokarditis. Diese Nebenwirkung ist ja auch im Beipackzettel gelistet. Werden solche Daten auch für Deutschland erhoben? Gibt es hier auch Chargen, bei denen mehr oder weniger häufig Nebenwirkungen auftreten? Welche Untersuchungen hinsichtlich der Ursachen der Nebenwirkungen werden durchgeführt bzw. sind geplant?“
Das Fazit der Professoren: „Die bisher gegebenen Antworten von BioNTech werfen leider aktuell noch mehr Fragen auf, als sie Antworten liefern. Drängende Fragen bezüglich der Nebenwirkungen der Impfstoffe und deren Ursachen bleiben immer noch ungeklärt.“ Und weiter: „Unserer Ansicht nach sind kritische Fragen und transparente Antworten im Sinne der Sorgfaltspflicht unabdingbar, gerade in einem solchen Fall einer nur bedingten Zulassung, von der dennoch praktisch jeder betroffen ist. Gerade weil wir Impfstoffe und Arzneimittel für bedeutende Säulen der Medizin erachten, ist eine sorgfältige Prüfung von Effektivität und Sicherheit Grundvoraussetzung für deren Einsatz; selbstverständlich ist darin auch eine ausgezeichnete Qualität des Impfstoffs sowie Transparenz der Qualitätskontrolle eingeschlossen.“
Die Aktivität der fünf Professoren, die durch die Berichterstattung einer unabhängigen Zeitung – der Berliner Zeitung – überhaupt erst publik werden konnte, verbreitert den wissenschaftlichen Diskurs auf eine in den zwei Jahren der Pandemie noch nicht erlebte, ermutigende Art und Weise. Bisher wurde „die Wissenschaft“ zu Corona gegenüber der deutschen Öffentlichkeit durch wenige Persönlichkeiten, die oft zugleich in beratender Funktion im engen Kontakt mit Regierung und Behörden stehen, repräsentiert. Es gibt in „der Wissenschaft“ aber auch zu Corona vielfältige Kompetenzen und eben auch z.B. Impfstoff-kritische Stimmen aus unterschiedlichen Disziplinen, von Kinderärzten bis zu Chemikern. Viele bekamen aber bisher kein Gehör bzw. wurden für die Verbreitung angeblicher „fake news“ abgestraft. „Offene Briefe“, egal wie viele kompetente Unterzeichner darunter stehen, brauchen eine mediale Plattform, um gehört zu werden. Sie kommen ja in der Regel gerade dann zum Einsatz, wenn der Adressat kein Interesse an einem inhaltlichen Diskurs hat und kritischen Argumenten gegenüber bislang nicht zugänglich war.
BioNTech reagiert auf das erneute Nachfassen der Professoren jedenfalls zumindest zeitnah. Die Berliner Zeitung berichtet am Freitag, den 04.02.2022 von der Antwort einer Sprecherin des Unternehmens, die zur Frage, weshalb die von der EMA verfügten Auflagen bisher nicht erfüllt seien, geantwortet habe: „Die Aussage ist falsch. Die Auflagen wurden erfüllt. Das hat die EMA uns gegenüber sowie anderen Verbänden wie dem vfa kürzlich erneut bestätigt.“ Zur Frage, ob es bei bestimmten Chargen gehäuft auftretende Nebenwirkungen gäbe, wie dies aus der VAERS-Datenbank der US-Gesundheitsbehörde CDC hervorgeht, sagte die Sprecherin unter Verweis auf die Datenbanken von Pfizer und BioNTech: „Bis heute sind Biontech keine chargenspezifischen Nebenwirkungen bekannt.“ https://www.berliner-zeitung.de/coronavirus/biontech-keine-chargenspezifischen-nebenwirkungen-bekannt-li.209996
Die neue Bundesregierung wiederum hatte im Dezember 2021 einen 19-köpfigen, mit Vertretern verschiedenen Disziplinen zusammengesetzten Corona- Expertenrat installiert, als Unterstützung zur Entscheidungsfindung zum Umgang mit der Pandemie. Das erste Mal war dieser am 14.12.2021 zusammengetreten und hatte, unter hohem Zeitdruck, eine erste, alarmierende Gefahreneinschätzung der damals neuen Omicron-Variante vorgenommen (siehe Chronik #02, Seite 7). Dies hatte zur Verabschiedung neuer, verschärfender Maßnahmen geführt, die nach Weihnachten in Kraft gesetzt wurden. In der Folge war eher wenig von dem Rat zu hören gewesen. Mit seiner 5. Stellungnahme am Sonntag, den 30.01.2022 erregt das Gremium nun mehr Aufmerksamkeit in der breiteren Öffentlichkeit. https://www.bundesregierung.de/resource/blob/997532/2002168/ea5301f932dafa791129440858746e0a/2022-01-30-fuenfte-stellungnahme-expertenrat-data.pdf?download=1 Der Untertitel lautet: „Zur Notwendigkeit evidenzbasierter Risiko- und Gesundheitskommunikation“.
Darin wird empfohlen, nachhaltige Kommunikationsstrukturen zu schaffen, die auch im Wettbewerb mit den vielen dezentralen und aus Sicht des Expertenrats oft intransparenten Quellen bestehen. Wörtlich heißt es: „Jede Kommunikationskampagne steht heute im Wettbewerb mit Falsch- und Desinformationen. Aufgabe einer effektiven Kommunikations- und Informationsstrategie ist deshalb auch, diese zu identifizieren, zu bewerten und fachgerecht und verständlich zu entkräften. …. Hier ist internationale Vernetzung und die Zusammenarbeit mit anderen nationalen und internationalen Gesundheitsorganisationen essentiell.“ Gefordert wird auch eine genaue Analyse der Informationskanäle verschiedenster Bevölkerungsgruppen: „Die zielgruppengerechte und inhaltliche Planung soll das Wissen aus der Beobachtung verhaltensrelevanter Aspekte und der (sozialen) Medien sowie partizipativen Ansätzen mit einbeziehen (z.B.: Wer lehnt Impfungen aus welchen Gründen ab? Wer muss mit welchen Inhalten besonders erreicht werden? Wer informiert sich wie aus welchen Quellen?).“ Soweit möglich, sollen „konkrete Entscheidungshilfen“ angeboten werden …Eine solche Kommunikationsstruktur zu schaffen sei wichtig, auch in Hinblick auf andere (als die Corona-Pandemie) „kollektive und globale Gesundheitskrisen, auf die die Gesellschaft reagieren muss“.
Unseres Erachtens und eben genau in Hinblick auf die aktuellen Erfahrungen mit dem Umgang mit Kritikern der Corona-Maßnahmen birgt eine solche von regierungsseitigen Expertengremien initiierte, geplante und gesteuerte Regierungskommunikation die Gefahr, zukünftig jegliche kritische oder abweichende Stimme noch effektiver zu unterbinden. Damit wäre die für Demokratien so essenzielle Meinungsfreiheit unter der angeblichen Rechtfertigung gesellschaftlichen Gesundheitsrisiken weitgehend unterbunden. Dies ließe sich im nächsten Schritt analog auf weitere kritische Themen erweitern, immer dann, sobald man ein „Bedrohungsszenario“ postulieren kann. In Hinblick auf unsere demokratischen Grundprinzipien lässt dieser Vorschlag des Expertengremiums nichts Gutes erahnen.
Neben dieser grundsätzlichen Dimension wird die Stellungnahme des Expertenrats auch als Kritik an der Bundesregierung und an Gesundheitsminister Karl Lauterbach verstanden, so z.B. das Handelsblatt Morning Briefing am Montag, den 31.01.2021: „Corona-Expertenrat auf Distanz zu Lauterbach“. Tatsächlich geht es in der gesamten Stellungnahme ausschließlich um eine Empfehlung an die Regierung zur Kommunikation an die eigene Bevölkerung in Gesundheitsfragen. Im Expertenrat selbst ist allerdings unter den 19 Experten nur eine Person dieser Fachrichtung vertreten, eine Professorin zur Gesundheitskommunikation – vermutlich hatte die Regierung keine umfangreiche Kritik und Empfehlungen in diese Richtung erwartet.
Man kann en detail noch Vieles aus dieser Stellungnahme herauslesen, je nach eigener Perspektive. Beispielsweise den Hinweis darauf, dass bisher keine koordinierte, und den Kriterien des Expertenrates genügende „reaktionsschnelle, evidenzbasierte, zielgruppen-und nutzerspezifische Risiko- und Gesundheitskommunikation“ stattfindet, bzw. dass derzeit Behörden und Ministerien nur Teile davon umsetzen. Oder auch, dass die Ziele „Aufklärung und nicht Werbung oder Persuasion („Überreden“) sein sollen. Dann wird der „systemisch geduldete Mangel an Daten“ in Deutschland kritisiert, der in anderen Ländern nicht so besteht, dies erschwere die wissenschaftliche Analyse und Bekämpfung der Pandemie, und, wenig überraschend, die mangelhafte Digitalisierung im Gesundheitssystem in Deutschland, ein Lieblingsthema des Expertenrates, das auch in der vierten Stellungnahme thematisiert worden war. Siehe auch https://www.zdf.de/nachrichten/politik/corona-expertenrat-fuenfte-stellungnahme-100.html. Offen bleibt in dieser Stellungnahme aber die Frage nach inhaltlichen Handlungsempfehlungen an die Bundesregierung, z.B. zur gerade an Fahrt aufnehmenden Diskussion zu Lockerungen der Maßnahmen und zum Übergang in eine endemische Phase.
Am Sonntag, den 30.01.2022 arbeitet Bayerns Ministerpräsident Markus Söder weiter an seiner Metamorphose vom Hardliner zum Öffner. Während in Nürnberg und München wieder tausende Menschen gegen die Corona-Politik und die Impfpflicht demonstrieren, plädiert er in der Tagesschau für die baldige Aussicht auf Lockerungen. Wenn es keine Überlastung der Krankenhäuser gebe, müssten Freiheiten an die Bürger zurückgegeben werden. https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/soeder-bab-corona-101.html
Am Vortag hatte er gegenüber der Welt bereits„ein neues Bewertungssystem, das sich an der Belegung der Krankenhausbetten orientierensollte“, gefordert. Die bisher im Fokus stehende Sieben-Tage-Inzidenz verliere in der laufenden Omicron-Welle auch wegen mangelnder Testmöglichkeiten ihre vorwarnende Wirkung. „Nur so erfahren wir, ob dasGesundheitssystem stabil bleibt – oder ob eine Überlastung droht.“ https://www.welt.de/politik/deutschland/article236551199/Pandemie-Markus-Soeder-fordert-neues-bundesweites-Corona-Warnsystem.html
Allerdings gab es diesen Ansatz ja bereits – eine „Krankenhaus Ampel“ war im Sommer 2021 in Bayern eingeführt worden, damals hatte man die Inzidenz als Richtschnur bereits mehr oder minder beerdigt. Von einem „neuen Kapitel“ in der „Balance von Sicherheit und Eigenverantwortung“ hatte Markus Söder damals gesprochen, wie die Süddeutsche Zeitung am Donnerstag, den 03.02.2022 rekapituliert. Mit der Herbstwelle und in der darauffolgenden Infektionsschutzverordnung entfiel der Ampel-Passus dann aber bereits wieder. Jetzt fordert Markus Söder also quasi die „Omicron-Ampel“, sieht aber im Unterschied zum Sommer nun primär den Bund in der Pflicht.
Am Mittwoch, den 02.02.2022 gibt sich Markus Söder dann sogar reumütig. Bayern hatte lange Corona-Inzidenzen falsch angegeben. Nun verspricht der Ministerpräsident Bayerns „Transparenz in den Zahlen“. Zukünftig soll auch genau unterschieden werden, ob jemand mit oder wegen Corona ins Krankenhaus kommt. „Das wird festgestellt. Hieraus ergibt sich dann die Belastung“, zitiert die Welt. Diese Differenzierung nehme deutlich Bezug auf die Vorwürfe, Bayern habe beim Status seiner Patienten nicht genau genug unterschieden. Söder wolle sich einen solchen Vorwurf nicht noch einmal gefallen lassen.
Während Markus Söder versucht, sich erneut an die Spitze der Ministerpräsidenten zu stellen, diesmal als Öffnungs- und Lockerungsbefürworter, schwenkt in der Bundesregierung bisher lediglich die FDP auf den Kurs einer vorsichtigen Lockerung ein. Bundesjustizminister Marco Buschmann stellt am Mittwoch, den 02.02.2022 für März erste Lockerungen in Aussicht, falls wahr wird, was Experten prognostizieren – dass ab Mitte Februar die Fallzahlen deutlich rückläufig sein werden. Bund und Länder wollen am 16.02.2022 erneut über die Corona-Lage sprechen. https://www.tagesschau.de/inland/coronavirus-debatte-lockerungen-101.html
Der Chef der Arbeitsagentur, Detlef Scheele, sieht bei Einführung einer allgemeinen Corona-Impfpflicht auch Konsequenzen für Arbeitslose: Für Ungeimpfte könnte das Arbeitslosengeld eine Zeitlang wegfallen. Wenn „Arbeitgeber einen Bewerber ablehnen, weil er nicht geimpft oder genesen ist, müsste auch die Bundesagentur „prüfen, ob eine fehlende Impfung zu einer Sperrzeit führt“. https://www.welt.de/politik/deutschland/article236568843/Fuer-Ungeimpfte-koennte-das-Arbeitslosengeld-wegfallen.html Ex-Bild-Chefredakteur Julian Reichelt findet für diesen Vorstoß bei Twitter klare Worte: „Was hier vorgeschlagen wird, heißt übersetzt, Ungeimpfte (und ihre Kinder) auszuhungern, bis sie sich impfen lassen. Wie weit ist es in unserem Land gekommen, dass ein Behördenchef solche monströsen Unmenschlichkeiten verbreiten darf, ohne sofort entlassen zu werden?“ https://twitter.com/jot_witte/status/1487851179396804611/photo/1
Die Bundesregierung räumt am Dienstag, den 01.02.2022 auf eine Anfrage von Business Insider ein, dass die beschlossene, einrichtungsbezogene Impfpflicht im Gesundheitssektor ab Mitte März nicht konsequent umgesetzt werden kann. Ungeimpfte könnten vorerst weiterhin in Kliniken und Pflegeeinrichtungen arbeiten, bis das Gesundheitsamt ein Tätigkeitsverbot ausspreche.
Das zuständige Gesundheitsamt entscheide bei der Impfpflicht „über das weitere Vorgehen und die zu ergreifenden Maßnahmen im Rahmen seines Ermessens“, so ein Sprecher des Gesundheitsministeriums. Dabei würden alle „Umstände des Einzelfalles“ berücksichtigt werden. „Bis das Gesundheitsamt die Entscheidung über ein Betretungs- bzw. Tätigkeitsverbot getroffen hat, dürfen die betroffenen Mitarbeitenden grundsätzlich weiterbeschäftigt werden. Kontrolliert und entschieden wird im Einzelfall. Dabei spielt natürlich auch der Aspekt eine Rolle, ob in einer Übergangszeit Personalengpässe in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen und Arztpraxen vermieden werden können“. https://www.businessinsider.de/politik/deutschland/lauterbach-ministerium-raeumt-erstmals-klar-ein-ungeimpfte-koennen-ab-16-maerz-in-krankenhaeusern-und-pflegeheimen-vorerst-weiterarbeiten-a/
Hier hat also die Bundesregierung die Entscheidung über die Umsetzung eines Gesetzes und das Ergebnis eines Tätigkeitsverbots für einen Arbeitnehmer den lokalen Gesundheitsämtern nach eigenem „Ermessen“ und unter Berücksichtigung der betrieblichen Notwendigkeiten übertragen. Es ist davon auszugehen, dass dieses Vorgehen gerichtlich zu überprüfen sein wird – in jedem Einzelfall und gesamthaft, in Hinblick auf eine Verfassungstauglichkeit.
Aber auch rein praktisch wird diese Aufgabe nicht zu bewältigen sein. Die Gesundheitsämter sehen sich selber nicht in der Lage, dies umzusetzen. Man rechne damit, dass im Schnitt bei fünf bis zehn Prozent der Beschäftigten kein eindeutiger Nachweis oder kein vollständiger Impfschutz vorliege und eine Meldung an das Gesundheitsamt erfolge, so Elke Bruns-Philipps stellvertretende Vorsitzende des Bundesverbands der Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes, zur „Rheinischen Post“ am Dienstag, den 01.02.2022. „Das ist eine erhebliche Belastung mit der Prüfung jedes Einzelfalls, wie es jetzt vorgesehen ist, die die Gesundheitsämter nicht zeitnah bewältigen können.“https://www.rnd.de/politik/corona-impfpflicht-gesundheitsaemter-sehen-sich-mit-kontrolle-ueberfordert-TFTVBQMXOQAZUESEKA7R4Q66LA.html
Am Donnerstag, den 03.02.2022 sprechen sich laut der Süddeutschen Zeitung vom Folgetag die Spitzen der Freien Wohlfahrtspflege Bayern (das Bayerische Rote Kreuz, Arbeiterwohlfahrt, Landes-Caritasverband Bayern, Diakonie Bayern, Landesverband der israelitischen Kultusgemeinde in Bayern und der Paritätische Wohlfahrtsverband, zusammen zuständig für ca. 75% aller sozialen Dienstleistungen in Bayern) für eine Aussetzung der einrichtungsbezogenen Corona-Impfpflicht aus. Man steuere auf eine schwierige, wenn nicht katastrophale Situation hin, da die Impfpflicht auf einen vorhandenen, extremen Personalnotstand treffe. Man könne auf keinen Mitarbeiter verzichten. Zu viele Fragen bei der Durchsetzung der Impfpflicht seien noch ungeklärt, jeder Tag mit Unklarheit sei ein Tag zu viel, das Thema führe in den Einrichtungen zu „extremen Verwerfungen“.
Unterdessen teilte in Bayern die berufsgenossenschaftliche Unfall-Klinik Murnau mit, dass man keine Mitarbeiter kündige, die mit dem Stichtag 16. März nicht geimpft seien. Die Klinik werde abwarten, was das Gesundheitsamt dann verfügen werde, hieß es. Man plane aber auch im Falle einer Freistellung durch das Gesundheitsamt keine Kündigungen, so die Geschäftsführerin Sarah Heinze, laut BR24 am Dienstag, den 01.02.2022. Es wäre zudem nicht nachvollziehbar, warum solch eine Freistellung erfolgen würde. Die Klinikleitung rechnet mit etwa zehn Prozent nicht geimpften Mitarbeitern bei insgesamt 2.300 Beschäftigten. https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/medien-ungeimpfte-koennen-bei-impfpflicht-in-pflege-vorerst-weiterarbeiten,SwB7Bl1
Seit dieser Woche wird der Ruf nach einer bundesweiten Abschaffung der 2G-Regel im Einzelhandel lauter, selbige nimmt dann auch an Fahrt auf. Wie im Corona-Newsblog des Deutschlandfunks und in den Deutschen Wirtschaftsnachrichten am Montag, den 31.01.2022 berichtet wird https://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/517182/Widerstand-gegen-2G-Regel-im-Einzelhandel-nimmt-dramatisch-zu, fordern nach dem Handelsverband Deutschland jetzt auch die vier großen Lebensmittelhändler – Edeka, Rewe, Aldi und die Schwarz-Gruppe (Lidl, Kaufland) – ein Ende der Zugangsbeschränkungen, die nicht für sie selbst, aber seit Anfang Dezember in weiten Teilen des Handels gelten. In einem Brief an mehrere Spitzenpolitiker heißt es, „auf Basis unserer nunmehr fast zweijährigen Erfahrungen mit der Pandemie können wir feststellen, dass der Einzelhandel mit den geeigneten Hygienekonzepten kein Infektionsherd“ sei. Die 2G-Regel berge die Gefahr erheblicher Umsatz- und Ergebniseinbußen und damit der Schließung tausender insbesondere inhabergeführter Geschäfte.
Am Mittwoch, den 02.02.2022 verkündet Daniel Günther, Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, dass mit der neuen Landesverordnung am kommenden Mittwoch, also ab dem 09.02.2022, die 2G-Regel im Einzelhandel für sein Bundesland entfallen werde. Die Lage in den Krankenhäusern sei „beherrschbar“, es habe sich gezeigt, dass sich bereits seit Weihnachten die – gleichbleibende – Intensivauslastung der Krankenhäuser abgekoppelt habe von der stark gestiegenen Inzidenz. Noch am selben Tag folgt Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier mit der analogen Ankündigung. Er begründet das vor allem mit dem enormen wirtschaftlichen Druck, unter dem viele Einzelhändler in dieser nunmehr zwei Jahre andauernden Pandemie stehen. https://www.hessenschau.de/politik/hessen-kippt-2g-im-einzelhandel—ffp2-maske-wird-zur-pflicht,bouffier-corona-regeln-100.html Hessens Corona-Kabinett beschliesst die Aufhebung der 2G-Pflicht im Einzelhandel am Freitag, den 04.02.2022, die 2G-Regel wird mit Wirkung zum Montag, 07.02.2022 aufgehoben https://www.fnp.de/hessen/hessen-corona-regeln-lockerungen-2g-laeden-veranstaltungen-bouffier-live-landtag-zr-91273635.html
Damit folgen die Bundesländer Schleswig-Holstein und Hessen im Ergebnis Bayern und Baden-Württemberg. Bei den beiden südlichen Bundesländern war die Rücknahme der 2G-Regeln jedoch per Gerichtsentscheid verursacht, in Baden-Württemberg am 25.01.2022 (Chronik #06, Seite 18) und in Bayern bereits zuvor am 19.01.2022 (Chronik #05, Seite 14). Ein stetig aktualisierter Überblick über die Entscheidungen der einzelnen Bundesländer zur 2G-Regelung findet sich hier: https://www.zdf.de/nachrichten/politik/corona-2g-3g-einzelhandel-oeffnung-lockerung-laender-100.html
Das Medienportal The Pioneer veröffentlicht am Donnerstag, den 03.02.2022 eine umfassende Umfrage bei den Parlamentariern, wer für und gegen die Impfpflicht ist bzw. wer welchen Entwurf unterstützen würde bzw. sich noch nicht entschieden habe. https://www.thepioneer.de/originals/others/articles/so-stehen-die-abgeordneten-zur-impfpflicht?utm_medium=newsletter&utm_source=steingarts-morning-briefing
Die Resonanz auf die Umfrage war „ok“, The Pioneer erhielt von 43% der Parlamentarier eine Antwort, bei den Koalitionsfraktionen sogar 57%, das Ergebnis ist namentlich veröffentlicht https://assets.ctfassets.net/mj324dykhxwi/4WIKWMMdCryrSzRoMMPoyt/ec6db768a79b0bfef51573727e985586/20220203-Umfrage-Haupstadt-Briefing.pdf Die entscheidende Frage – gibt es eine Mehrheit für die Impfpflicht – lässt sich aufgrund des hohen Anteils von „weiss noch nicht“ und „keine klare Angabe“ aber noch nicht beantworten. Nur 113 von 320 Antwortgebern sprachen sich explizit für die allgemeine Impfpflicht aus.
Folgendes Fazit von The Pioneer: „Unsere Umfrage zeigt eine Momentaufnahme. Bisher zeichnet sich keine klare Bundestagsmehrheit pro oder kontra Impfpflicht ab. Und deshalb auch nicht für ein bestimmtes Modell. Eine mögliche These: Das Lager der Befürworter einer allgemeinen Impfpflicht im Bundestag ist im Augenblick zwar stark aufgestellt, vielleicht ist es aber auch schon vollständig mobilisiert und hat nicht mehr die Chance, nennenswert an Zulauf zu gewinnen. Der Faktor Zeit dürfte eine entscheidende Rolle spielen. Die finale Abstimmung im Bundestag ist – Stand jetzt – für Mitte März geplant. Dann könnte die Omikron-Welle bereits am Abflauen sein. Und womöglich ist eine Entscheidung für weitreichende Lockerungen der Schutzmaßnahmen bereits gefallen. Das alles dürfte den Impfpflicht-Befürwortern das Argumentieren nicht unbedingt leichter machen.“
Auch die Welt veröffentlicht am Donnerstag, den 03.02.2022 das Ergebnis der Anfrage bei allen Bundestagsabgeordneten, mit ähnlichem Ergebnis: Von 736 Abgeordneten schickten 577 der Redaktion eine Antwort: Demnach waren 182 Abgeordnete für eine allgemeine Impfpflicht ab 18 Jahren, 21 für eine altersbezogene Verpflichtung und 134 Abgeordnete dezidiert dagegen. Interessant 160 Abgeordnete und damit jeder fünfte Parlamentarier gab an, sich noch nicht entschieden zu haben; 80 Abgeordnete lehnten die Antwort auf die Frage nach ihrem voraussichtlichen Votum bei der Frage nach einer Impfpflicht ab https://www.welt.de/politik/deutschland/article236652099/Impfpflicht-Die-befremdliche-Unklarheit-vieler-Abgeordneter.html
- Politische Entscheidungen und Maßnahmen
Bund
Am Montag, den 31.01.2022 wird bekannt, dass der Bund sein selbstgesetztes Impf-Ziel bis Ende Januar nicht erreicht hat. Eigentlich hätten 80% der Bevölkerung bereits zum Ende des Jahres „mindestens einmal“ geimpft sein sollen, dieses Ziel hatte man dann aber auf Ende Januar verschoben. Offenbar sind aber zu diesem Stichpunkt nur 75,8% mindestens einmal geimpft, vollständig immunisiert sind 74%. Damit sind immer noch gut 20 Millionen Menschen nicht geimpft, inkl. der vier Millionen Kinder – bis vier Jahre – die bisher den Impfungen noch nicht ausgesetzt werden. https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/corona-impfung-deutschland-verpasst-80-prozent-ziel,Sw5i4uI Dabei ist die Impfkampagne des Bundes mittlerweile erlahmt – das Handelsblatt berichtet ebenfalls am Montag, den 31.01.2022, dass an den beiden Tagen des vorausgegangenen Wochenendes nur knapp 28.900 Menschen eine Erstimpfung erhielten, am Wochenende 15./16.01.2022 waren es noch 76.400 gewesen. Der Höchstwert an Impfungen im laufenden Jahr war am 12.01.2022 mit rund 871.000 erreicht.
Die Hoffnung auf einen wiederaufflackernden Impf-Enthusiasmus lässt sich aktuell nur auf Nuvaxovid stützen. Von dem gentechnisch hergestellten Proteinimpfstoff des Unternehmens Novavax (siehe Chronik#02, Seite 4) hat der Bund laut Bundesgesundheitsministerium bereits 3,25 Millionen Dosen bestellt und will einige davon schon zum 21.02.2022 bereitstellen, so dass die Impfungen voraussichtlich Ende Februar in Deutschland starten können. Doch zunächst sollen offenbar nur spezielle Gruppen den Impfstoff erhalten. So werde aktuell bereits in einigen Bundesländern darüber debattiert, ob aufgrund der zunächst geringen Impfstoffmengen nur Pflegekräfte und medizinisches Personal mit Nuvaxovid geimpft werden sollten. Hintergrund der Überlegung bilde die immer noch große „Impflücke“ dieser Personengruppen und die ab dem 15.03.2022 geltende einrichtungsbezogene Impfpflicht. https://www.gelbe-liste.de/nachrichten/wann-kommt-novavax-impfstoff
Auf der Konferenz der Gesundheitsminister (GMK) am Montag, den 31.01.2022 wird beschlossen, dass alle Bürgerinnen und Bürger weiterhin Anspruch auf PCR-Tests haben sollen, so Sachsen-Anhalts Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne, die Vorsitzende, nach der Videositzung mit dem Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. Sie hoffe, dass die Testverordnung vom Bundesgesundheitsministerium noch in dieser Woche veröffentlicht werde.https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/pcr-tests-103.html Ein Antrag Bayerns, den Genesenen-Status von aktuell drei auf sechs Monate wieder zu verlängern, wird in der GMK abgelehnt. https://www.tagesschau.de/inland/corona-genesenenstatus-101.html Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hatte bekräftigt, dass die Verkürzung auf Grundlage wissenschaftlicher Ergebnisse erfolgt sei, obwohl er sich damit EU-weit nicht hatte durchsetzen können und dort in den anderen Mitgliedsländern der Genesenen-Status wie bislang auch in Deutschland sechs Monate Gültigkeit hat. Nahezu alle Länder hätten sich aber in der GMK in einem anderen Punkt dem Antrag Bayerns angeschlossen, so Klaus Holetschek, der bayerische Gesundheitsminister gegenüber BR24 am Dienstag, den 01.02.2022. Die GMK fordert daraufhin, dass künftig nicht mehr das Robert-Koch-Institut und das Paul-Ehrlich-Institut über die Gültigkeitsdauer des Genesenen- oder Impfstatus befinden sollen. Vielmehr müsse dies wieder das Bundesgesundheitsministerium per Verordnung regeln.
Am Mittwoch, den 02.02.2022 wird bekannt, dass die pandemiebedingten Sonderregelungen zum Kurzarbeitergeld um drei Monate bis zum 30.06.2022 verlängert werden sollen, wie aus einem Entwurf des Bundesarbeitsministeriums für die Koalitionsfraktionen hervorgeht. Regulär würden die aktuell geltenden Regeln zum 31.03.2022 auslaufen. Mit dem Entwurf eines Gesetzes, der nach dpa-Informationen am 9. Februar ins Kabinett soll, soll die maximale Bezugsdauer des Kurzarbeitergelds von 24 auf bis zu 28 Monate gestreckt werden. „Ohne die Möglichkeit, weiter Kurzarbeitergeld zu beziehen, wäre ab März 2022 bei den bereits länger kurzarbeitenden Betrieben verstärkt mit Entlassungen zu rechnen“, heißt es zur Begründung in dem Entwurf. https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.kurzarbeitergeld-in-der-coronakrise-hubertus-heil-will-sonderregelung-verlaengern.87ed5291-d92f-4448-8184-b978b440789d.html
Bayern
Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek will sich im Streit über die Dauer des Genesenen-Status weiter für eine Verlängerung stark machen, obwohl er sich damit in der Gesundheitsminsterkonferenz am Montag, den 31.01.2022 nicht durchsetzen konnte. Man werde alle Optionen bewerten, sagt er gegenüber BR 24 am darauffolgenden Dienstag, den 01.02.2022 und auf die Frage nach einem möglichen Alleingang Bayerns in diesem Punkt: „Man muss natürlich aufpassen, dass die Verwirrung nicht insgesamt noch größer wird.“
- Juristische Prozesse und Entscheidungen
Die „Spaziergänge“ haben das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) erreicht und die Vorentscheidung fällt nicht im Sinne der Spaziergänger. Am Montag, den 31.01.2022 lehnt die 1. Kammer des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe einen Eilantrag gegen das Verbot von sogenannten Montagsspaziergängen in Freiburg ab. Der Eilantrag gehört zur Verfassungsbeschwerde eines Bürgers, der sich gegen die Allgemeinverfügung und zwei Gerichtsentscheidungen dazu wehrt. Sowohl das Verwaltungsgericht Freiburg als auch der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim hatten Eilanträge gegen eine Freiburger Allgemeinverfügung, die entsprechende Versammlungen untersagte, Ende Januar zurückgewiesen. Die Stadt Freiburg hatte diese am 7.1.2022 erlassen, bis Ende Januar geltend und unabhängig vom Wochentag.
Ausdrücklich verweisen die Richterin Britz, sowie die Richter Harbarth und Radtke auf Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH) und des VG Stuttgart – die jeweils zu unterschiedlichen Einschätzungen kamen. Der BayVGH änderte die Vorentscheidung des VG München ab, das Vorab-Verbot per Allgemeinverfügung der Stadt München sei rechtmäßig. Dagegen hielt das VG Stuttgart in Bad Mergentheim ein durch Allgemeinverfügung erlassenes präventives Verbot von sogenannten Corona Spaziergängen in einem Eilverfahren für voraussichtlich verfassungswidrig – und traf eine einstweilige Regelung.
Dabei entschied hier das BVerfG noch nicht darüber, ob ein präventives Verbot solcher unangemeldeter Corona-Demonstrationen mit dem Grundgesetz vereinbar ist, die Klärung dieser Frage müsse dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Es befand aber, dass die Abwägung möglicher Folgen dagegenspreche, das Verbot bis zu dieser Entscheidung vorläufig zu kippen. (Az. 1 BvR 208/22). Eine konkrete erhebliche Gefahr für Rechtsgüter Dritter ist aus Sicht des BVerfG offenbar nicht mehr erforderlich, um Versammlungen präventiv zu verbieten. Kein gutes Signal für die Versammlungsfreiheit in dieser Phase der großflächigen Bürgerproteste.
In Österreich könnte eine ernstzunehmende juristische Überprüfung zwar nicht der durch das Parlament am 20.01.2022 beschlossenen Einführung der allgemeinen Impfpflicht, aber sehr wohl der bisherigen, per erlassenen Verordnungen implementierten Corona-Politik der Regierung anstehen. Zumindest erregt ein „viral gegangenes, juristisches Dokument“ die Gemüter. Am Samstag, den 29.01.2022 lanciert ein Blogpost von Chris Veber die Neuigkeit https://chrisveber.blogspot.com/2022/01/game-over.html , er schreibt darüber ebenfalls auf Tichys Einblick am selben Tag https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/aus-aller-welt/oesterreich-verfassungsgerichtshof/; im Anhang jeweils das Dokument, bei dem es sich um eine Fragenliste handelt, die von dem österreichischen Verfassungsgerichtshof (VfGH) an den österreichischen Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) adressiert ist, mit einer Frist zur Beantwortung bis zum 18.02.2022. Aus dem Schreiben, dessen Echtheit bis inkl. Montag, den 31.01.2022 von mehreren Seiten bestätigt wurde, folgt, dass der VfGH am 26.01.2022 ein Verordnungsprüfungsverfahren eingeleitet hat.
Es handelt sich um bekannte, naheliegende Fragen, u.a. ob bei den Todesfällen zwischen „an“ oder „mit“ COVID verstorben differenziert wird, woher die nicht durch Corona-Tote begründete Übersterblichkeit des Jahres 2021 herrührt, um wieviel höher die Bettenauslastung ohne einen Lockdown für Ungeimpfte gewesen wäre, welche Belege es für die Sinnhaftigkeit einer FFP2-Maskenpflicht gebe. Bisher wurden diese Fragen typischerweise von „Maßnahmenkritikern“ gestellt, die dafür meist noch deutlich negativer betitelt wurden als nun in der Presseberichterstattung.
Dennoch wird auch der Verfassungsrichter, der mit dem Fall durch den VfGH betraut wurde und bereits ein Vorverfahren eingeleitet hat, von der Presse umgehend „geframed“, u.a. durch Der Standard, der am Montag, den 31.01.2022 die Thematik aufgreift. Einerseits wird mit der Wahl des Titels bereits die Bedeutung heruntergespielt („Fragenkatalog des Verfassungsgerichtshofs zu Corona-Maßnahmen: Ein Formvorgang geht viral“), andererseits wird zu der Person des Höchstrichters u.a. erläutert, dass „seine Bestellung schon für Wirbel gesorgt habe“ und dass er „schlagender Burschenschaftler“ sei. Den Fragenkatalog habe er schon in zwei anderen, laufenden Verfahren übermittelt. Zur Relevanz der Fragen, und dass es erstrebenswert sei, dass eine Regierung darauf Antworten habe – kein Wort. https://www.derstandard.de/story/2000132957841/verfassungsgerichtshof-prueftcoronamassnahmen
Auf die Umsetzung der Impfpflicht in Österreich hat das Verordnungsprüfungsverfahren jedenfalls keinen Einfluss. Sie wird plangemäß am Donnerstag, den 03.02.2022 vom Bundesrat in Wien verabschiedet, nachdem der Nationalrat bereits Mitte Januar dafür gestimmt hatte. Die Zustimmung erfolgt per Mehrheit mit 47 zu zwölf Stimmen. Mit der Unterschrift des Bundespräsidenten, die am 05.02.2022 erfolgt, gilt die Impfpflicht. Ab Mitte März soll kontrolliert werden, ein Abgleich des Melderegisters mit dem zentralen Impfregister dürfte aber erst ab Anfang April möglich sein. Bei Verstößen können die Strafen in einem verkürzten Verfahren bis zu 600 Euro reichen, bei Einspruch drohen bis zu 3.600 Euro Strafe. Die Verwaltungsgerichte rechnen mit einer Flut von Beschwerden. Die Impfquote in Österreich liegt derzeit bei 69 Prozent. https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/oesterreich-auch-im-bundesrat-breite-mehrheit-fuer-impfpflicht,SwNKV2 Für einen signifikanten Anteil der Bevölkerung Österreichs ist die Impfpflicht also alles andere als willkommen, was die Proteste auf den Straßen zeigen.
Am Montag, den 31.01.2022 berichtet zunächst die Bild und dann weitere Zeitungen über eine Einschätzung der Experten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages zum neuen Verfahren zur Festsetzung des Corona-Genesenenstatus, welches sie kritisch bewerten. Analysiert wird in dem Papier unter anderem, ob das Thema Genesenennachweis überhaupt auf einfachem Weg per Verordnung geregelt werden darf, weil bei Corona-Maßnahmen, die an den Genesenen- oder Impfstatus gekoppelt sind, Grundrechte berührt werden. Verwiesen wird auf die sogenannte Wesentlichkeitslehre – ein Begriff aus dem Verfassungsrecht -, wonach in „grundlegenden Bereichen“ ein förmliches Gesetz nötig sei. https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/darf-das-rki-ueber-den-corona-genesenenstatus-entscheiden-17766878.html
Der Fußball-Bundesligist RB Leipzig geht als erster Profi-Verein juristisch gegen Corona-Maßnahmen vor. Die Welt berichtet am Samstag, den 29.01.2022 über den beim Oberverwaltungsgericht Bautzen eingereichten Eilantrag. Zu diesem Zeitpunkt darf RB Leipzig nur 1.000 Fans in die mehr als 44.000 Zuschauer fassende Red-Bull-Arena lassen. Die aktuell für Sachsen gültige Schutz-Verordnung gilt bis zum 2.2.2022. Eine Neufassung, die in der kommenden Woche verabschiedet werden soll, sieht erneut eine Beschränkung auf 1.000 Fans vor. In anderen Bundesländern wie Bayern (10.000 Zuschauer) oder Sachsen-Anhalt (50 Prozent Auslastung) dürfen deutlich mehr Zuschauer in die Stadien. https://www.welt.de/sport/article236562835/Corona-RB-Leipzig-klagt-gegen-Zuschauer-Regeln-der-Politik.html?wtrid=socialmedia.socialflow….socialflow_twitter
Im Profi-Sport, der neben Sponsoren-Geldern und medialer Übertragung von Veranstaltungen auf zahlende Zuschauer angewiesen ist, können unterschiedliche Kapazitätsregeln schnell zu einem Wettbewerbsnachteil werden. Ein Urteil hätte Präzedenzcharakter für andere Sportverbände und Sportarten haben können. Um dem zuvorzukommen und für anstehende Bundesliga-Spiele zeitnah eine Lösung zu haben, einigen sich die Regierungen der Bundesländer darauf, bundesweit einheitlich eine Stadien-Auslastung von 50 Prozent oder maximal 10.000 Zuschauer pro Spiel zuzulassen, wie am Donnerstag, den 03.02.2022 bekannt wird. Für überregionale Veranstaltungen in Hallen gilt eine Auslastungsgrenze von 30 Prozent oder maximal 4000 Zuschauer. Der Beschluss ist für die Bundesländer bindend, muss aber jeweils noch in die einzelnen Corona-Verordnungen übernommen werden. https://www.ndr.de/sport/Bundesweit-bis-zu-10000-Zuschauer-in-Stadien,corona10048.html
Aus Tschechien wird bekannt, dass die Regierung unter Petr Fiala die Nachweispflicht über Impfung oder Genesung (2G) in Restaurants und bei Sportveranstaltungen nach einem zuvor ergangenen Gerichtsurteil abschaffen wird. Erst wenige Stunden zuvor hatte das Oberste Verwaltungsgericht am Mittwoch, den 02.02.2022 entschieden, dass es keine rechtliche Grundlage für die Nachweispflicht gebe. Das Urteil gilt auch für Musik-, Tanz- und Glücksspielhallen sowie ähnliche Clubs. „Es darf nicht Ziel der Maßnahme sein, die Bürger indirekt zum Impfen zu nötigen“, begründeten die Richter ihre Entscheidung. Menschen sollten nicht pauschal einer Infektion verdächtigt werden, solange sie keine Symptome haben. Die Richter hatten der Regierung eine Woche Zeit gegeben, um die entsprechende Verordnung nachzubessern.https://www.saechsische.de/tschechien/gericht-in-tschechien-kippt-2g-regel-in-gaststaetten-und-hotels-5618585.html
- Gesellschaftliche Reaktionen
Gemäß einer Umfrage des Handelsblatts vom Dienstag, den 01.02.2022 machen sich in ganz Deutschland in Kliniken und Pflegeeinrichtungen bereits die Kündigungen von Mitarbeitern ob der ab 15.03.2022 geltenden, einrichtungsbezogenen Impfpflicht bemerkbar. Im Universitätsklinikum in Hanau befürchtet man, dass drei bis fünf Prozent der Angestellten den Job wechseln würden, schon jetzt sei die Personalsituation angespannt, durch die Impfpflicht könne sie sich bereichsspezifisch deutlich verschärfen, so eine Sprecherin. https://www.handelsblatt.com/unternehmen/mittelstand/familienunternehmer/handelsblatt-umfrage-corona-impfpflicht-sorgt-fuer-kuendigungen-in-kliniken/28022272.html?utm_source=red&utm_medium=nl&utm_campaign=hb-morningbriefingcorona&utm_content=31012022&ticket=ST-4984138-cha1vSFXbAgcj3U3eqzI-ap5
Auch die Bundesagentur für Arbeit (BA) bestätigt, dass sich immer mehr Pflegekräfte einen anderen Job suchen. Im Januar 2022 stieg ihre Zahl so deutlich, dass die BA einen Zusammenhang mit der einrichtungsbezogenen Impfpflicht sieht, die am 16. März in Kraft tritt. Allein in Bayern meldeten sich von Mitte Dezember bis Mitte Januar 2.891 Pflegerinnen und Pfleger arbeitsuchend. Im Monat zuvor waren es nur 862. Im Vergleich zum Vorjahr vervierfachte sich die Zahl der arbeitssuchenden Pflegekräfte sogar. Von Januar 2020 bis Januar 2021 hatte sich dagegen kaum etwas geändert. https://www.br.de/nachrichten/bayern/nach-impfpflicht-beschluss-viel-mehr-pflegekraefte-auf-jobsuche,SwBRsmj
In München kommt es am Mittwoch, den 02.02.2022 zu einer weiteren Steigerung der absurden („Orwell’schen“) Szenerie in der abendlichen Innenstadt. Die Stadt München lässt die Parolen „Demokratie“, „Wissenschaft“, „Zusammenhalt“ und „Solidarität“ auf das Rathaus projizieren, während sie gleichzeitig per kurzfristig erlassener, erneuter Allgemeinverfügung das Versammlungsrecht einschränkt und den demokratischen Protest unterbindet. Den von München-steht-auf angemeldeten Mittwochsumzug hatte sie wieder nicht genehmigt, die erneute Durchführung einer verordneten, stationären Veranstaltung wie in der Vorwoche auf dem Königsplatz hatte der Anmelder nun wieder abgelehnt.
Die Innenstadt wird erneut mit Polizisten in voller Montur und Einsatzwägen geflutet, es kommt zu Sperrketten und einigen unschönen Szenen, eine Kesselung der „Spaziergänger“ erfolgt diesmal aber offenbar nicht, „München läuft für Demokratie“: https://www.youtube.com/watch?v=73hrtFyct9c
Reaktionen aus aller Welt
Seit Dienstag, den 01.02.2022 ist amtlich, was schon länger angekündigt wurde: Covid-Impfzertifikate sind nach der jeweils letzten Impfung EU-weit nur noch neun Monate gültig. Eingeführt worden waren sie am 01.07.2021, damals war eine Gültigkeitsdauer von 12 Monaten vereinbart. https://ec.europa.eu/info/live-work-travel-eu/coronavirus-response/safe-covid-19-vaccines-europeans/eu-digital-covid-certificate_de. Jetzt werden wegen der nach wenigen Monaten bereits wieder vernachlässigbaren Wirkung der gebräuchlichen COVID-19 Impfstoffe Auffrischimpfungen (Booster) bereits nach sechs Monaten empfohlen. Das Impfzertifikat soll dann aber drei weitere Monate gültig sein, bevor es abläuft, damit Zeit für die Boosterung besteht. Mitgliedsstaaten der EU können für Einreisen weiterhin zusätzliche Tests verlangen. Wie lange mit einer Booster-Impfung vereinfachtes Reisen in der EU garantiert wird, ist noch nicht geregelt. Nach der Boosterung wird vermutlich auch hier vor der Boosterung sein.
Während Österreich die allgemeine Impfpflicht eingeführt hat und Deutschland ernsthaft darüber debattiert, gehen viele andere europäische Länder einen anderen Weg, zurück in die Normalität – trotz oft weit höherer Inzidenzzahlen als hierzulande.
So hebt Dänemark zum Dienstag, den 01.02.2022 praktisch alle Corona-Beschränkungen auf. Masken sollen nur noch in Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern getragen werden, um vulnerable Gruppen weiter zu schützen. Nachweise über Impfungen, Genesungen und negativen Tests entfallen für die Dänen weitgehend (Ausnahme wiederum Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen). Lediglich ungeimpfte Einreisende aus dem Ausland müssen binnen 24 Stunden einen Covid-Test nachweisen, wenn sie bleiben wollen. https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/daenemark-hebt-alle-corona-beschraenkungen-auf,SwAtfG1
Die Schweiz verkündet am Mittwoch, den 02.02.2022 ebenso ein Ausstiegsszenario, bei deutlich höheren Infektionszahlen als in Deutschland. Hier wie in Dänemark werden die Lockerungen mit den bei Omicron deutlich niedrigeren Hospitalisierungs- und Intensivbehandlungsraten begründet. Als erstes entfällt die Quarantänepflicht für Kontaktpersonen, auch die Homeoffice-Pflicht wird abgeschafft. Über das Ende weiterer Maßnahmen und den genauen Fahrplan will die Regierung Mitte Februar nach einer Konsultation mit den Kantonen beraten. https://www.blick.ch/politik/berset-zu-besuch-im-aargau-wann-lockert-auch-der-bund-die-corona-massnahmen-id17186215.html
Finnland fährt ab Montag, den 01.02.2022 einen Kurs der vorsichtigen Lockerung. Restaurants in dem nördlichen EU-Land dürfen in einem ersten Schritt immerhin bis um 21 Uhr geöffnet bleiben. Auch die Grenzkontrollen zu anderen EU- und Schengen-Ländern fallen weg – sie waren im Dezember eingeführt worden, um die Ausbreitung der Omicron-Variante des Coronavirus abzubremsen. Bis zum 01.03.2022 sollen sukzessive auch andere Maßnahmen zurückgenommen werden. Die Regierung will begleitend die Entwicklungen in den Nachbarländern beobachten, wo ähnliche Schritte gegangen werden. https://www.rnd.de/politik/finnland-lockert-letzte-corona-beschraenkungen-sollen-am-1-maerz-aufgehoben-werden-FKUIJUPX64G2PDOK77QFV7RYCE.html
Schweden, das ohnehin lange einen Sonderweg mit relativ wenigen Restriktionen verfolgte, zieht am Donnerstag, den 03.02.2022 mit einer Ankündigung von Lockerungen nach. Die Regierung empfiehlt weiter Impfungen und Masken in öffentlichen Verkehrsmitteln, die Verantwortung, ob und wann die Menschen sich vor dem Virus schützen, soll nun aber jeder wieder selbst tragen. https://www.tagesschau.de/ausland/schweden-lockerungen-corona-101.html
Großbritannien legt nach der Verkündung vom baldigen Ende der meisten Corona-Maßnahmen im Januar noch einmal nach. Die Regierung rudert nun auch bei der geplanten Impfpflicht für medizinisches Personal zurück. Gesundheitsminister Javid kündigte in London am Montag, den 31.01.2022 an, die Pläne zu überprüfen und bei den medizinischen Behörden neue Daten anzufordern. Medien hatten bereits zuvor berichtet, die konservative Regierung von Premierminister Johnson wolle das umstrittene Vorhaben aufgeben.
Ursprünglichen Plänen zufolge sollten Pflegekräfte vom 1. April an zwei Impfungen nachweisen müssen. Die mutmaßliche Kehrtwende wird von der Regierung auch hier damit begründet, dass die Auswirkungen der Omicron-Variante deutlich milder seien als befürchtet. https://www.zeit.de/news/2022-01/31/grossbritannien-doch-keine-impfpflicht-fuer-pflegekraefte
Die Liste der Länder, in denen Lockerungen verfügt werden, lässt sich beinahe täglich verlängern. Immer mehr Regierungen kommen offenbar nach Rücksprache mit ihren Expertengremien zu dem Ergebnis, dass die Pandemie in ihre endemische Phase eintritt und deshalb Einschränkungen der Bürgerrechte immer weniger gerechtfertigt werden können.
Die wohl originellste und auch sichtbarste Protestaktion melden die Medien aus Kanada. Dort wurden in der letzten Januar-Woche zunächst in den Sozialen Medien beeindruckende Fotos und Videos geteilt, die einen hunderte Kilometer langen Trucker-Konvoi zeigten. Die Rede war anfangs von bis zu 50.000 Trucks, die sich aus Protest gegen die Corona-Maßnahmen und partielle Impfpflichten in den verschiedenen Regionen auf den Weg in die Hauptstadt Ottawa machten. Auf Brücken und an Straßen standen nach verschiedenen Quellen zehntausende Kanadier, die dem „Freedom Convoy“ zujubelten. https://www.zeit.de/news/2022-01/30/trucker-demonstrieren-in-kanada-gegen-corona-vorgaben
In deutschsprachigen Medien war dann später allerdings nurmehr von hunderten von Trucks die Rede, die ihre Lastwägen in Ottawa in der Innenstadt abgestellt und damit den Verkehr blockiert hatten und dies auch teilweise noch jetzt tun. Dazu gesellen sich täglich viele tausend Kanadier, die aus Solidarität mit den Truckern, aber auch um ihrer eigenen Freiheit Willen gegen die Corona-Regeln und Impfpflichten in ihrem Land protestieren.Auslöser des Protests ist die seit Januar geltende Impfnachweispflicht für Fernfahrer, die aus den USA zurückkehren. https://nationalpost.com/news/canada/health-officials-are-hinting-at-ending-covid-restrictions-and-its-not-because-of-the-truckers
Kanadas Premierminister Justin Trudeau wird mit seiner Familie wie am Montag, den 31.01.2022 berichtet, an einen geheimen Ort gebracht, nachdem er die Trucker als „kleine Randminderheit“ bezeichnete https://www.pressreader.com/austria/heute-oberosterreich-ausgabe/20220131/281569474123304 Er forderte die Protestfahrer in Ottawa mehrfach auf, nach Hause zu gehen, ein zwischenzeitlich diskutiertes militärisches Vorgehen gegen die Trucker lehnte Trudeau am 04.02.2022 vorerst ab. Man müsse hier … „sehr, sehr vorsichtig sein, um das Militär gegen Kanadier einzusetzen“ wird Trudeau zitiert, nachdem Ottawas Polizeichef einen Armeeeinsatz gegen die renitenten Trucker vorgeschlagen hatte.
Für dieses Wochenende sind neben Ottawa auch Proteste in anderen großen Städten des Landes, u.a. in Quebec City und Toronto, angekündigt https://www.france24.com/en/americas/20220204-canada-s-trudeau-says-he-will-not-send-military-to-end-trucker-anti-vax-protest Dass die Proteste Wirkung zeigen und die Regierung bereit ist, an den Impf- und Nachweispflichten noch etwas zu ändern, scheint nicht ausgeschlossen. In Quebec und Ontario beispielsweise wurde die Pflicht zur Impfung für Bedienstete im Gesundheitssektor bereits im November ausgesetzt, weil zu viele Beschäftigte streikten und die Regierungen deshalb die Versorgung von Patienten gefährdet sahen. https://www.heise.de/tp/features/Kanada-Krankenhausangestellte-gegen-Impfzwang-6273196.html
Und selbst die digitalisierte Musikwelt kann sich den Wirrungen der Corona Phase nicht entziehen. So wird die Musik-Streaming Plattform Spotify gerade von einigen ihrer Künstler erpresst. Neil Young und Joni Mitchell – beide aus der „Woodstock“ Generation – haben aus Protest gegen allzu freie Rede bzw. „Falschinformationen zu Corona“ Spotify bereits den Rücken gekehrt, weitere drohen zu folgen. Sie wollen sich nicht auf derselben Plattform wiederfinden wie der erfolgreiche und wegen seiner Darstellung kontroverser Positionen und Personen zugleich beliebte und kritisierte Podcast Host Joe Rogan. Unter anderem hatte dieser noch am Silvesterabend den Erfinder der mRNA Technologie und heutigen Kritiker ihres Einsatzes in Form der mRNA COVID-19 Impfstoffe, Robert Malone, zu einem exklusiven Interview geladen (Chronik #03, Seite 7).
Joe Rogan sieht sich am Montag, den 31.01.2022 zu einer Entschuldigung genötigt, er werde zukünftig für eine bessere Balance sorgen. Und Daniel Ek, CEO von Spotify, wird zukünftig Podcasts mit Bezug zu COVID-19 Themen mit Warnhinweisen versehen. Der bei Spotify noch junge Podcast Bereich ist für das Unternehmen von strategischer Bedeutung und hat bereits einiges an Investitionen erhalten. https://www.reuters.com/breakingviews/rogan-deal-blunts-spotifys-edgy-podcast-appeal-2022-01-31/ Die Finanzmärkte goutieren die Kontroverse nicht, insbesondere als Spotify am MIttwoch, den 02.02.2022 zugibt, dass sie sich auf die Profitabilität des Unternehmens auswirken könnte. In einer ohnehin schwierigen Woche für Technologieaktien erleidet Spotify damit gleich an zwei Tagen heftige Kursverluste https://seekingalpha.com/article/4483838-wall-street-breakfast-metaplunge.
Hand aufs Herz: Wer hätte bei Abschluss eines Abos bei dem digitalen Musikanbieter gedacht, dass dieser Player einmal im überhitzten, politischen Diskurs zu Meinungsfreiheit, Gesundheitsschutz und alleinigem Wahrheitsanspruch zwischen die Fronten geraten könne. Wir lernen: In diesen humorlosen Zeiten kann offensichtlich sogar aus Woodstock-Musik jederzeit Ernst werden.
ENDE