Tür 14

Als die Frage mich erreichte, ob ich auch eine Geschichte für den Adventskalender schreiben möchte, sagte ich spontan zu.

Dann fing ich an zu überlegen, über welche Begebenheit ich denn eigentlich schreiben möchte.

Als “Maskenverweigerer” und “Ausgangssperrenverweigerer” erlebte ich täglich abstruse Dinge, die ich selbst manchmal kaum noch verarbeiten konnte. Ich musste meine Taktik, damit umzugehen, unbedingt ändern.

Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich eine ganz bestimmte Art von Humor habe, die man verstehen und natürlich mögen muss.

Ich denke, dass meine Art, die Dinge zu sehen und mit ihnen umzugehen, mir geholfen hat, die Zeit einigermaßen unbeschadet zu überstehen.

Nun zur Geschichte, die ich euch gerne erzählen möchte:

Ich war damals vom Gericht beauftragter Betreuer und kümmerte mich um geistig behinderte junge Menschen, d.h. ich wurde oft auch zusätzlich am Abend gerufen, um Dinge zu klären. Eines abends, ich hatte mal wieder einen zusätzlichen Einsatz bei einer Klientin, fuhr ich gegen 22.30 Uhr mit der U-Bahn nach Hause. Da die U-Bahn auf Grund der Sperrzeit fast leer war, zog ich maskenlos die Aufmerksamkeit des einzigen Fahrgastes sofort auf mich.

Ein Herr, ich vermutete ein ziviler Polizist, ich sollte auch recht behalten, fing sofort eifrig an, eifrig zu telefonieren.

Ich ahnte schon, was passieren würde, hatte ich schließlich nicht das erste Mal ein Empfangskomitee an einer U-Bahn-Haltestelle.

Am Zielbahnhof angekommen, stand ich auf und begab mich zum Ausstieg, lächelte dem eifrigen Herrn freundlich zu und stieg aus. Ich fuhr die erste Rolltreppe hoch, bemerkte, dass die U-Bahn nicht weiter fuhr, lief zur zweiten Rolltreppe und hörte schon Stimmen und Getrampel und da waren sie wieder, die schwarzen Uniformen, in denen Menschen steckten, deren Handeln ich bis heute nicht verstehen und nicht nachvollziehen kann. 

Ich fuhr die Rolltreppe hoch, sie rannten die Treppe neben mir herunter, in voller Montur, mit Helm und Knüppel, 18‼Uniformierte wegen eines fast 60-jährigen Menschen ohne Maske, während der Ausgangssperre. Unbegreiflich, absurd, irre‼️

Ich hörte sie schreien: “Los, zurück, oben alles absuchen…!”

An der Oberfläche angekommen überlegte ich fix, im Park finden sie mich, nach Hause rennen schaffe ich nicht, warten und mich erklären, sinnlos! Da sah ich das neu errichtete Toilettenhäuschen, meine Rettung.

Ich begab mich also fix in Richtung Zufluchtsort, sperrte mich ein, zog die Beine hoch und wartete ab. Es dauerte nicht lange, da hörte ich sie schon poltern, die getreuen Hüter des Gesetzes. Die Tür wurde aufgerissen: “Ist da wer?”

Ich weiß nicht, was in dem Augenblick in mir vorging, als ich zurück rief: “Nein, sauber!”  Ich wartete, rechnete mit dem Schlimmsten, doch es geschah nichts.

Die Horde zog scheinbar ab. Trotzdem wartete ich noch, traute mich jedoch zumindest aus der engen “Behausung”, als ein sehr durstiger Herr mit Flasche in der Hand die “Einrichtung” betrat. Er war nicht mal verwundert, was ich als Frau, auf der Männertoilette zu tun hatte.

Ich gab ihm 5 Euro und bat ihn zu schauen, ob “die Luft rein wäre”.

Er machte sich sofort auf den Weg und ehrlich gesagt, war ich mir nicht sicher, ob er zurückkommen würde, um mir Bescheid zu geben.

In solchen Situationen hat man selten ein klares Zeitgefühl, es waren wohl nur Minuten, für mich eine gefühlte Stunde, der dem Alkohol sehr zugeneigte Herr kam zurück und teilte mir mit, dass die Luft rein wäre. Ich ging vorsichtig nach draußen, kein Mensch war unterwegs, keine schwarze Uniform war zu sehen.

Ich bedankte mich bei meinem Retter, er sich auch bei mir, nahm einen kräftigen Schluck aus der Flasche und zog von dannen. Ich begab mich dann auch eilig auf den Heimweg und war heilfroh endlich zu Hause zu sein.

Ein paar Tage später war ich mit meinen Töchtern und Enkelkind auf dem Weg zur U-Bahn, als ich im Sperrengeschoss erneut auf meinen Retter traf. Er war sichtlich erfreut und rief mir zu, wann wir uns denn mal wieder auf dem “Herrenklo” treffen würden.

Meine zwei Töchter schauten mich voller Entsetzen an und fragten mich, ob sie etwas verpasst hätten und ob ich ihnen etwas zu erzählen hätte.

Nun musste ich den beiden wohl oder übel die Geschichte erzählen.

Wenn man mir vor ein paar Jahren gesagt hätte, dass ich mich vor den sogenannten Gesetzeshütern auf einer Herrentoilette verstecken und einem Alki 5 Euro schenken würde, den hätte ich sicher nicht ernst genommen.

So absurd die ganze Geschichte klingen mag, so muss ich trotz allem gelegentlich darüber lachen.

Mittlerweile habe ich viele solcher Geschichten erlebt, auch solche, über die ich nicht lachen kann.

Sicher hat mich das alles sehr geprägt, meinen Humor habe ich jedoch nicht verloren und ich bin mir immer treu geblieben.

Ich wünsche euch eine gute Zeit, bleibt standhaft! Gesegnete Weihnachten!

Anonym (uns persönlich und namentlich bekannt)