Quo vadis, Pflege? Quo vadis, Gesellschaft?

Deutschland altert zunehmend – wir kennen alle das Konzept der Alterspyramide, und wie sich die „Bäuche“ verschieben.

Alte Menschen sind häufig nicht mehr in der Lage, sich selbst zu versorgen. Sie benötigen Pflege. Das ist nun überhaupt nichts Neues. Zu jeder Zeit und in jeder Kultur mussten die Gesellschaft, die Familien und jeder einzelne Antworten darauf finden, wie man mit den damit verbundenen Herausforderungen umgeht.

Dazu wurden unterschiedliche Lösungen gefunden. Teils sehr drastische – Stichwort: Eskimoscholle. Gleichzeitig wurde die Weisheit der Alten in vielen Gesellschaften außerordentlich geschätzt, die Alten wurden und werden verehrt, Stichwort: Konfuzianismus in Asien.

Wo stehen wir heute, zu Beginn der zweiten Hälfte des Jahres 2022?

Am Ausgang der Corona Pandemie, mit unverändert extremen Anforderungen an Pflegekräfte sowohl in der Kranken- als auch der Altenpflege.

Mit einer seit vielen Jahren konstatierten, sich verschärfenden Personalknappheit, die uns nicht davon abgehalten hat, die humanen Ressourcen in der Pflege durch die einrichtungsbezogenen Impfplicht weiter zu verknappen. Anders ausgedrückt: Menschen, die lange Jahre in ihrem Beruf verbracht haben, aus diesem auszuschließen und ihre berufliche Existenz zu gefährden oder zu zerstören.

Gleichzeitig am Beginn einer Wirtschafts- und Finanzkrise, die ihresgleichen wird suchen müssen.

Im Jahr 2016 gab es 7.050 offene Stellen für Pflegefachkräfte auf Normal- und Intensivstationen in Deutschlands Krankenhäusern. 2021 waren es bereits 22.300. Gleichzeitig dachten in 2021 40% der Pflegekräfte daran, den Beruf zu verlassen. 2018 betrug die Fluktuation in der Altenpflege in Deutschland rund ein Drittel pro Jahr. Wie sieht es wohl heute aus?

Laut Prognosen gibt es ab dem Jahr 2030 1,5 Millionen Pflegebedürftige mehr – und 500.000 Pflegekräfte zu wenig. So die Zahlen des Deutschen Pflegerats und des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe.

Hier ein Zitat: „Die Standardpflege ist eine moderne Variante der Eisscholle der Eskimos. Die Eskimos sparten Ressourcen, die Pflegeindustrie verdient Geld“ (Jochen Röpke, 2015).

Diverse Pflegeheim- und Klinikketten stehen gerade vor einem erneuten Verkauf. Ein Jahr nach der Übernahme von Deutsche Wohnen durch Vonovia startet das Unternehmen „Finanzkreisen zufolge“ mit den Vorbereitungen für einen Verkauf seiner Pflegeheim-Sparte. Das Geschäft steht mit einer Bewertung von 1,2 Milliarden EUR in den Büchern der Deutschen Wohnen.

Der Private-Equity Eigentümer der Augenklinik-Kette Artemis hat gerade die Investmentbank Goldman-Sachs mit dem Weiterverkauf betraut. Jährliches Betriebsergebnis ca. €60mio, angenommene Bewertung ca. €800mio.

Der Private-Equity Eigentümer der auf Psychiatrie spezialisierten Oberberg Kliniken hat gerade die Investmentbank JP Morgan mit dem Weiterverkauf betraut. Jährliches Betriebsergebnis knapp €50mio, angenommene Bewertung ca. €600mio.

Quo vadis, Pflege? Quo vadis, Gesellschaft?

Sabine Kaiser, am 04.07.2022